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«Du bist doch Pro-Feminismus, oder?»

Öh. Wie so oft fällt mir die beste – oder überhaupt eine – Antwort nicht umgehend ein, sondern erst nach längerem Abwägen dessen, was ich nun eigentlich sagen müsste und was ich besser nicht sagen sollte. Dass ich parallel darüber nachdenke, warum beim eigentlichen Gesprächsthema – nämlich Gleichberechtigung – oft schnell von Feminismus die Rede ist, macht meine Reaktionsfähigkeit nicht besser. Wo bleibt denn die Männerbewegung oder wie nennt man die Gruppe eigentlich, die sich dann hoffentlich auf Seiten des anderen Geschlechts für mehr Gleichbehandlung stark macht? Es scheint mir doch weniger eine Sache von entweder Feministinnen oder Männern zu sein, sondern eine Aufgabe, die sich der gesamten Menschheit stellt. Die Frage, «Du bist Pro-Humanismus?» könnte dann vielleicht ein Alien seinem Alien-Kollegen stellen.

Ein Kanadier erklärte mir mal, er hätte das Gefühl, ich wäre unsichtbar geknebelt, wenn ich zum Thema Gleichberechtigung befragt werde. Er ist der Meinung, das sei was Deutsches. Und das, obwohl mich ein anderer Kollege vor Kurzem als «quasi Gender-Verantwortliche im ADC» bezeichnete. In der Schweiz gelte ich also gewissermassen als Gender-Quasselstrippe.

So unterschiedlich die Wahrnehmung, so aufreibend die Selbstreflektion. Geh ich jetzt allen hier auf die Nerven, wenn ich darauf hinweise, dass es nun mal bewiesen ist, dass Männer lieber ihr Mini-Me befördern? Ich könnte auch «Menschen» sagen – aber da sich meistens Männer in gehobenen Positionen befinden ... you get the idea. Was ist, wenn ich bemerke, dass das Propagieren von  «Zielgrösse Null» in punkto Frauen in deutschen Vorständen «gar nicht geht»? Wirke ich dann unzufrieden? Gar bemüht, für mein eigenes langes Verharren auf jeweiliger Karrierestufe andere zu blamen? Und wie seh ich dabei überhaupt aus? Als Pro-FeministIN hab ich doch sicher noch die lila Latzhose im Schrank hängen ...

Ja! Ist aber ein Kleid und vom Mann bezahlt. Nur zur Info für alle, die sich immer noch vorstellen, man müsse wohl bestimmte Klischees erfüllen, um dem Wunsch nach Chancengleichheit eine Stimme geben zu wollen.

Auf die Titelfrage ist natürlich trotzdem auch diese kurze Antwort möglich. Ja, we should all be feminists. Ich bin übrigens nicht nur Pro-Feminismus, sondern auch Pro-Anti-Plastiktüten. Man lernt schliesslich dazu. So auch erfreulicherweise die deutsche Kommunikationsbranche, die nach Muttertagshorreur und Bank-Blamage endlich wieder etwas auffallend Gutes produziert hat. Der Commerzbank-Spot mit der deutschen Frauenfussball-Nati von Thjnk trifft den Ton und bringt Spass (siehe unten).

We like more of that und wo wir uns gerade so mit der Commerzbank freuen, würden wir auch gern ein oder zwei Frauen mehr im Vorstand sehen. «Im Hinblick auf die gesetzlich festzulegende Quote von Frauen im Vorstand der Commerzbank AG hat der Aufsichtsrat eine Zielgrösse von mindestens einem weiblichen Mitglied bis zum 31. Dezember 2021 festgelegt». Woooow. Und ist dabei noch mehr als viele andere tun. Gibt auch schon eine, aus dem Bereich Human Resources – das hat bereits eine gewisse Tradition. Will sagen, mit einer HR-Dame am Tisch können sich die grauen Männer langsam anfreunden.

Mehr jedenfalls als mit Fussballerinnen. Im Jahr 1518 sagte der Regisseur Frank Castorf, nachdem er gefragt wurde, warum unter seiner 25-jährigen Intendanz an der Berliner Volksbühne kaum Frauen inszeniert haben: «Wir haben eine Frauen-Fussballweltmeisterschaft und eine Männer-Fussballweltmeisterschaft, und in der Qualität des Spiels unterscheidet sich das schon sehr.» Huch, ach nee, das war ja gar nicht zur Zeit der Hexenverbrennungen, sondern ein halbes Jahrtausend später und erst letztes Jahr. Was sind wir alle froh, dass wir in der Schweiz leben! N'est-ce pas?

Apropos Hexe. Während Rabenmutti noch in die Tasten hämmert, hören die Kinder zum Einschlafen mit Papi «Die kleine Hexe» von Otfried Preussler. Die sagt just in diesem Moment: «Es bringt Spass, die Bösen zu ärgern, um den Guten zu helfen!». Dem ist nichts hinzuzufügen. Ausser Action.

 


Inken Rohweder von Trotha ist selbstständig als Art & Creative Director. Sie hat das Michael & Helga Conrad Scholarship for Creative Leadership an der Berlin School gewonnen.

Die Autorin vertritt ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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