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Ein zweischneidiges Schwert

In Zeiten, in denen Medienhäuser zunehmend mit Ressourcenknappheit und Redaktionsverkleinerungen konfrontiert sind, stellt sich die Frage nach der Zukunft des Journalismus. Die Herausforderungen sind offensichtlich: Weniger Zeit für Recherche, mehr «copy-paste», kaum mehr individuelles Agendasetting. In diesem Kontext rückt die Unternehmenskommunikation als potenzielles Service-Center für Medienhäuser in den Fokus.

Einbrechende Werbeeinnahmen in klassischen Medien können erhebliche Konsequenzen für die Redaktionen haben. Hier sind einige mögliche Auswirkungen und Massnahmen:

Auswirkungen auf Redaktionen:

  1. Personalkürzungen: Eine der häufigsten Reaktionen auf sinkende Einnahmen ist die Reduktion der Personalkosten, was oft zu Entlassungen oder Nichterneuerung von Verträgen führt.
  2. Qualitätsverlust: Personalabbau kann zu einem Verlust an journalistischer Vielfalt und Qualität führen, da weniger Ressourcen für aufwendige Recherche und sorgfältige Berichterstattung zur Verfügung stehen.
  3. Themenreduktion: Redaktionen könnten gezwungen sein, sich auf bestimmte Themen zu konzentrieren, die kostengünstiger sind, was zu einem Mangel an Vielfalt in der Berichterstattung führen kann. Ein eigenes Agendasetting wird schwierig.
  4. Aus- und Weiterbildung wird zurückgestellt: Ein Mangel an finanziellen Ressourcen kann dazu führen, dass Schulungen für Medienschaffenden zurückgestellt werden, was die Anpassungsfähigkeit der Redaktion und deren Fähigkeit zur Nutzung neuer Technologien und Webplattformen beeinträchtigen kann.


Massnahmen, die Redaktionen ergreifen können:

  1. Diversifikation der Einnahmequellen: Redaktionen können versuchen, ihre Abhängigkeit von Werbeeinnahmen zu verringern, indem sie alternative Einnahmequellen wie Paywalls, Veranstaltungen, Merchandising oder Spenden ausbauen.
  2. Kooperationen und Partnerschaften: Redaktionen könnten Kooperationen mit anderen Medienunternehmen oder Organisationen eingehen, um Ressourcen zu teilen und Kosten zu reduzieren.
  3. Effizienzsteigerungen durch Technologie: Investitionen in effizientere Arbeitsprozesse und Technologien können helfen, Kosten zu senken. Automatisierung und KI können repetitive Aufgaben übernehmen und Medienschaffenden mehr Zeit für anspruchsvolle Contentarbeit geben.
  4. Community-Engagement: Redaktionen können ihre Leserschaft stärker einbinden, um Unterstützung und Feedback zu erhalten. Aus einer engagierten Community können Themen und Inhalte bis hin zu redaktionellen Beiträgen stammen. Dies gilt insbesondere bei Fach- und Special-Interest-Medien, wo die Expertencommunity wertvollen Content beisteuern kann.
  5. Schulungen und Weiterbildung: Investitionen in die Aus- und Weiterbildung der Medienschaffenden ermöglichen es, ihre Fähigkeiten auf dem neuesten Stand zu halten und sich neuen Technologien insbesondere im Bereich von KI und Datenjournalismus anzupassen.


Es ist wichtig zu beachten, dass die spezifischen Massnahmen stark von den individuellen Gegebenheiten und der Strategie des jeweiligen Medienhauses abhängen. Insgesamt erfordern die Herausforderungen, die durch einbrechende Werbeeinnahmen entstehen, eine umfassende und strategische Herangehensweise seitens der Medienunternehmen.

Chance für die Unternehmenskommunikation

Es besteht also ein Handlungsbedarf auf den Redaktionen, den man schon fast als ein Vakuum beschreiben könnte. Diese Situation sollten sich die Spezialisten der Unternehmenskommunikation (ob integriert in Unternehmen oder in Agenturen) zu Nutze machen. Es besteht die Gelegenheit, die bestehenden Partnerschaften mit Medienhäusern auszubauen und diesen quasi als Service-Center zur Seite zu stehen, um deren mögliche Lücken im journalistischen Bereich zu füllen.

Beispiele für konkrete Services könnten sein:

  1. Recherche-Unterstützung: Die Unternehmenskommunikation verfügt oft über umfangreiche Datenbanken, Branchenkenntnisse und Expertennetzwerke. Sie könnten Medienhäuser bei der Recherche von Hintergrundinformationen, Statistiken und Analysen unterstützen, um qualitativ hochwertige Berichterstattung zu gewährleisten.
  2. Bereitstellung von Experten: Unternehmen verfügen in der Regel über ein Netzwerk an ausgewiesenen Fachexperten in verschiedenen Bereichen. Sie können diese Experten für Interviews, Hintergrundgespräche oder Gastbeiträge zur Verfügung stellen, um die Qualität und Tiefe der Berichterstattung zu verbessern.
  3. Content-Ideen und Agenda-Setting: Die Unternehmenskommunikation kann Medienschaffende nicht bloss mit journalistisch aufbereiteten, Ready-to-print-Medienmitteilungen versorgen, sondern auch einen breiten Fächer an Content-Ideen präsentieren und so die Redaktionen dabei unterstützen, ihre eigene journalistische Agenda zu gestalten. Dies erleichtert den Redaktionen die Arbeit und ermöglicht es Unternehmen, ihre Botschaften auf eine journalistisch ansprechende Weise zu platzieren.
  4. Multimediale Inhalte: Die Unternehmenskommunikation produziert oft hochwertige multimediale Inhalte wie Videos, Infografiken oder Fotos. Diese Inhalte können Medienhäusern als logofreies Rohmaterial zur Verfügung gestellt werden, um ihre redaktionellen Beiträge visuell aufzuwerten.
  5. Veranstaltungen und Hintergrundbriefings: Unternehmen organisieren Events, Konferenzen oder Webinare zu relevanten Themen. Medienhäuser können von Einladungen zu solchen Veranstaltungen und exklusiven Hintergrundbriefings profitieren, um tiefergehende Einblicke in komplexe Sachverhalte zu erhalten.


Ein klarer Vorteil einer solchen Zusammenarbeit wäre, dass Medienhäuser auf zusätzliche Ressourcen zugreifen könnten, ohne ihre eigenen Kosten zu erhöhen. Unternehmen könnten wiederum ihre Botschaften leichter platzieren und direkten Zugang zu den Medienkanälen erhalten. Wird diese Zusammenarbeit mit der notwendigen Sensibilität ausgebaut, hat sie das Potential, Solidarität auszudrücken, Unterstützung zu manifestieren und Freundschaften aufzubauen. All das stärkt dann das gegenseitige Vertrauen, was das wichtigste Kapital der Unternehmenskommunikation ist. Daraus könnte eine Win-Win-Situation resultieren, in der beide Parteien voneinander profitieren.

Risiken nicht vernachlässigen

Allerdings birgt dieser Ansatz auch Risiken. Medien, die verstärkt auf Unternehmenskommunikation setzen, könnten ihre redaktionelle Unabhängigkeit gefährden. Das Risiko besteht darin, dass redaktionelle Entscheidungen zunehmend von logistisch-effizienzorientierten und wirtschaftlichen Interessen beeinflusst werden anstatt von journalistischer Integrität. Dies könnte zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei der Leserschaft führen.

Ein weiterer potenzieller Nachteil liegt in der Abhängigkeit der Medienhäuser von externen Quellen. Wenn sie vermehrt auf Unternehmenskommunikation als Ressource setzen, könnten sie ihre eigenen journalistischen Leistungen weiter abbauen, da die externe Quelle bereits vorbereitete Informationen liefert. Statt die bereits angestellten Journalisten für zusätzliche und qualitativ hochwertige Recherchen einzusetzen, werden diese Stellen abgebaut. Dies könnte zu einem Qualitätsverlust und einer eingeschränkten Vielfalt in der Berichterstattung führen.

Aber auch für die Unternehmenskommunikation besteht das Risiko, dass sie mit dem Anbieten von journalistischen Serviceleistungen einfach zur verlängerten Werkbank für Medienhäuser wird. Das wäre nicht nur inhaltlich nachteilig, sondern würde auch die Wertschöpfung deutlich verschlechtern. Dies sind die wesentlichsten Risiken für die Unternehmenskommunikation:

  1. Gefahr der Abhängigkeit: Eine enge Verbindung mit Medienhäusern kann dazu führen, dass die Unternehmenskommunikation stark von den strategischen Entscheidungen und wirtschaftlichen Schwankungen dieser Medienunternehmen abhängig wird.
  2. Geringere Wertschöpfung: Einfachere journalistische Routinearbeiten weisen üblicherweise eine tiefere Wertschöpfung auf. Egal ob in einer Agentur oder in einer Unternehmenskommunikations-Abteilung: qualifizierte Mitarbeitende sollten auch mit möglichst anspruchsvollen Aufgaben ausgelastet werden.
  3. Falsche Positionierung: Die Gefahr besteht, dass die Unternehmenskommunikation als reines «Pressebüro» mit einem direkten Draht in einzelne Redaktionen wahrgenommen wird. Die Unabhängigkeit bezüglich der selektiven Kanalwahl für «earned media» könnte bezweifelt werden. Und das strategische Potential der integrierten Kommunikationsführung könnte der Unternehmenskommunikation fälschlicherweise nicht mehr zugestanden werden.


Die Unternehmenskommunikation muss also sorgfältig abwägen, wie stark ihre Abhängigkeit von Medienhäusern sein soll. Es ist wichtig, eine ausgewogene Strategie zu verfolgen, die nicht nur auf der Zusammenarbeit mit Medien basiert, sondern auch auf der Schaffung eigenständiger, wertvoller strategischer Kommunikationsleistungen über die reine Medienarbeit hinaus. Diese muss unabhängig und stark sein, damit sie nicht nur als Kostenfaktor betrachtet wird, sondern als wichtiger Beitrag zur langfristigen Reputation und Markenbildung des Unternehmens.

Insgesamt zeigt sich, dass die Idee, Unternehmenskommunikation als Service-Center für Medienhäuser anzubieten, Chancen und Risiken gleichermassen birgt. Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung der Interessen und einer klaren Definition der Grenzen, um sicherzustellen, dass die Unabhängigkeit und Qualität des Journalismus gewahrt bleiben. Nur durch eine ausgewogene Partnerschaft kann eine nachhaltige und vertrauenswürdige Medienlandschaft bewahrt werden. Idealerweise partnerschaftlich unterstützt von der Unternehmenskommunikation – zukunftssichernd für beide Partner.



Markus Berger ist Leiter der Unternehmenskommunikation von Schweiz Tourismus.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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