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Hat das Modell Filmfestival ausgedient?

Man hatte eine gute Hand in Zürich, Christian Jungen zum Chef des Zürcher Film Festivals (ZFF) zu berufen. Ein grosser Kenner der Materie und, wie man jetzt sieht, auch ein mutiger Unternehmer mit Visionen. Trotzdem bleibt die Frage: Hat das Modell Filmfestival ausgedient?

Ich hatte das Glück, mehr als 30 Jahre Hand in Hand mit Arthur Cohn arbeiten zu dürfen. Es gab keinen Monat, wo es keine Einladung gab, an einem Filmfestival teilzunehmen. Dort, wo Arthur Cohn die Wichtigkeit seiner Filme über den Event stellte, flogen wir auch hin. So zeigten wir den Holocaust-Dokumentarfilm «The Final Solution» in Manila und Shanghai, um die Thematik dem Publikum näherzubringen. Unvergesslich auch die Israel-Premiere des Films «One Day in September» am Film Festival in Jerusalem, der später den Oscar erhielt und an das schreckliche Schicksal der israelischen Sportler an den olympischen Spielen in München erinnert. All diese Premieren waren mit Workshops und vielen Interviews verbunden.

Die meisten Film-Festivals besuchten wir, als es noch kein Streaming gab, als man Filme noch mit 35-mm-Projektoren zeigen musste und die Filmkopien schon für den Transport sehr viel Geld kosteten. Als Filme, die nicht überall in den Verleih kamen, schwer zugänglich waren.

Alles hat sich verändert. Filme kann man downloaden, auf dem grossen Bildschirm sehen und – besonders für den Handel mit Film-Lizenzen – schnell einen ersten Eindruck haben. Hier haben die Festivals viel verloren, denn der Handel fand oft «als privates Programm» in Cannes, Toronto und anderswo statt. Heute ist es ein Tagesgeschehen zum Nulltarif.

So steht der Film als Werk heute im Vordergrund wie nie. Das Publikum möchte die Personen sehen, die vor und hinter der Kamera stehen. Es hat viele Fragen, möchte sich mit dem Film beschäftigen.

So wird in Zukunft bei den Festivals der Schwerpunkt dort liegen, wo man einander begegnen kann. Wo Regisseure eine Retrospektive zeigen können, wo Schauspieler ihre Filme und damit auch ihre Karriere zeigen können. Wo Musiker ihren Soundtrack erklären.

Ob man einen Preis erhält, ist eher Nebensache. Die Währung der Branche werden immer die Oscars, die Cesars und Baftas bleiben.

Freuen wir uns auf das ZFF. Mit guten Gästen.



Pierre Rothschild ist freier Medienunternehmer in Zürich in den Bereichen Filmproduktion und Presse.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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