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Liebe Frau Bundesrätin Sommaruga

Sie ersetzen gerade eine Peinlichkeit durch eine andere. Die Rede ist von der Medienförderung.

Das Mediengesetz, das Sie, Frau Bundesrätin Sommaruga beziehungsweise ihre Amtsvorgängerin, bis vor kurzem in Planung hatten, war blanker Unsinn aus grauer Vergangenheit. Sie wollten hemmungslos Geld in grosse Verlage pumpen, welche die Entwicklung verschlafen haben, damit die an den Lesern vorbei weiterwursteln können. Für uns Onlinemedien hatten Sie auch noch einige Brosamen vorgesehen, allerdings nur für diejenigen, die in erster Linie auf audiovisuelle Inhalte setzen. Logisch begründen lässt sich das nicht, aber das ist ja meist so mit bundesrätlichen Vorhaben. Wäre dieses Mediengesetz gekommen, hätten wir also einfach bei jedem Interview noch eine Handykamera mitlaufen lassen müssen. Eine grossartige Idee zur Stärkung der Medienvielfalt.

Nun lassen Sie Gott sei Dank diese Pläne fallen und wollen plötzlich die Onlinemedien grosszügiger bedienen. Die Rede ist von bis zu 50 Millionen Franken pro Jahr. Aber auch hier wieder eine Einschränkung: Medienförderung aus Bern erhält nur, wer seine Inhalte kostenpflichtig anbietet. Medien wie «Die Ostschweiz», die man gratis lesen kann, sind in dieser «Vision» nicht vorgesehen. Denn, so haben Sie sich vernehmen lassen: Der Bundesrat wolle die «Gratismentalität» nicht noch fördern. Das Geld soll denen zukommen, die eine «längerfristige Finanzierbarkeit anstreben.»

Liebe Frau Bundesrätin Sommaruga, glauben Sie mir: Jeder Verlag, der ein Onlinemedium wie unseres aufbaut, möchte gerne längerfristig finanzierbar bleiben. Auf diese Idee sind wir ganz ohne Bundesrat gekommen. Denn sonst würden die enormen Start- und Betriebsinvestitionen ja einfach verpuffen. Sie dürfen sicher sein, dass wir sehr daran interessiert sind, wirtschaftlich zu arbeiten. Nur schon, damit die Löhne bezahlt werden können. Es hat eine gewisse Logik, wirklich.

Aber Sie sind vielleicht gar nicht schuld. Hier zwei Dinge, die Sie vermutlich einfach nicht wissen und die ich Ihnen gerne erkläre:

Erstens: «Die Ostschweiz» ist nicht gratis. Die Leser erhalten sie zwar kostenlos, aber wir verkaufen Anzeigen. Es bezahlt also durchaus jemand für unsere Leistung. Vielleicht haben Sie schon einmal von «20 Minuten» gehört, der erfolgreichsten gedruckten Zeitung der Schweiz? Die kennt dieses Modell auch. Irgendjemand bezahlt immer, aber warum muss es der Leser sein? Und glauben Sie mir: Dass ein Produkt den Käufer etwas kostet, ist keine Garantie für Qualität.

Zweitens: Regionale Onlinemedien können keine Inhalte an die Leser verkaufen. Es geht nicht. Die Regionen in der Schweiz sind dafür schlicht zu klein. Das Potenzial an möglicherweise zahlenden Lesern reicht nicht aus, basta. Wenn die «Republik» gesamtschweizerisch Mühe hat, 20'000 Abos zu verkaufen, wie sieht das wohl für ein regionales Medium aus? Leihen Sie sich doch kurz den Taschenrechner von Ueli Maurer aus und berechnen Sie, wie viele Abos man in einer Region verkaufen müsste, um eine gute Onlinezeitung zu machen - und wie viele rein rechnerisch möglich sind. Die einzige Chance zu bestehen liegt darin, eine möglichst grosse Leserschaft zu gewinnen (dank kostenlosem Zugang) und aufgrund dieser hohen Zahl Anzeigenkunden und andere Partner zu gewinnen. Wir sind gerade dabei.

Ich weiss, Sie und Ihre Kollegen arbeiten in einem Elfenbeinturm, in den solche banalen Wahrheiten nicht vordringen. Ihre Informationen erhalten Sie von beflissenen Verwaltungsangestellten, die Sie mit gewichtigen Worten wie «Gratismentalität!» versorgen. Und dann lassen Sie ein Papier verfassen, das dieses Übel aus der Welt schaffen soll.

Aber wissen Sie was? Es funktioniert nicht. Ich sage Ihnen, was passieren wird, wenn Ihr Vorschlag durchkommt. Findige Anbieter werden halbherzig-lauwarme Newsportale aus dem Boden stampfen, mehr schlecht als recht befüllen und das Resultat an die Leser verkaufen. Zwar will das keiner, aber wenn jedes Jahr eine halbe oder ganze Million aus Bern als «Förderung» kommt, ist das nicht weiter schlimm. Und irgendwann geht man sauber konkurs, weil es nicht wirtschaftlich ist und fängt mit einem anderen Medium an.

Die existierenden Verlage, die neben gedruckten Zeitungen auch eine (kostenpflichtige) Onlineausgabe anbieten, finden Ihren Vorschlag natürlich toll. Der Printtitel läuft nicht mehr, die Onlineausgabe noch nicht – her mit den Fördergeldern! Aber für Sie zur Erinnerung: Die meisten dieser Verlage haben ihre Internetmedien aus reiner Verzweiflung und ohne echten Willen lanciert, weil ihr ursprüngliches Geschäft zusammenbrach, sie wollten sehr lange nichts von online wissen. Glauben Sie, dass das eine gute Basis für Medienvielfalt ist? Auf der Strecke bleiben Unternehmer mit einem klaren Konzept und einer klaren Vision.


Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur Insomnia GmbH und der Ostschweizer Medien GmbH in St. Gallen. Dieser Beitrag ist zuerst auf dieostschweiz.ch erschienen.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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