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Mediensprecher: Bitte sprecht!

«Können Sie diese Frage bitte schriftlich einreichen?» Diesen Satz hören Journalistinnen und Journalisten oft. Viel zu oft. Wer glaubt, bei der Medienstelle eines Unternehmens oder einer Institution einfach mal etwas nachfragen zu können, der irrt gewaltig. Da und dort kann man nicht einmal mehr die Fragen mündlich stellen. Auskunft gibt es nur auf schriftlichem Weg. Und statt eines aufschlussreichen Gesprächs findet bestenfalls ein mühsames E-Mail-Hin-und-Her statt.

Es erwartet kein Journalist, dass Mediensprecherinnen und Mitarbeiter von Kommunikationsabteilungen immer alles sofort wissen. Klar, dass sie auch mal intern nachfragen oder Informationen sammeln müssen. Besonders, wenn irgendeine Journalistin zu einem x-beliebigen Zeitpunkt Auskunft zu irgendeinem Thema wünscht. Bizarr wird es aber dann, wenn Medienstellen Fragen selbst dann nicht telefonisch beantworten wollen, wenn es um ein Thema geht, mit dem das Unternehmen selbst aktiv die Öffentlichkeit gesucht und dazu eine Medienmitteilung verschickt hat. Oder dann, wenn die Kommunikationsabteilung bei einem Thema geradezu damit rechnen musste, dass dereinst einmal ein Journalist anruft und nachfragt.

Sprechverweigerung von Mediensprecherinnen und Kommunikatoren ist im Journalismus Alltag: Unternehmen A schickt von sich aus eine Stellungnahme zu einem Behördenentscheid. Hinweis in der Medienmitteilung: «Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir nur schriftliche Medienanfragen beantworten.» Unternehmen B publiziert Jahreszahlen. Bei Anruf: Bitte schicken Sie uns Ihre Fragen per E-Mail. Unternehmen C wird in einem Artikel eines anderen Mediums genannt. Journalistin fragt telefonisch nach Bestätigung des Sachverhalts oder einer Stellungnahme. Sie wird auf den E-Mail-Weg verwiesen und erhält später – wieder per E-Mail – den Hinweis, dass man den Sachverhalt nicht kommentiere.

Die Gründe für die E-Mail-Only-Policy sind schleierhaft. Möglicherweise glauben die Kommunikatorinnen, die eigenen Aussagen besser unter Kontrolle zu halten, wenn sie sich nur schriftlich mitteilen. Möglicherweise mahnen Juristinnen und Berater zur Schriftlichkeit. Möglicherweise kann gegenüber den Chefs die Wichtigkeit der eigenen Arbeit besser aufgezeigt werden, wenn sie in zählbaren Emails erfolgt. Und böse Zungen würden behaupten, dass gewisse Mediensprecher sich nicht zu sprechen trauen, weil sie schlicht und einfach keine Ahnung über das eigene Unternehmen haben.

Auf alle Fälle aber tun sich die Kommunikatorinnen und Kommunikatoren mit ihrer Gesprächsverweigerung keinen Gefallen. Im Gegenteil, denn das Gespräch ist meist effizienter und zudem auch effektiver als ein E-Mail-Verkehr. Denn es ist ja nicht so, dass Journalistinnen immer gleich druckreife Zitate oder einen O-Ton benötigen, wenn sie anrufen. Oft geht es um Verständnis- und Einordnungsfragen oder ein Redaktor will noch zusätzliche Details erfahren. Genau solche Anliegen lassen sich sehr gut rasch am Telefon klären – inklusive Nachfragen. Und Mediensprecherinnen haben weitere Vorteile: Im Gespräch können sie Missverständnisse klären, bevor sie entstehen. Sie können erklären, sie können einordnen. Und wenn sie geschickt sind, können sie – ganz im Sinne ihres Arbeitgebers – die Journalistinnen und Journalisten beeinflussen.

Um Stellungnahmen und Informationen mündlich weiterzugeben, müssen Kommunikatorinnen den Journalisten vertrauen. Dass die Journalistenzunft ihr Handwerk versteht und sich an die gängigen Regeln hält, sei deshalb vorausgesetzt. Genauso wie an dieser Stelle auch nicht ausdrücklich erwähnt werden muss, dass es durchaus weiterhin Mediensprecherinnen gibt, die Journalisten auch telefonisch Auskunft geben. Nur werden solche leider immer weniger.



Jürg Rüttimann ist Leiter Business Development und Redaktor bei der Finanznachrichtenagentur AWP.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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