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Nein, Bucherer wird nicht Rolex heissen

Der Patriarch und Alleineigentümer von Bucherer, der 87-jährige, kinderlose Jörg Bucherer ist der letzte noch lebende Geschäftspartner, der den Gründer von Rolex, Hans Wilsdorf, noch persönlich gekannt hat. Wilsdorf hat das Nachfolgeproblem gelöst, indem er sein Unternehmen in eine Stiftung überführt hat, Bucherer durch den Verkauf an eben dieses Stiftungsunternehmen. Spätestens als letztes Jahr mit Nicolas Brunschwig, der mit seiner Familie Eigentümer der Schweizer Handelsfirma Bongénie ist, den Präsidentenstuhl der Rolex SA und der Rolex Holding übernommen hat, war klar, in welche Richtung das Unternehmen gehen wird.

Luxus lebt von der Distanz

Die Frage ist, wie Distanz im Zeitalter der Digitalisierung, wo es in erster Linie um die grössere Nähe zum Kunden geht, gemanagt wird. Hier verfolgen die Uhrenhersteller unterschiedliche Ansätze – mit unterschiedlichem Erfolg. Kleine, sogenannte Micro-Brands, vertreiben ihre grösstenteils limitierten Produkte nur noch online, oft als «collaborations» mit grossen Uhren-Communities, wie Revolution in Asien, Hodinkee in den USA und Fratello in Europa. Andere, wie Audemars Piguet, kündigen gleich alle Konzessionärsverträge und verkaufen nur noch in eigenen AP Houses und -Boutiquen. Patek Philippe sieht seine Zukunft in der Ausdünnung seines Konzessionärsnetzes und der Fokussierung auf reine PP-Boutiquen. Egal wie, alle wollen mehr Kontrolle und suchen deshalb Wege, näher an den Kunden und seine Daten zu kommen.

Für Marken wie Rolex kommt noch ein wichtiger Aspekt dazu. Als grösster Luxusuhrenhersteller der Welt hat Rolex auch das grösste Graumarktproblem der Welt. Wenn Rolex-Produkte zu Spekulationsobjekten verkommen, kommt es zur Blasenbildung, und das hat mittel- und langfristig Auswirkungen auf die Marke, ihre Wahrnehmung und ihre Zukunft. Nicht nur deshalb platze Rolex CEO Dufour bei der letzten «Watches & Wonders» der Kragen, als er auf eine angebliche künstliche Verknappungsstrategie von Rolex angesprochen wurde. Rolex macht genau das Gegenteil. Es werden und wurden Milliardensummen investiert, um die Produktionsgeschwindigkeit zu vervierfachen und den Ausstoss sogar mithilfe von Pop-up Factories kurzfristig zu erhöhen. Das wahre Problem ist die nachhaltige Kontrolle der Vertriebswege – und zwar so, dass keine Neuware «geflippt» werden kann.

Kontrolle des Sekundärmarktes

Gleiches gilt für den auf 22 Milliarden Dollar geschätzten Sekundärmarkt. Rolex ist in das Certified-Pre-Owned (CPO)-Geschäft eingestiegen und betreibt das zusammen mit – wer hätte es gedacht – Bucherer. Nur hier bekommt man Rolex-Produkte, die älter als drei Jahre sind, mit Rolex Echtheitszertifikat und Zwei-Jahres-Garantie. All das hilft Rolex, seine Produkte dauerhaft zu den richtigen Preisen, über die richtigen Kanäle an die richtigen Kunden zu verkaufen und damit kein Opfer kurzfristiger Blasen und Spekulationsobjekt zu werden.

Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass Rolex mit dieser Übernahme zwei seiner drei wichtigsten Weltregionen, nämlich Europa und die USA, vertriebsstrategisch absichert und diesen Vertriebskanal in Ruhe und voller Kontrolle nach Rolex-Manier entwickeln kann. Dabei werden selbstverständlich auch andere Marken benötigt und denen wird es bei Bucherer unter Rolex Regie nicht schlechter ergehen als bisher. Je stärker Rolex beide Systeme trennen wird, desto stärker werden beide Systeme profitieren und weiterwachsen können. Die Schweizer Uhrenindustrie ist hinter den Kulissen traditionell sehr eng vernetzt, von Kooperationen bis hin zu Überkreuzbeteiligungen und daher gibt es einige Erfahrungen im Umgang miteinander, obwohl man am Markt im Wettbewerb zueinander steht.

Und dann doch noch die Frage aller Fragen: Nein, Bucherer wird nicht Rolex heissen. In Genf ist man viel zu klug und bedacht als derart kurzsichtige Wege zu gehen. Jedes Markensystem hat seine eigenen Stärken und jedes Geschäftsmodell seine eigenen Charakterzüge. Diese zu erkennen und zu nutzen, benötigt etwas, das gerne im gierigen M&A-Getöse untergeht: Respekt vor der Leistung des jeweils anderen.

Natürlich wird Rolex seine Strategie von Boutiquen oder Brand-Corners weiterführen bei Bucherer, wie auch ausserhalb. Bucherer jetzt komplett auf Rolex umzuflaggen, macht keinen Sinn. Dafür ist Rolex zu gross und die Marke Bucherer viel zu profiliert.



Klaus-Dieter Koch ist Gründer und Chief Enabling Officer der Managementberatung BrandTrust.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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