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Rezept zur Verschärfung der Medienkrise

Die Entlastung der privaten Nutzerinnen und Nutzer, «insbesondere des Mittelstandes» beträgt drei Franken pro Monat. Eine halbe Tasse Kaffee. Oder zehn Rappen pro Tag. Dass der Mittelstand dank dieser Summe spürbar entlastet würde, wie immer wieder behauptet wird, kann beim besten Willen nicht ernst gemeint sein. Hier geht es offensichtlich um andere Ziele.

Umgekehrt verliert die SRG im Effekt aller unter dem Titel «Gegenvorschlag Rösti» zu erwartenden Massnahmen über 200 Millionen Franken. Zusätzlich zu den bereits gesparten 100 Millionen. Die «moderate Reduktion» auf 300 Franken und die übrigen vorgesehenen Massnahmen sind in ihrer Wirkung nicht moderat, sondern ganz im Gegenteil massiv. Sie destabilisieren die SRG.

Wo gespart werden soll, lassen Rösti und alle anderen leider offen. Man spricht diffus von «Konzentration auf den Kernbereich». Der damit gemeinte Abbau von Unterhaltung und Sport würde aber zu erheblichen Publikumseinbussen führen und damit auch zu wesentlich weniger Reichweite im Bereich Information und Kultur. Also auch zu einem Abbau im besagten «Kernbereich». Reine News-Nischensender bedienen immer nur kleine Publika. Der Auftrag an die SRG lautet aber richtigerweise, sie soll schweizerische Information, Kultur, Unterhaltung und Sport in die Breite vermitteln.

Allein 600 Millionen Franken der SRG gehen heute an die Viersprachigkeit. Alle SRF-Angebote, also Sendungen nur auf Deutsch, sind im immer wieder zitierten Vergleich zu Deutschland billig: 200 Franken pro Haushalt.

Rund 900 (!) Stellen würden mit der Rösti-Reduktion wegfallen. Und dies, ohne dass man grosse strukturelle Schnitte vornehmen darf, man muss ja weiterhin verschiedene Kanäle in allen vier Sprachen anbieten.
Um den Gegenvorschlag umzusetzen, müsste zwangsläufig dort gestrichen werden, wo die höchsten Auslagen entstehen. Das sind in der deutschen Schweiz beispielsweise die sechs regionalen Studios, deren Kosten mit einem Faktor «mal sechs» anfallen. Dort würde man massiv sparen. Aber keine Partei in einer der Regionen wird der Schliessung ihres jeweiligen Studios zustimmen. Auch nicht die vielen Schlaumeier-Kantone, die in der Vernehmlassung dem Rösti-Schnitt locker zustimmen, aber ausdrücklich drohen: «Sparen: auf keinen Fall bei unserem Regionaljournal!». Grosses Sparpotenzial bildet auch das teure Korrespondentennetz im In- und Ausland. Aber die Tagesschau, das Echo ohne Reportagen und Einordnungen aus Peking, Prag oder Paris, ohne Beiträge aus Lugano, Luzern oder Lausanne erfüllen den Auftrag nicht mehr.

Die SRG-Abschaffung im Salami-Verfahren muss aufhören: Zuerst «No Billag», dann «Halbierung» und jetzt «300 Franken»: Bei hochwertiger Information und Kultur abbauen in einer Zeit, da die übrigen Medien ausgeblutet werden, bedeutet, dass man dem Land mit seiner direkten Demokratie Schaden zufügt. Deshalb: Die Schweizer Information und Kultur pflegen. Die Idée Suisse erhalten.



Casper Selg hat 35 Jahre für Radio DRS (später SRF) gearbeitet, unter anderem als USA- und Deutschland-Korrespondent, sowie als Moderator und Redaktionsleiter des «Echo der Zeit». Diesen Gastbeitrag hat er als Mitglied der Allianz pro-medienvielfalt.ch verfasst.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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KOMMENTARE

Dieter Widmer
15.02.2024 09:31 Uhr
Caspar Selg versteht den Vorschlag von Bundesrat Rötsti nicht. Die 200-Franken-Initiative ist brandgefährlich. Deshalb ist es gar nicht so schlecht, wenn Rösti eine massvolle Alternative anbietet. Ich verstehe nicht, wieiso SRF einen kompletten Onlineservie anbietet. SRF soll online nur noch Informationen zu seinen Sendungen anbieten, aber keinen eigentlichen Newssender. SRF ist es gewohnt, personell mit grosser Kelle anzurichten. Man könnte in allen Sparten Stellen einsparen, ohne dass das Programm substanziell geschwächt werden müsste.
Ueli Custer
15.02.2024 08:26 Uhr
Caspar Selg ist beizupflichten. Ausgerechnet jetzt wo sämtliche privaten Medienanbieter dauernd neue Sparprogramme durchziehen, soll das einzige wirklich nationale Medienunternehmen SRG (und nicht SRF!) ohne irgendeinen vernünftigen Grund auch noch kaputtgespart werden. Dümmer gehts nümmer!
Victor Brunner
15.02.2024 07:33 Uhr
Selg: "SRG-Abschaffung im Salami-Verfahren muss aufhören", die Feudalherrschaft SRG SRF muss aufhören, die ist nicht mehr zeitgemäss, Das heutige System ist tiefes Mittelalter, da die Leute auf der Burg die im November die Zehnten erwarten und sich gütlich tun, das Futter und die Deutungsherrschaft haben, den goldenen Teppich, Auf der anderen Seite die Kleinen die die Meinungsvielfalt sichern aber wenig bis nichts bekommen. Diese Privilegierung eines Senders ist undemokratisch und gefährlich! Die in Teilen einseitige Berichterstattung von SRG SRF während Corona ist Beispiel.
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