«Der Fälscher als Star» titelte dieser Tage die «Zeit». Sie meinte damit den Jahrhundertfälscher Wolfgang Beltracchi. Noch besser würde dies auf den Ex-«Spiegel»-Journalisten Claas Relotius zutreffen: Mit über mehr als zwei Millionen Google-Erwähnungen hat er bereits jetzt 14-mal mehr Treffer als das malende Fälschergenie. Was bedeutet, dass die Branche auch zwei Wochen nach dem Relotius-Outing immer noch in Schockstarre ist. Dabei macht es den Anschein, als hätten ausschliesslich Journalisten an die Unfehlbarkeit ihrer Branche geglaubt. Doch schreibende Hochstapler gab es bereits früher. Nur war bei den gefälschten Hitler-Tagebüchern deren vermeintlicher Autor bereits vor dem Outing weltberühmt.
Die «Causa Relotius» eignet sich als Betriebsanleitung für künftige Starjournalisten und Preisträger. Politische Korrektheit ist Grundvoraussetzung. Und dann noch einen drauf, ohne Scham vor Klischees. Oder frei nach Rudolf Augstein: «Schreiben, was sein muss.» Es genügt längst nicht mehr, den Trump-Wähler als dumm oder rassistisch zu taxieren. Relotius fand den Dreh: So fand er beim Ortseingang einer amerikanischen Kleinstadt ein kleines Schild. Dessen Aufschrift: «Mexikaner bleibt draussen!» Einziger Nachteil: leider erfunden.
Was Franz Josef Strauss in der «Spiegel»-Affäre nicht gelang, schafft nun ein 33-Jähriger: das «Monument der Wahrhaftigkeit» ins Wanken zu bringen. Damit ist Relotius jener Journalist, der 2018 am meisten bewegte. Lediglich zwei freuen sich darüber: die «Bild»-Zeitung, die einen Reporter in die amerikanische Pampa schickte, und Präsident Trump, der Meister der Fake News. Sein deutscher Botschafter forderte vom Nachrichtenmagazin eine unabhängige Untersuchung. Eine klassische Relotius-Pointe.
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04.01.2019 06:56 Uhr
01.01.2019 09:50 Uhr
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Schreiben, was sein muss