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Sehnsucht nach House of Cards

Wenn es einen Moment gibt, bei welchem die Schweizer Politik das Vorurteil bundesbernischer Behaglichkeit widerlegt, dann sind es die Bunderatswahlen. Die mediale – und damit verbundene öffentliche – Fieberkurve steigert sich vor dem Anlass zu einem veritablen Schüttelfrost und es herrscht – unterschwellig – die landesweite Hoffnung nach Implosion der Zauberformel. Doch seit 2008, als Ueli Maurer mit nur einer Stimme Vorsprung vor dem nicht offiziellen Kandidaten Hansjörg Walter gewählt wurde, herrschte an der Konkordanz-Front Ruhe. Dass ausgerechnet Christoph Blocher diese öffentlich in Frage stellte, machte die Sache dieses Jahr besonders spannend, war doch der gleiche Blocher vor 16 Jahren Opfer eines Konkordanzbruchs.

Doch es kam am Ende so, wie zu erwarten war: Der Favorit aus Basel siegte, der Politjungspund aus Graubünden unterlag und der populäre Nichtkandidat aus Zürich erzielte einen Achtungserfolg und brachte die Konkordanz für einen kurzen Moment ins Zittern. Doch von all den anderen vermeintlichen Mitfavoriten wie Gerhard Pfister, Martin Candinas, Jürg Grossen oder Eva Herzog, deren Namen angeblich in Geheimplänen existierten und unsere Medien mit grösster Genüsslichkeit seit gefühlten vier Wochen auflisteten, war am Wahltag nichts zu sehen oder zu hören. Höchstwahrscheinlich waren sie so geheim, dass nicht einmal die Betroffenen davon erfuhren.

Es macht fast den Eindruck, als wären Bundesratswahlen die einzige erlaubte Projektionsfläche für Fake News. Die Sehnsucht nach House of Cards entschuldigt vieles.



Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.

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