«20 Minuten» – Marco Boselli, Leiter Publizistik und Prozesse Pendlermedien bei Tamedia
«Bei ‹20 Minuten› werden die Kommentare nicht moderiert, wir klinken uns nicht in die Diskussionen ein, sondern gewähren den Usern einen offenen Austausch untereinander. Das Community-Team bei ‹20 Minuten› prüft die Kommentare aber laufend und behält sich vor, Beiträge zu löschen, wenn diese deplatziert oder unhaltbar sind. Wir werden an unseren bestehenden Kommentar-Richtlinien festhalten, weil sie ein wichtiger Teil des Dialogs mit unserer Community sind. Unter den mehreren tausend Kommentaren pro Tag ist durchaus einmal ein ziemlich kritischer, Medien sollen aber Plattformen zur Interaktion sein und bleiben. Im Austausch unter den Leserinnen und Lesern liegt ein Wert, den wir sowohl für uns als Medium als auch für die Demokratie für zentral halten. Wir wollen die Interaktion mit unserer Community und dieser untereinander auch künftig weiter verstärken. Zu den zentralen Elementen gehören dabei unter anderem Leserbeiträge, Bilder sowie Videos. Ebenfalls sind Kommentare für uns oft Ausgangspunkt für eine Recherche, dank der gewisse Themen dann ergänzt oder vertieft werden können.»
«Tages-Anzeiger» – Fabienne Romanens, Leitung Social Media
«Beim ‹Tages-Anzeiger› sind seit Jahren drei freie Mitarbeiter für die Kontrolle und Freischaltung der Online-Kommentare zuständig. Sie arbeiten nach den Kommentarrichtlinien und unter Federführung des Social-Media-Teams. Wir haben die Anzahl der kommentierbaren Artikel bereits Mitte 2015 kontingentiert. Für uns gilt auch in punkto Online-Kommentare die Maxime: Qualität vor Quantität. Der Austausch zwischen Autoren und Leserschaft ist beim ‹Tages-Anzeiger› sehr erwünscht. Die Social-Media-Redaktion übernimmt dabei im Allgemeinen eine Filterfunktion. Sie nimmt auf verschiedenen Kanälen konkrete Anliegen und Rückmeldungen an die Autoren auf und stellt den Erstkontakt her. Im Rahmen von – leider aktuell zu seltenen — Livechats kann die Leserschaft ebenfalls Fragen an Autoren oder Experten richten. Die Blogautoren hingegen diskutieren bereits in der Kommentarspalte mit.»
SRF News – Konrad Weber, Leiter News Lab
«Sämtliche Redaktorinnen und Redaktoren von SRF News entscheiden über die Publikation der Kommentare und schalten diese frei. Zudem ist ein Team von Fachexperten in der SRF-News-Redaktion für die Moderation der Diskussionen und die Weiterentwicklung der Interaktion zuständig. Ich sehe die Entscheidung der NZZ auf zwei Weisen: Einerseits ist es ein wichtiger Schritt zu zeigen, dass man sich als Medienhaus um die Qualität der Interaktion auf den eigenen Kanälen kümmert. Andererseits kann der Schritt der NZZ allerdings auch als Zeichen der Kapitulation vor der Masse und fehlenden Qualität des Inputs gesehen werden. Bei SRF News diskutieren wir regelmässig mit verschiedenen internen und externen Partnern, wie wir die Interaktion mit unseren Usern noch besser gestalten können. Längerfristig sind wir aber überzeugt, dass sich unsere User bei allen Themen auf in die Diskussion einbringen können sollten. Wir denken auch über Formate nach, bei denen die Journalisten mit den Nutzern debattieren können. Bei ‹SRF Dok›, verschiedenen Polit-Sendungen und in früheren Tests mit Blogs wurden solche Formate auch bereits umgesetzt.»
«Blick» – Katia Murmann, Chefredaktorin Digital
«Das Social-Media-Team ist dafür zuständig, die rund 2000 Kommentare pro Tag zu monitoren und freizuschalten. Für die Blick-Gruppe spielt die Interaktion mit den Lesern eine grosse Rolle. Unsere Leser liefern uns nicht nur Feedback, sondern oftmals auch Inputs für Geschichten. Bisher ist es in unseren Kommentarspalten auf blick.ch nicht möglich, dass Autoren den Lesern direkt antworten. Das werden wir ändern, ein entsprechendes Projekt ist aufgegleist.»
«Watson» – Maurice Thiriet, Chefredaktor
«Wir kümmern uns als Redaktion auch selbst um die Moderation der User-Debatten. Wir finden den Entscheid der ‹Neuen Zürcher Zeitung› gut. Wir hoffen, viele NZZ-User bei uns begrüssen zu dürfen. Wir machen jetzt auch einen Extra-Picdump für die NZZ-Nutzer als Willkommensgruss. ‹Watson› versteht die Kommentare unserer Nutzerinnen und Nutzer nicht als nötig-üble Beiprodukte, mit denen man den Traffic steigert, sondern als integrativen Bestandteil unseres journalistischen Informationsauftrags. Der beinhaltet auch, die gesellschaftliche und politische Debatte im Land zu begleiten und im besten Fall auch mit ein wenig Erkenntnisgewinn zu bereichern. Wenn Zeit dazu ist, diskutieren unsere Journalisten immer und zwar ohne konkretes Format oder konkreten Auftrag mit den Lesern. Beim Picdump hat sich eine eigene Kommentar-Community entwickelt, die mittlerweile in weiten Teilen des Internets auch Standards setzt in Sachen Rechtschreibung. So heissen Otter mittlerweile rechtsgültig Otten.»
«Aargauer Zeitung» – Rolf Cavalli, Digitalchef aller Nordwestschweiz-Portale
«Das Onlinedesk ist zuständig für die Kommentarspalten. Die Betreuung beziehungsweise Freischaltung ist teilweise einem festen freien Mitarbeiter zugeteilt. Die Strategieänderung bei der NZZ ist eine interessante Idee. Es wird sich zeigen, ob die sogenannten Trolle bei ausgewählten kontroversen Themen nicht mehr auftauchen. Bei den Portalen der Nordwestschweiz haben wir mit dem Relaunch Anfang 2016 die Hürde für Kommentare erhöht (Mailadresse, Registrierung), die Qualität hat sich dadurch bereits verbessert auf Kosten der Quantität. Zudem testen wir seit einigen Monaten das Feature «Rawr». Dabei stellt man den Lesern, anstelle der Kommentarfunktion, eine Debattenfrage im Artikel. Statt einfach nur Ja oder Nein zu klicken, muss der Leser aber ein Argument dafür oder dagegen angeben. Weitere Leser können dann bereits bestehende Argumente unterstützen oder ein eigenes hinzufügen. Die Statistik der Abstimmung zu den Argumenten wird dann online immer aktualisiert. Auf diese Weise werden auch Minderheiten-Argumente angezeigt und es ergibt sich eine interessantere Debatte. Langfristig verlieren Kommentarspalten wohl an Bedeutung. Viel wichtiger werden die Sozialen Medien. Und auf Facebook kommt man nicht umhin, alle Artikel, die gepostet werden, zu überwachen und allenfalls zu moderieren. Autorendebatten sind bei den Nordwestschweiz-Portalen mittelfristig vorgesehen. Die Autoren müssen lernen, dass sich ihr Artikel da draussen im World Wide Web weiterbewegt und ein Artikel nicht fertig ist, wenn man am Schluss des Textes ‹Enter› drückt. Die Interaktion mit den eigenen Lesern ist ein weites Feld, das die meisten Autoren noch entdecken müssen.»
«St. Galler Tagblatt» – Sarah Gerteis, Leitung Onlineredaktion
«Die Online-Redaktion sichtet jeden eingehenden Leserkommentar und entscheidet über die Veröffentlichung oder Sperrung. Bei der NZZ wird es spannend sein, zu sehen, wie die User die neuen Möglichkeiten annehmen und nutzen – und ob sie den alten nachtrauern. Noch ist es bei tagblatt.ch möglich, mit einem frei gewählten Usernamen zu kommentieren. Das soll sich demnächst ändern: Wir sind mit den Vorarbeiten zu einer Clear-Name-Policy beschäftigt und erhoffen uns dadurch mehr Tiefe in der Debatte und deutlich weniger Polemik. Die Autoren schalten sich in der Regel nicht in die Debatte ein. Erreichen uns aber via Kommentare wichtige Inputs oder sachlich gerechtfertigte Kritik, wird dies an die betreffenden Redaktorinnen und Redaktoren weitergegeben, die dann die nötigen Schritte einleiten.»
«Luzerner Zeitung» – Robert Bachmann, Leitung Onlineredaktion
«Die Lesekommentare werden von unserer Community Managerin Ramona Geiger betreut. Wir können die Überlegungen der NZZ-Redaktion gut nachvollziehen. Die Kommentarfunktion bei Artikeln auf luzernerzeitung.ch wird seit Sommer 2015 nur noch in ausgewählten Fällen aktiviert. Bevorzugt werden Themen, die die User in unserer Region mutmasslich besonders betreffen oder bewegen. Daneben stellt die Redaktion in der Regel einmal wöchentlich ein bestimmtes Thema zur Debatte. Diese sogenannten Foren haben eine längere Wirkungszeit, da der Aufruf beliebig lange auf der Website stehen kann. Demgegenüber verschwinden Artikeldiskussionen als Teil des Nachrichtenflusses schnell aus dem Blickfeld. Der direkte und öffentliche Austausch unserer Autoren mit den Lesern findet fallweise in der Kommentarspalte statt.»
Die «Neue Zürcher Zeitung» deaktiviert die Kommentarspalte und setzt neu auf Leser- und Autorendebatten. Lesen Sie zum Thema das Interview mit Oliver Fuchs, Social-Media-Leiter bei der NZZ.
KOMMENTARE
09.02.2017 12:55 Uhr
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08.02.2017 14:09 Uhr