09.01.2014

ADC

"Du verzichtest auf Schlaf, Essen und Sex"

Am Donnerstag, 16. Januar präsentieren "persönlich" und der ADC den neusten Film des Zürcher Starfotografen Alberto Venzago "Gergiev – a certain madness". Persoenlich.com hat sich im Vorfeld mit dem Künstler, der an der Filmpräsentation anwesend sein wird, über die Dreharbeiten entlang der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Moskau und Sibirien und sein hochemotionales Roadmovie unterhalten.
ADC: "Du verzichtest auf Schlaf, Essen und Sex"

Herr Venzago, am Donnerstag kann man in der ADC-Galerie Ihren neusten Dokumentarfilm "Gergiev – a certain madness" sehen. Was erwartet die Zuschauer?
84 Minuten "geile", russische Musik von Tchaikovsky, Prokovief, Schostakovich und anderen, dazu eine Story über das grösste russische Orchester, das einmal im Jahr mit der Transsibirischen Eisenbahn ganz Russland bereist. Von Moskau bis Sibirien. Sie spielen jeden Abend unter ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev in einer neuen Stadt ein anderes Konzert. Gratis. Auf jeder Station der Reise bringt das Orchester der Bevölkerung ein Stück ihrer eigenen Kultur zurück. "We need to bring culture to the people – not the other way around!", begründet Gergiev dieses Engagement. Gleichzeitig zeichnet der Film das intime Portrait einer künstlerischen Schicksalsgemeinschaft, die auf engstem Raum um ihre Vision kämpft. Beim dreiwöchigen Kulturmarathon legen sie 14'320 Kilometer zurück. Der Film bietet einen Einblick in diese hochemotionale Geschichte zwischen Epos, Roadmovie und Kammerspiel.

Sie waren praktisch drei Jahre unter schwierigsten Bedingungen in Russland für diesen Film unterwegs. Was war das Schwierigste während den Dreharbeiten?
In Russland low-Budget zu drehen ist hart. Hinter dem Ural ist man politisch in einem anderen Jahrhundert. Chefdirigent Gergiev ist ein verrückter Hund, er verlangt von sich alles ab und fordert das gleiche vom Orchester. Wenn du auf der Jagd bist, verzichtest du auf Schlaf, Essen und Sex.

Der russische Stardirigent Gergiev kommt in Ihrem Film als unberechenbares Genie rüber. Wie hat er auf Ihren Film reagiert?
Musik ist für Gergiev wie Atmen, es ist eine selbstverständliche Sache. Bilder über ihn sind wie Luft, man kann sie nicht malen. Er ist ein Genie, er lebt für die Musik, Kameras sind ihm egal.

Nahm er Einfluss bei den Dreharbeiten?
Nie. Er hat sich nicht um uns gekümmert. Ob wir da waren oder nicht, war ihm egal. Wichtig war ihm, dass die Musik gut rüberkommt. Wir haben alle Interviews mit ihm nachts zwischen 2 und 4 Uhr gedreht. Manchmal ist er dabei eingeschlafen. Nicht weil die Fragen langweilig waren. Er lebt am Rande der Erschöpfung. Am Abgrund.

Sie sind einerseits ein bekannter Fotograf, andererseits auch Dokumentarfilmer. Was liegt Ihnen mehr?
Es ist wie in der Liebe. Alles total. Mal liebt man seine Ehefrau sehr, dann wieder die Geliebte. Ist man bei der eigenen Frau, denkt man, wie schön es bei der Geliebten wäre, und umgekehrt. So etwa ist mein Verhältnis zu den beiden Medien.

Sie haben einen Film über den Voodoo-Zauber, Ihren Bruder Mario und jetzt Valery Gergiev gedreht. Gibt es eine Gemeinsamkeit?
Ja, es geht immer um Rituale und die alles aufreibende Leidenschaft. Ohne sie geht nichts. Dieses ist der Motor, das Leitmotiv, das durch meine Erzählungen geht.

Haben Sie bereits neue Projekte?
Momentan arbeite ich an einem Large-Format-Porno-Book. Und an grossformatigen Landschaftsaufnahmen mit Wäldern. Alles ein bisschen gross. Auch voller Leidenschaft.

Interview: Matthias Ackeret


Alberto Venzagos neuster Film "Gergiev – a certain madness" ist am Donnerstag, 16. Januar in der ADC-Galerie an der Zentralstrasse 18 in Zürich zu sehen. Türöffnung ist um 19 Uhr. "persönlich" und der ADC laden herzlich dazu ein. Der Anlass ist kostenlos, Reservationen sind nicht möglich. Details zum Film und zu weiteren Arbeiten Venzagos lesen Sie auf im Bericht zur Film-Première am Zurich Film Festival 2013.

 

 

 



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