15.08.2000

Hundstage in der Werbeagentur

Die Geschichte passt exakt mitten hinein ins Sommerloch. Oder vielleicht doch nicht, weil ihr Human Touch, das Menschliche also, das sie ausstrahlt, absolut tierisch ist. Wörtlich genommen, provoziert die Überschrift die Frage, was denn der Vierbeiner als des Menschen bester Freund in einer Agentur verloren hat. Dass Werbeberufler und mit ihnen ihre Hunde eben auch nur Menschen sind, ist ein Teil der von Tim Nudd in der US-Werbezeitschrift Adweek gelieferten Antwort. Und beweist auch nebenstehendes Bild, dass die Vierbeiner der New Yorker Agentur Mad Dogs & Englishmen zeigt.
Hundstage in der Werbeagentur

Die unsere heutige Main Story betitelnde Headline sollte vor der Lektüre der hier in deutscher Sprache wiedergegebenen letzten Seite der vorletzten Adweek-Ausgabe nicht im übetragenen sondern im buchstäblichen Sinne wörtlich genommen werden. Nicht, weil Bello & Co. in unzähligen Werbespots - und nicht nur denen für Hundefutter wohlgemerkt - die absolute Hauptrolle spielen. Auch nicht, weil die Sat.1-Erfolgsserie "Kommissar Rex" ohne den vierbeinigen Fernsehstar undenkbar wäre. Und auch nicht, weil sich Tim Nudd als Redaktionsverantwortlicher für Adweeks oftmals mit allerlei Vignetten und Anekdoten aus der Werbesszene angefüllte letzte Seite irgendeine Wortspielerei hätte einfallen lassen. Etwa die, dass alles "for the dogs" sei - zu deutsch (ausgerechnet) "für die Katz". Alledem ist nicht so. Jetzt aber Punkt für Punkt, erstmal hin zu den buchstäblichen Hundstagen.

Agenturleute haben was mit Hunden. Vom preisgekrönten Budweiser Bier-Spot mit Triefauge Spuds McKenzie bis zu Taco Bells vom Pech verfolgten Chihuahua sind sie oft genug Vorzeigestars der Kreativrolle einer Agentur. Also sollten sie im Zuge der Gleichberechtigung auch zum lebenden Inventar gehören. Nun mag der Trend dahin zwar nur schleppend in Gang kommen, aber erste Anzeichen sind immerhin schon sichtbar. Wie zum Beispiel im King Plow Art Center von Atlanta, einem in einer restaurierten Fabrik aus der Zeit um die vorige Jahrhundertwende neu eingerichteten Komplex mit über sechzig Kunststudios. In dem vorzugsweise von Werbe-, Internet- und Designagenturen genutzten Center sind Hunde nicht seltener als Laptops. Oft genug ahlen sie sich mittags im Innenhof - ähnlich wie die Copywriter auf Inspirationssuche.

Die kleine Werbeagentur Match, die dort Quartier bezogen hat, ist ein typischer Fall. Seit drei Jahren haben Lucy und Sparky, die beiden Agenturhunde, den Ort des Werbegeschehens regelrecht mit Leben erfüllt. Dazu die Agenturchefin und Kreativdirektorin Elizabeth Barkin: "In unserer Welt der Werbung laufen wir nur allzu schnell Gefahr, uns im ach so dramatischen Tagesablauf von Schlussterminen und verlegten Telefonnummern zu verlieren. Anders unsere beiden Verbeiner, die dem Ort hier (paradox, wie es klingen mag) eine menschliche Note verleihen und schon oft genug dazu beigetragen haben, dass ein genervter Kunde, statt zu platzen, ganz plötzlich locker wurde, sie - die beiden Hunde - liebevoll klopfte und sich zum Spiel mit dem Tennisball mit Hinwefen und unermüdlichem Wiederbringen verleiten liess. Wie etwa die eine Dame, der Streicheleinheiten für Lucy und Sparky wichtiger waren als ihr teures Chanel-Outfit."

Zu den "Hundstagen" selbst: Bei Match herrscht dennoch ein strenges Reglement, damit alles seine (aus Sparkys Sicht vielleicht hundsgemeine) Richtigkeit hat. Schäferhund-Collie Lucie hat montags, mittwochs und freitags Besuchstag, der glatthaarige Collie Sparky darf hingegen nur mittwochs kommen. Wenn die Vierbeiner nicht gerade aufgeregte Kunden beruhigen oder mit PraktikantInnen Ball spielen, jagen sie auch mal einem Neugeschäft nach. So konnte sich Match vor einiger Zeit einen lukrativen Auftrag von Mindspring angeln, weil Lucy und Sparky herhalten und sich, freilich nur per Photoshop, ein Bein amputieren lassen mussten. Zusammen mit dem Werbeangebot erhielt Mindspring-Gründer Charles Brewing das fotomontierte Bild von den beiden. Und die Idee verfing. Warum? Weil man erfahren hatte, dass der umworbene Kunde selbst einen Hund hatte, dem diesmal leider ein echtes Bein amputiert werden musste.

Hundstage – oder was man in diesem Zusammenhang auch immer darunter verstehen mag – gibt es inzwischen auch in Werbeagenturen in anderen Teilen der USA. Wie in Michigan, wo die Agentur Dennis Green Advertising die fünf Monate alte Pudel-Hündin Marti ihr eigen nennt. Unlängst wurde sie von Agenturchef Dennis Green in die Kundenakquise eingespannt. In einer Pressemitteilung wird Marti nämlich als neue feste Mitarbeiterin vorgestellt. Sozusagen als Art Directorin - lautmalerisch ihr gelegentliches Gähnen einfangend als "Aaarrff-Directorin" umgesetzt - mit der Anmerkung, sie könne es gar nicht erwarten, Pfoten an den nächsten Etat zu legen.



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