20.07.2000

Werber im Sog der Globalisierung

Die internationale Werbebranche ist im Umbruch. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Unternehmen eine grössere Transaktion ankündigt. Gerade erst wurde bekannt, dass die britische Cordiant Communications für 421 Mio. Dollar die aus PR-, Design- und Investorrelations-Agenturen bestehende US-Gesellschaft Lighthouse übernehme. Ende Juni meldete die traditionsreiche französische Werbegruppe Publicis, sie werde in Form eines Aktientauschs für 1,9 Mrd. Dollar die für ihre Kreativität international bekannte britische Agentur Saatchi & Saatchi erwerben. Die Franzosen sprangen damit noch rechtzeitig auf das Karussell der Konsolidierung auf, nachdem sie im Übernahmekampf um die US-Agentur Young & Rubicam das Nachsehen gehabt hatten. Diese war im Mai ebenfalls gegen Bezahlung in Aktien an den britischen Werbekonzern WPP verkauft worden.
Werber im Sog der Globalisierung

Mit ihren Zusammenschlüssen folgen die Werber einem Trend, der ihre Kunden längst erfasst hat: Sie bilden Konzerne, die weltweit tätig sind. Die drei grössten Werbegruppen – WPP (Umsatz inklusive Young & Rubicam 6,7 Mrd. Dollar), Omnicom (5,8 Mrd.Dollar) und Interpublic (5,1 Mrd. Dollar) – verfügen sowohl in Nordamerika als auch in den wichtigsten europäischen Märkten über eine flächendeckende Präsenz. Verschlossen ist den nach globaler Herrschaft strebenden Unternehmen bisher nur der japanische Markt geblieben, der gemessen am internationalen Werbeaufkommen nach den USA an zweiter Stelle rangiert. Japan wird weiterhin von einheimischen Branchengrössen wie Dentsu und Hakuhodo dominiert, die auch international zu den Top ten gehören.

Individualisierung der Werbung

Im Gegensatz zur Konkurrenz aus Deutschland und Italien haben mit Havas Advertising und Publicis auch zwei französische Konzerne den Sprung in die Spitzengruppe geschafft. Während sich Publicis Saatchi & Saatchi einverleibte, kaufte Havas Advertising diesen Februar für 2 Mrd.Dollar die US-Werbeagentur Snyder Communications. Die Franzosen erzielen mit einem Umsatz von 2,4 respektive 2,2 Mrd.Dollar zwar nur halb so grosse Erlöse wie die drei führenden angelsächsischen Werbegruppen, doch lassen sie sämtliche Japaner und auch einige namhafte US-Konkurrenten hinter sich.

Dank ihrer internationalen Präsenz können die Werbekonzerne einen weltumspannenden Service anbieten. Sie entsprechen damit einem wachsenden Bedürfnis ihrer Kunden. Global tätige Industrie- und Dienstleistungskonzerne produzieren für die Welt und wollen überall gleich wahrgenommen werden. Sie setzen für ihre Marketing-Aktivitäten zunehmend einen internationalen Koordinator ein. Dieser hat weder die Zeit noch die Energie, in jedem Markt eine lokale Werbeagentur zu rekrutieren. Er verlangt einen einzigen Ansprechpartner, der die Werbemassnahmen in den einzelnen Ländern umsetzt. Kleinere Werbeagenturen, die in der Vergangenheit ihre nationale Stärke ausspielen konnten, werden dadurch zum Handlanger der grossen internationalen Ketten. Sie haben in der Kreation internationaler Werbekampagnen kaum noch ein Mitspracherecht und können bestenfalls einige landesspezifische Anpassungen vornehmen.

Während sich die Werbeinhalte international immer stärker angleichen, wächst die Vielfalt der verwendeten Medien. Früher genügte ein TV-Spot vor oder nach den Hauptnachrichten im staatlichen Fernsehen, um ein neues Produkt einem breiten Publikum bekannt zu machen. Heute wird mit Fernsehwerbung nur noch ein Teil der Bevölkerung erreicht, weil einerseits die Zahl der Sender stark gestiegen ist und andererseits die Mediengewohnheiten immer individueller werden.

Um trotzdem die Aufmerksamkeit der Massen zu erregen, müssen die Werbeaktivitäten auf zahlreiche Medien verteilt werden. Da viele Konsumenten übersättigt sind und auf konventionelle Massnahmen wie TV-Spots oder Inserate gar nicht mehr reagieren, werden auch neue Formen der Werbung erprobt. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem Internet zu. Obwohl bereits 13 Prozent der von den Amerikanern für den Medienkonsum aufgebrachten Zeit auf das Internet entfallen, beträgt der Anteil der Online-Werbung am gesamten US-Werbeaufkommen erst 2 Prozent. Branchenkenner erwarten, dass die Aktivitäten im Internet auf Grund dieses Defizits in den nächsten Jahren fünf Mal schneller als die konventionelle Werbung wachsen werden. Wichtige Impulse dürften auch von der Einführung der Breitbandtechnologie ausgehen, die die Darstellung von Produkten in Form von Videos erlaubt. Diese sind um einiges attraktiver als die heute gebräuchlichen Werbebanner.

Werbung im Internet hat den Vorteil, dass sie an die Vorlieben und Interessen der einzelnen Konsumenten angepasst werden kann. Jeder Surfer hinterlässt Spuren, die ausgewertet werden können. Er braucht beispielsweise nur einmal die Website einer Skifirma zu besuchen, um sich als Wintersportler zu erkennen zu geben. Das Unternehmen wird sich diese Erkenntnis zu Nutze machen und versuchen, ihn immer wieder auf die eigene Homepage zu locken.

Kreativität bleibt unerlässlich

Wegen der zunehmenden Reizüberflutung durch Print- und elektronische Medien haben die Werber auch die gute alte Aussenwerbung neu entdeckt. Da die Staats- und Gemeindekassen oft leer, die Wirtschaft aber an gut sichtbaren Werbeflächen interessiert ist, werden Werbefirmen immer häufiger mit lokalen Behörden handelseinig. Sie finanzieren den Bau und Unterhalt von öffentlichen Toiletten oder Bushaltestellen und erhalten dafür das Recht, diese für zehn oder auch mehr Jahre exklusiv als Werbefläche zu benutzen. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich auch grossflächige Transparente an verkehrsgünstig gelegenen Gebäuden. Die grossen Werbekonzerne verfügen über die nötigen Spezialisten, um diese vielfältigen Werbemassnahmen zu realisieren. Neben den klassischen Werbern, die vor allem die Fernseh- und Plakatwerbung beherrschen, sind vermehrt PR- und Internet-Spezialisten gefragt. Ihre Arbeit kann teurer verrechnet werden, was sich positiv auf die Margen auswirkt.

Die Gewinnaussichten der Werbeindustrie sind trotz der für 2001 erwarteten leichten Abschwächung des weltweiten Werbewachstums ausgezeichnet. Die führenden Unternehmen dürften im laufenden und im nächsten Jahr ihre Gewinne um bis zu 30 Prozent steigern, was deutlich über dem Anstieg der Werbeaktivitäten liegt. Allerdings ist das hohe Gewinnwachstum in den Kursen bereits enthalten. Werbetitel gehören in den Bereich der Telecom-, Medien- und Technologieaktien (TMT) und weisen entsprechend hohe Bewertungen auf.

Neben dem Zwang zur Globalisierung und zur Beherrschung eines immer breiter werdenden Instrumentariums machen die Werbekonzerne als Grund für ihre Zusammenschlüsse auch Einsparmöglichkeiten geltend. Sie verweisen auf die hohen Aufwendungen für das Personalwesen, die Informationstechnologie und die Immobilienbewirtschaftung, die im Verbund mit anderen Unternehmen optimiert werden können. Grösse wird aber auch in der Werbung nie zum alles entscheidenden Faktor werden. Der Erfolg einer Werbekampagne ist in hohem Mass von kreativen Köpfen abhängig, die sich in kleineren Einheiten besser entfalten können. Die Pharmaindustrie, die sich früher zu konsolidieren begonnen hat als die Werbebranche, kann davon ein Lied singen.



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