05.09.2016

Zürich Tourismus

«Ich orte da weder Grössenwahn noch Minderwertigkeitskomplex»

Zürich vertraue nicht auf seine Qualitäten und versuche sich zwang- und sprunghaft neu zu erfinden, kritisiert die «Neue Zürcher Zeitung». Zürich-Tourismus-Direktor Martin Sturzenegger kontert im Interview – und kündigt ein Logo ohne Claim an.
Zürich Tourismus: «Ich orte da weder Grössenwahn noch Minderwertigkeitskomplex»
«Wir verwenden den Slogan werberisch seit drei Jahren nicht mehr»: Martin Sturzenegger, Direktor von Zürich Tourismus. (Bild: zVg.)
von Michèle Widmer

Herr Sturzenegger, Luxusuhr oder putzige Kleinstadt. Welche Marke ist Zürich eher?
Zürich Tourismus hat die Positionierung vor rund drei Jahren definiert und besteht aus vier Elementen: 1. Feriengefühl: Wasser, See, Berge, Badis, Gartenbeizen. 2. Boutique-Metropole: Gastronomie, Shopping, Nightlife, Festival und Events. 3. Kultiviert-natürlich: Qualität, Kultur, Infrastruktur, Wasser, Natur, Sport. 4. Smart ZRH: Infrastruktur, Mitten in Europa, Innovation, ETH/Uni, Cluster, MICE, Flughafen.

Fremd- und Selbstbild würden bei Zürich Tourismus weit auseinanderklaffen, schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» am Freitag. Kontern Sie, oder zeigen Sie sich selbstkritisch?
Wenn man von unserer Positionierung ausgeht, passen die beiden Bilder wahrscheinlich zusammen.

Wie sehen die Gäste Zürich? Und wie sieht Zürich Tourismus die Stadt?
«Die Gäste» und deren Blickwinkel sind teilweise ganz verschieden: Eine Familie auf Zoo-Besuch, ein Banker auf Geschäftsreise oder ein Gast aus den Golfstaaten erwarten und sehen Zürich ganz unterschiedlich. Grundsätzlich kommunizieren wir die erwähnten Stärken: Wasser, See, Berge und Boutique-Metropole.

Die Stadt pendle zwischen Grössenwahn und Minderwertigkeitskomplex, hiess es im selben NZZ-Artikel. Sie als Direktor haben mit Kollegen aus der Schweiz sowie dem Ausland zu tun. Erleben Sie diese Position als Vor- oder als Nachteil?
Zürich wird international ziemlich klar wahrgenommen, das bestätigen weltweite Befragungen: Eine Metropole, klein, überschaubar und kultiviert. Ich orte da weder Grössenwahn noch Minderwertigkeitskomplex. Vielleicht schneidet das eher die Frage an, wie sich Zürich in den nächsten Jahrzehnten entwickeln möchte, also eher eine intern-politische, denn eine extern-touristische Frage.

Sie sehen Zürich als perfektes Reiseziel für Familien. In der aktuellen Kampagne mit Anatole Taubmann wird Zürich als Partystadt angepriesen. Welche Touristen will Zürich hauptsächlich ansprechen?
Die erwähnte Kampagne ist von 2015 und wurde lediglich für eine spezifische Zielgruppe in Deutschland und UK eingesetzt – und das übrigens sehr erfolgreich. Ja, gewisse Leute kommen tatsächlich zum Partymachen in unsere Stadt, jeweils schön zu sehen an der Streetparade. Wir haben aber jedes Jahr zusammen mit unseren Regionen-Partnern Baden, Winterthur und Zug eine Familienkampagne, mit Zeitungsbeilagen, Radiospots und digitaler Vermarktung. Diese Botschaften finden sich alle auf unserer Webseite.

Immer wieder kritisiert wird der Slogan «World Class. Swiss Made». Er müsse noch mit Inhalten gefüllt werden, sagten Sie kurz nach dem Amtsantritt. Inwiefern ist das in den letzten drei Jahren passiert?
Ach, dieser Slogan. Wir verwenden den Slogan werberisch seit drei Jahren nicht mehr, nur noch das Logo wird damit geziert. Die eigentlichen Inhalte sind am besten auf www.zuerich.com zu sehen, wo wir Zürcherinnen und Zürcher ihre Passion zur Stadt und Region erzählen lassen. Ein Putzwägelifahrer, ein Berufsfischer, eine Designerin, ein Expat, eine Familie und viele mehr.

Wird es bald einen neuen Slogan geben?
Wir brauchen keinen Slogan und bei Gelegenheit werden wir das Logo auch entsprechend anpassen, in Zukunft ohne Claim.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.



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