23.05.2020

Serie zum Coronavirus

«Wir müssen jetzt nach vorne schauen»

Nina Müller ist inmitten der Krise neue Jelmoli-Chefin geworden. Trotzdem ist sie optimistisch. In Folge 48 unserer Serie sagt sie, wie die Kunden auf die Wiedereröffnung reagierten und wie sich der Detailhandel verändern wird.
Serie zum Coronavirus: «Wir müssen jetzt nach vorne schauen»
Ist neue CEO von Jelmoli: Nina Müller. (Bild: Franco Tettamanti)

Frau Müller, Sie haben Ihren Job als CEO von Jelmoli im ungünstigsten Moment begonnen, inmitten des Lockdowns. Wie erlebten Sie den ersten Tag?
Ich habe mich in erster Linie sehr auf meine neue Aufgabe gefreut und bin auch mit offenen Armen empfangen worden. Ich habe schon ein paarmal den Kommentar gelesen, dass wenn ich das gewusst hätte, ich den Job sicher nicht angenommen hätte. Das kann ich so absolut nicht bestätigen. Logisch habe ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich Ende März 64 geschlossene Christ-Geschäfte übergebe und Anfang April einen fast geschlossenen Jelmoli übernehme. Aber ich habe mich für diese Aufgabe und Verantwortung entschieden und gewusst, dass diese Branche hochkompetitiv ist und ich wusste, dass es nicht einfach wird.

Wie hat Ihr Jelmoli die letzten zwei Monate überstanden? Kann man den wirtschaftlichen Schaden bereits abschätzen?
Wir hatten das grosse Glück, dass wir unseren Food Market nach wenigen Tagen wieder öffnen durften. Und auch im Onlineshop, der aktuell noch klein ist und im Herbst gerelaunched wird, haben wir unser Sortiment sinnvoll hochgefahren, sprich weitere Artikel etwa für Sport, fürs Homeoffice oder im Bereich Home & Living online gestellt. Die Zahlen aus diesen Bereichen waren während der letzten Wochen auch sehr erfreulich. Nichts desto trotz konnten wir damit die Umsätze auf den sonst geöffneten 24'000 Quadratmeter natürlich nicht wettmachen. Der wirtschaftliche Schaden ist für alle gross, aber wir müssen nach vorne schauen. Und wir hatten glücklicherweise eine sehr erfolgreiche Reopening-Woche, das macht Mut.

«Wir durften einen grossartigen Start erleben»

Nun ist der Lockdown vorbei. Wie reagieren die Kundinnen und Kunden?
Äusserst positiv. Wir durften einen grossartigen Start erleben, unsere Umsatzerwartungen wurden bei weitem übertroffen und wir haben über Budget und Vorjahr gearbeitet, am Samstag hatten wir insgesamt gar über 24'000 Kunden auf der Fläche. Insbesondere gut liefen die Bereiche Home Living, Beauty, Food, Kinder und Sport. Die Kunden haben Nachholbedarf und unterstützen derzeit ganz bewusst die lokale Wirtschaft. Wir haben viele positive Feedbacks erhalten, und unsere Kunden freuen sich riesig, dass unser Haus wieder geöffnet ist. Es ist schön zu sehen, was jetzt zurückkommt und dass eine solch gute Stimmung vorherrscht.

Hat sich das Kaufverhalten stark verändert?
Das können wir bislang noch zu wenig abschätzen. Ich persönlich gehe aber insgesamt von einem stark veränderten Kaufverhalten aus, auch längerfristig. Corona hat uns gezeigt, wie wichtig die lokale Wirtschaft ist und welch grosse Rolle etwa auch das Thema Nachhaltigkeit spielt. Künftig dürfte noch bewusster und qualitativ hochwertig konsumiert werden, was uns in die Karten spielt.

«Es gibt auch Kunden, die verunsichert und zurückhaltender sind»

Verspüren Sie noch eine gewisse Zurückhaltung im Kaufverhalten bei Ihren Kundinnen und Kunden?
Wenn wir bislang die Zahlen betrachten, eigentlich nicht. Aber es ist klar, die Stimmung ist anders als vor Corona und es gibt natürlich auch Kunden, die verunsichert und zurückhaltender sind. Unser Haus ist sehr grosszügig ausgelegt und bietet glücklicherweise viel Platz. Die Gesundheit und Sicherheit der Kunden und Mitarbeitenden steht an erster Stelle und kann dank unserem umfassenden Schutzkonzept bestens gewährleistet werden. Ausgiebige Reinigung, ein digitales Zählsystem, Beschilderung und Bodenstickers sowie Desinfektionsstationen mit Handschuhen und Masken und allem voran aufmerksames Verhalten sorgen für ein möglichst sicheres Einkaufserlebnis. Das spüren die Kunden und sind sehr dankbar dafür.

Wird Corona den Detailhandel verändern und wenn ja, in welche Richtung?
Das ganz bestimmt. Corona hat erlebbar gemacht, wie wichtig es ist, on- und offline Erlebnisse zu verzahnen, sprich Omnichannel zu denken. Mit dem Relaunch unseren Onlineshops im Herbst sowie den neuen Filialen am Flughafen sind wir dafür bestens gerüstet. Gleichzeitig glaube ich sehr stark, daran dass der Austausch mit Menschen wichtiger wird und daher auch der stationäre Handel weiterhin sehr relevant bleiben wird sowie ein erstklassiger Kundenservice.

Sie wollten in diesem Jahr noch den Jelmoli im Circle bei Flughafen Kloten eröffnen. Findet dies plangemäss statt?
Die Eröffnung verschiebt sich um rund zwei Monate, soll aber Anfang November stattfinden.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Ich stand am 11. Mai morgens an unserem Haupteingang und habe zwei Stunden lang alle Kunden begrüsst. Ich durfte so viele strahlende und freudige Gesichter erleben – Kunden, die sich freuten, wieder zu uns kommen zu können und Mitarbeitende, welche nach so langer Zeit wieder für ihre Kunden da sein konnten. Diese Situation und Stimmung haben mich wirklich gerührt.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier


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