04.04.2018

Tamedia

«Am schwierigsten ist der Abbau von Stellen»

Kommunikationschef Christoph Zimmer blickt zurück auf zwölf Jahre Tamedia. In dieser Zeit habe sich nicht nur das Unternehmen radikal verändert, sondern auch die Art der internen und externen Kommunikation, sagt der 41-Jährige.
Tamedia: «Am schwierigsten ist der Abbau von Stellen»
Macht ab Juli ein halbjähriges Sabbatical in Barcelona: Christoph Zimmer. (Bild: Tamedia)
von Christian Beck

Herr Zimmer, nach zwölf Jahren Tamedia ist Schluss (persoenlich.com berichtete). Warum sehen Sie bei Tamedia keine Zukunft?
Der Entscheid fiel mir wirklich schwer, aber nach zwölf Jahren ist es Zeit für eine neue Herausforderung. Zuerst freue ich mich nun auf ein halbes Jahr mit meiner Familie in Barcelona.

Hatten Sie Streit?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich hatte das Privileg, mit einem wirklich tollen Team zusammenarbeiten zu dürfen, viele sind schon seit langem mit an Bord. Die Zusammenarbeit mit ihnen, ganz vielen anderen Kolleginnen und Kollegen bei Tamedia und mit Pietro Supino sowie Christoph Tonini werde ich echt vermissen.

Werden Sie noch einen Stellenabbau kommunizieren müssen, bevor Sie gehen?
Das weiss ich nicht.

Und den Kauf der «Basler Zeitung»?
Ich bin am Montagabend aus Barcelona kommend in Basel-Mulhouse gelandet. Auf dem Rückweg war die Autobahn in Basel gesperrt und die Umleitung führte, wie es das Schicksal es wollte, einmal um das Gebäude der ehemaligen Druckerei der «Basler Zeitung». Aber ob ich der «Basler Zeitung» bis Ende Juni noch einmal näher komme als an diesem Montagabend, ist völlig offen.

«Dass das alles klappt, ist ein Glücksfall.»

Wie Sie sagten, machen Sie nun ein Sabbatical. Was machen Sie mit Ihrer Familie in Spanien?
Darüber, ob Barcelona wirklich in Spanien liegt, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Aber dass das alles klappt, ist tatsächlich ein Glücksfall. Meine Frau arbeitet in einem sehr internationalen Umfeld und wird ihren bisherigen Job in Barcelona weiterführen und ab und zu in die Schweiz reisen. Und unsere Kinder sind an der Schweizer Schule in Barcelona angemeldet. Aufgrund ihres Alters ist das vermutlich der letzte Moment, in dem ein gemeinsamer Auslandaufenthalt klappt. Wir freuen uns deshalb sehr.

Die Frau arbeitet, die Kinder gehen zur Schule. Und Sie?
Ich werde mich um die Kinder und das ganze Drumherum kümmern. Langweilig wird mir sicher nicht. 

Und nach dem Sabbatical werden Sie Lobbyist im Bundeshaus?
Wie kommen Sie auf das Bundeshaus?

Durch unsere persönlichen Kontakte habe ich das Gefühl, dass das zu Ihnen passen könnte.
Ich habe wirklich noch keine Ahnung, was ich ab 2019 tun werde. Wenn Sie mehr wissen, bin ich froh um einen Hinweis.

Wenn Sie auf die letzten zwölf Jahre zurückblicken: Was bleibt in Erinnerung?
Das Unternehmen, bei dem ich vor zwölf Jahren angefangen habe, gibt es so eigentlich nicht mehr. Tamedia ist weniger stark gewachsen, als man das von aussen vielleicht denkt, hat sich aber sehr stark verändert.

«Es wurde eines Tages uncool, eine Krawatte anzuziehen.»

Nennen Sie ein Beispiel.
Als ich hier anfing, nahm ich mir vor, an jedem Tag, an dem ich ein Mitglied der Unternehmensleitung oder des Verwaltungsrat treffe, einen Anzug mit Krawatte anzuziehen. Irgendwann kam ich fast jeden Tag so ins Büro. Und dann wurde es eines Tages uncool, eine Krawatte anzuziehen, und mittlerweile kommen selbst Banker ohne in ein Meeting. Dieser Wandel trifft natürlich alle Branchen und Unternehmen, in der Medienbranche geht er aber besonders schnell und stellt ganze Geschäftsmodelle in Frage. Tamedia ist eines der ganz wenigen Medienunternehmen in Europa, das nach wie vor gut oder vielleicht sogar besser aufgestellt ist als zur Jahrtausendwende. Diese Kombination, das hohe Tempo und die erfolgreiche Strategie mit einem sehr stabilen Management führte dazu, dass es mir wirklich nie langweilig wurde.

Welche News war am schwierigsten zu kommunizieren?
Am schwierigsten zu kommunizieren ist der Abbau von Stellen, insbesondere wenn es zu Kündigungen kommt. Auch wenn man einen Entscheid, der zu Kündigungen führt, versteht und mitträgt, geht es am Schluss um Kolleginnen und Kollegen, die man teilweise persönlich kennt und deren Leben sich massiv verändert.

Und welches war Ihr schönstes Projekt? Ich nehme an, der Neubau.
Der Bau des neuen Medienhauses war sicher ein Highlight, nicht nur wegen der Zusammenarbeit mit Shigeru Ban und den zahlreichen anderen Projektpartnern aus ganz unterschiedlichen Welten. In der Kommunikation arbeitet man ja meist mit Texten, Bildern, Inhalten, die auf die eine oder andere Art flüchtig sind. Bei einem Gebäude entsteht aus einer ersten Skizze über mehrere Jahre eine physische Struktur, in der heute Menschen arbeiten, die man anfassen kann. Das Bauprojekt war deshalb, auch wenn es mir einige schlaflose Nächte einbrachte, etwas ganz Besonderes. Aber ich habe in den letzten Tagen eine Liste mit Projekten gemacht, die mein Team und ich in den letzten Jahren begleiten durften, vom neuen Markenauftritt über die Tamedia-Umfragen bis zu den geschätzt 50 Übernahmen und Verkäufen – irgendwann habe ich aufgehört, weil die Liste zu lang wurde.

«Das Tempo wurde schneller, nicht zuletzt durch Social Media.»

Wie hat sich die externe Kommunikation in den zwölf Jahren verändert?
Das Tempo wurde schneller, nicht zuletzt durch Social Media. Das hat durchaus seine guten Seiten. Aber manchmal erschreckt es doch, wie stark sich die Diskussion auf den sozialen Medien auch in der Schweiz darauf beschränkt, sich selbst in seiner eigenen Wahrnehmung zu bestärken oder den vermeintlichen oder tatsächlichen Gegner anzugreifen. Insgesamt überwiegen die Vorteile der Digitalisierung aber aus meiner Sicht klar.

Und die interne Kommunikation?
Auch in der internen Kommunikation hat das Tempo zugenommen. Die grösste Herausforderung in der internen Kommunikation bei Tamedia war und ist aber sicher die Veränderung der Mediengruppe. Sie führt dazu, dass heute Unternehmen mit ganz unterschiedlicher Kultur zu Tamedia gehören, rein digitale Start-ups und Zeitungen mit hundertjähriger Geschichte. Das ist eine Stärke, die beispielsweise globalen Tech-Unternehmen fehlt, in der internen Kommunikation aber auch nicht immer einfach ist.

Was war Ihr wichtigstes Ziel dabei?
Die Strategie des Unternehmens verständlich zu machen, so transparent wie möglich zu kommunizieren und einen Beitrag zu einer Gesamtperspektive zu leisten. Wir haben deshalb Gelegenheiten geschaffen, sich über Bereichsgrenzen hinweg kennenzulernen und Barrieren abgebaut, beispielsweise mit einem grossen Mitarbeitendenfest oder der Du-Kultur.

Wie schätzen Sie den Zustand des Journalismus in der Schweiz ein?
Auf diese Frage gibt es zwei Antworten: Der Druck innerhalb der Branche ist klar grösser geworden und das spürt man auch im Kontakt mit Journalistinnen und Journalisten, die über uns berichten. Auf der anderen Seite haben wir heute Zugriff auf viel mehr und teilweise auch bessere Inhalte als früher. Als ich mir zu meinem damaligen 13. Geburtstag ein Zeitungsabo wünschte, gab es in Bern zwar noch drei Tageszeitungen, auch wenn sie teilweise alle die gleichen SDA-Meldungen publizierten. Neben diesen drei Tageszeitungen gab es aber eigentlich fast nichts.

Und heute?
Heute nutze ich viel mehr Medien und Quellen, weil die ganze Welt nur einen Klick – und immer häufiger ein digitales Abo – entfernt ist. Das Angebot für mich als Konsument ist deshalb sicher nicht schlechter als früher und die Möglichkeiten der Recherche und der Informationsvermittlung sind heute ungleich grösser als früher. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass diejenigen Menschen, die sich für gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen interessieren, auch weiterhin bereit sein werden, für gute Information zu bezahlen.



Christoph Zimmer ist Leiter Kommunikation & Public Affairs von Tamedia. Ende Juni hört er auf. Seine Nachfolge übernimmt Patrick Matthey, der bisherige Kommunikationsverantwortliche für die Romandie.



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