06.03.2024

Audioförderung

«Aufwendige Formate sind stets unterfinanziert»

Das «Echo – Netzwerk Audiokultur» fordert vom Bund eine Million Franken pro Jahr für das professionelle Audioschaffen. Der Bundesrat hat am Freitag die Kulturbotschaft ohne entsprechende Fördermöglichkeiten verabschiedet. Ein Fehler, findet Podcastproduzent und «Echo»-Vorstandsmitglied This Wachter.
Audioförderung: «Aufwendige Formate sind stets unterfinanziert»
Der professionelle Podcastproduzent This Wachter vergleicht die Audioproduktion mit dem Filmschaffen – und fordert deshalb Subventionen. (Bild: zVg)

In der Schweiz existiert eine blühende Podcastlandschaft ganz ohne Subventionen. Warum braucht es Ihrer Meinung nach trotzdem öffentliche Förderung?
Man könnte einen Vergleich zum Film ziehen: Es gibt ja so viele Videos auf TikTok und Instagram, trotzdem würde niemand in Frage stellen, dass es eine Filmförderung braucht. Wenn man die Podcastwelt so versteht, dass hier gratis konsumiert und produziert wird, dann braucht es tatsächlich keine Förderung. Es gibt sehr viele hobbymässige Produktionen, die nicht sehr aufwendig hergestellt sind und wenig kosten, etwa all die reinen Gesprächspodcasts. Aufwendigere Formate hingegen wie Hörspiele und Dokuserien und Audiowalks sind konstant unterfinanziert. Sie existieren nur, weil sich Leute selbst ausbeuten. Dafür braucht es eine öffentliche Förderung wie beim Film.

Wie kommen Sie auf den Betrag von einer Million Franken pro Jahr?
Wir haben uns im Zuge der Vernehmlassung zur Kulturbotschaft überlegt, wie unsere Stimme besser gehört würde, und uns auf diesen Betrag geeinigt als konkrete Forderung. Das ist ein Fünfzigstel der Filmförderung und 0,4 Prozent der gesamten Kulturförderung des Bundes. Mit einer Million Franken pro Jahr könnte man schon sehr viel machen. Insgesamt ist es eine bescheidene Forderung, auch wenn man bedenkt, dass die Schweiz viersprachig ist. Aber man muss klein anfangen.

«Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Audioförderung Teil der Filmförderung würde»

Wer würde dieses Geld verteilen?
Das wäre die Stiftung Pro Helvetia, die das machen müsste, wie sie auch andere Sparten fördert. Für den Film gibt es ein eigenes Gesetz, das ist eine eigene Liga. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Audioförderung Teil der Filmförderung würde. Schliesslich sind wir in Arbeitsweise und Inhalt – es gibt sowohl dokumentarische als auch fiktive Produktionen – sehr nah am Film. Wir könnten auch sagen, wir sind die Hälfte von audiovisuell.

Warum gibt es bisher keine spezifische Audioförderung in der Schweiz?
Früher hat nur die SRG Audioformate wie Hörspiele oder Features produziert. Mit der Digitalisierung gibt es die Möglichkeit, auch unabhängig zu produzieren. Das ist eine relativ junge Entwicklung. Pionierprojekte sind etwa Produktionen wie «Zündstoff» von Franziska Engelhardt und Stefanie Müller-Frank für die Republik oder die Podcastserie «Sihlquai» der NZZ am Sonntag, an der ich mitbeteiligt war. Inzwischen gibt es viele selbstständige Audioschaffende, die aus den unterschiedlichsten Ecken kommen, sei es aus dem Radio oder aus dem Theater. Da wächst eine Szene heran. Es gibt neue Möglichkeiten. Man kann seine Produktionen überall rauslassen und braucht keinen Sender wie früher. Fürs Publikum ist es super, wenn alles gratis ist. Aber das ist ein Problem für die Autorinnen und Autoren. Wir haben keine vernünftige Urheberrechtssituation. Für eine Serie auf Spotify kriege ich null Urheberrechtsabgaben. Es gibt nur dann Geld, wenn eine Produktion auf einem konzessionierten Radiosender läuft.

Also müssten Sie Ihre Forderung nach mehr Geld auch an Plattformen wie Spotify richten?
Für die kleine Schweiz mit vier Sprachregionen interessieren sie sich nicht – im Gegensatz zu Deutschland, wo Spotify Podcasts finanziert. Auch hier streben wir eine analoge Situation zum Film an mit der Lex Netflix, die Plattformen verpflichtet, Geld in Koproduktionen zu investieren. Es bräuchte eine Lex Spotify. Für Schweizer Musik ist das inzwischen ein Thema, aber noch nicht für Podcasts.

Gibt es Länder, wo Audiowerke so gefördert werden, wie Sie das fordern?
In Belgien und Frankreich gab es ähnliche Diskussionen wie in der Schweiz. Da wurde inzwischen ein jährlicher Betrag versprochen. In anderen europäischen Ländern vergeben öffentlich-rechtliche Sender Produktionsaufträge an selbstständige Audioschaffende.

«Wir wollen sicher nicht der SRG das Wasser abgraben»

Wäre das auch ein Modell für die Schweiz, dass die SRG verpflichtet würde, Aufträge an unabhängige Audioschaffende zu vergeben?
Es gibt Aussagen der SRG, dass man das möchte. Aber mit immer weniger Geld wird das auch schwierig. Das wäre ein weiteres Argument gegen eine Kürzung der Mittel. Bisher gab es schon vereinzelte Aufträge, etwa den Podcast zur TV-Serie «I'll Remember You», den SRF an eine unabhängige Produktionsfirma vergeben hat. Man sieht unsere Forderung nach mehr Aufträgen von der SRG auch skeptisch. Aber wir wollen sicher nicht der SRG das Wasser abgraben. Wir sind absolut für den Erhalt des bestehenden Budgets. Gleichzeitig beobachten wir, wie bei SRF und RTS aufwändige Audioformate an Boden verlieren. Es gibt zwar noch Hörspiele, aber Featureproduktion gibt es ja in dem Sinn nicht mehr. Da wurde in den vergangenen Jahren Raubbau getrieben.

Sie selbst produzieren aufwändige Podcasts, zuletzt unter anderem eine sechsteilige Serie über die Geschichte der Rockband Züri West (persoenlich.com berichtete). Wie hätten öffentliche Fördergelder die Arbeit an diesem Projekt verändert?
Das ist ein Spezialfall, der sehr gut aufzeigt, warum es Förderung braucht. Für den Züri-West-Podcast ist es gelungen, Sponsorengelder hereinzuholen. In dem Sinn wäre der Podcast auch ohne öffentliche Förderung entstanden. Das Sponsoring war aber nur deshalb möglich, weil es ein Thema ist, das ein grosses Publikum findet. Wir konnten eine emotional extrem positive Geschichte erzählen. Aber finden Sie mal Sponsoren für einen Podcast wie «Skalpell und Wahn» über die Blackbox Psychiatrie. Oder für ein aufwendig produziertes Hörspiel. Sponsoring oder Werbung geht nicht immer. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Schweiz ist einfach ein zu kleiner Markt. Darum interessieren sich die grossen Plattformen nicht für die Schweiz. Das ist die gleiche Situation wie bei der Musik. Mundartmusik ist uninteressant auf Spotify. Da erreichst du nie die Zahlen, die finanziell einschenken. Die grossen Plattformen sind auf ein internationales Massenpublikum ausgerichtet.

Der Bundesrat hat zweimal signalisiert, dass es keine spezifische Förderung für Audiowerke geben soll. Hoffen Sie nun, dass das Parlament, das sich mit der Kulturbotschaft befassen wird, doch noch Gelder verspricht?
Wir hoffen schwer, dass wir mit unseren Anliegen Gehör finden werden. Wir gehen nun auf die Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur WBK zu, die das Geschäft vorbereitet. Es gibt gewisse Politikerinnen und Politiker, von denen wir wissen, dass sie audioaffin sind. Dem Parlament sollte bewusst sein, dass Audio bis 2028 ohne Förderung bleibt, wenn sie das jetzt nicht ändern. Und das, obwohl der Bundesrat schon heute sagt, Audio sei ein «bedeutendes Kulturgut».

«Klar ist es schwierig, wenn insgesamt weniger Geld zur Verfügung steht, mit einem neuen Anspruch umzugehen»

Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
Es ist schon auffällig, wie wir ignoriert werden. Das zeigt sich auch im Bericht zur Vernehmlassung zur neuen Kulturbotschaft. Da wird Audio mit keinem Wort erwähnt, obwohl nicht nur wir, sondern auch Parteien und zum Beispiel der Städteverband die fehlende Audioförderung moniert haben. Klar ist es schwierig, wenn insgesamt weniger Geld zur Verfügung steht, mit einem neuen Anspruch umzugehen. Der einfachste Weg ist da wohl: Augen und Ohren schliessen und ignorieren. Und damit in Kauf nehmen, in der Kulturförderung nicht mit der Zeit zu gehen und eine Entwicklung zu negieren, die im Übrigen besonders bei der jungen Bevölkerung auf grosse Resonanz stösst. 

Welche Hebel setzen Sie in Bewegung?
Wir haben auf Social Media eine Kampagne gestartet. Wir haben auch schon diskutiert, dass wir unsere Forderung als Audioclip produzieren, den man in Podcasts einbauen kann. Unsere Möglichkeiten sind beschränkt, auch weil es keine Audioförderung gibt. So wird eine Szene kleingehalten, die zu mehr fähig wäre. Im Echo – Netzwerk Audiokultur arbeiten alle ehrenamtlich. Aber wir versuchen trotzdem, genug Lärm zu machen.

Wie gross ist denn dieses Netzwerk überhaupt?
Wir sind immer noch relativ wenige. In unserem Verein sind wir 160 Mitglieder. Wir werden häufig gefragt: Wer sind denn all die Audioschaffenden? Wenn es keine Förderung gibt, dann gibt es auch keine Leute, die das als Hauptberuf machen. Immerhin arbeiten in privaten und öffentlich-rechtlichen Radiosendern noch etliche Audioschaffende, für die unser Netzwerk auch offen ist. Denn eine fehlende Audioförderung bedroht die Qualität und die Weiterentwicklung jeglichen Audioschaffens.

Öffentliche Kulturförderung geht nicht ohne Bürokratie. Füllen Sie gerne Formulare aus?
Nein, eigentlich nie. Aber das ist die Realität. Alle Kulturschaffenden müssen Gesuche einreichen, ob für private oder öffentliche Unterstützung. Das nehme ich aber gerne in Kauf, wenn es dafür Geld gibt. Und oftmals macht es das Projekt sogar besser, wenn ich für eine Eingabe das Konzept schärfen muss.


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KOMMENTARE

Lena Leuenberger
06.03.2024 17:17 Uhr
Ich stimme zu 100% zu. Gute Audio-Produktionem sind wie Filme für die Ohren. Sie bringen kulturell & journalistisch relevante Inhalte und Hintergründe. Das sollte man fördern und sich freuen, dass sich die Kulturlandschaft weiterentwickelt! Und: Wenn sich jemand in Bern die Frage fragt: Wie können wir die jungen Generationen für Kultur begeistern? - dann bitte gerne mal die Podcast-Statistiken anschauen und neu denken ...
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