27.04.2018

Einschüchterung von Journalisten

«Bei Recherchen in dem Umfeld muss man vorsichtig sein»

Eine eingeschmissene Scheibe und Sprayereien vor dem Haus: Nach kritischen Artikeln über die FCZ-Ultras ist die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Rafaela Roth von Hooligans bedroht worden. Im Interview sagt sie, wie sie damit umgeht und welche Folgen das hat.
Einschüchterung von Journalisten: «Bei Recherchen in dem Umfeld muss man vorsichtig sein»
«Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut»: Rafaela Roth arbeitet im Ressort Zürich des «Tages-Anzeigers». (Bild: Laura Kaufmann)
von Michèle Widmer

Frau Roth, diese Woche ist bei Ihnen zu Hause um 1.30 Uhr nachts die Haustür mit Steinen eingeworfen worden. Wie haben Sie in dieser Situation reagiert?
Da ich gesehen habe, dass der Artikel bereits online war und stark auf WhatsApp geteilt wurde, war ich nicht richtig überrascht.

Es war nicht das erste Mal, dass die Ultras auf einen Artikel von Ihnen reagiert haben. Im Winter hinterliessen sie Spayereien auf der Hauswand gegenüber Ihrer Wohnung. Welche Botschaft hatten die gewaltbereiten Fans damals an Sie?
Die Botschaft wollte mir namentlich zu verstehen geben, dass ich aufhören soll, über die Szene zu schreiben.

Abgeschreckt hat Sie das nicht. Waren Sie bei den Recherchen für den aktuellen Artikel vorsichtiger als sonst?
Bei Recherchen in diesem Umfeld muss man ohnehin vorsichtig sein. Die Leute, mit denen ich spreche, haben Angst, selber zum Ziel zu werden. Es gibt viel zu bedenken. Fussballfans sollen nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Genauso wenig sollen marginalisierte Bevölkerungsgruppen weiter marginalisiert werden. Es gibt keine einfachen Lösungen. Trotzdem muss der Journalismus die Probleme möglichst differenziert aufzeigen. Die Reaktion enttäuscht mich schon sehr, weil versucht wird, mit Gewalt gegen die Berichterstattung vorzugehen. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, man darf sie nicht so leicht aufs Spiel setzen.

Gab es weitere Arten von Drohungen gegen Sie?
Nicht in der Form. Ich spüre nur, dass es viele Leute in Zürich nicht mögen, wenn man die Gewalt im Umfeld von Fankurven benennt. Im Moment gibt es in einem Teil der FCZ-Südkurve ein Problem. Es kann nicht sein, dass normale oder minderjährige GC-Fans nicht mehr mit einem Fan-Schal nach Hause gehen können, ohne dem Risiko ausgesetzt zu sein, verprügelt zu werden. Umgekehrt passiert das natürlich auch teilweise.

Wissen Sie konkret, welche Personen dahinterstecken?
Nein. Ich stelle nur fest, dass Ähnliches noch nie vorgekommen ist und die Vorfälle unmittelbar nach Artikeln über die Thematik passieren.

Welche Unterstützung haben Sie von der «Tages-Anzeiger»-Redaktion erhalten?
Ich erhalte sehr viel Zuspruch und Solidaritätsbekundungen aus der Redaktion und spüre, dass auch die Chefredaktion hinter mir steht. Ich stehe in Kontakt mit unserer Rechtsabteilung.

Wie Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser im Tagi schreibt, wird die Zeitung weiter über die Gewaltbereitschaft bei Fussballfans berichten. Was werden Sie künftig anders machen als bisher?
Ich werde das Dossier auf jeden Fall weiterhin betreuen. Anders machen werde ich nichts. Ich werde weiter wie bisher nach journalistischen Kriterien berichten, was berichtenswert ist.

Überlegen Sie sich rechtliche Schritte einzuleiten?
Wir prüfen, welche Schritte bei Vorfällen dieser Art überhaupt möglich sind.

Das Interview wurde schriftlich geführt. 



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