von Edith Hollenstein
Der Presserat muss sich im Internet-Zeitalter nunmehr mit neuen journalistischen Formen beschäftigen – so kürzlich mit «Native Advertising», auch «Content Marketing» genannt. Weil diese Begriffe redaktionelle Inhalte bezeichnen, die Werbung transportieren, ohne selbst Werbung zu sein, fallen sie nicht unter das klassische Presseratsverbot, Journalisten für Anzeigen-kunden arbeiten zu lassen.
Ziffer 10 nicht verletzt
Konkret ging es um watson.ch. Das Portal präsentierte im Herbst 2015 ein in der Redaktion erstelltes Quiz, mit dem der Leser ermitteln sollte, «Welche Outdoor-Sportart am besten zu dir passt». Auf den Fragenkatalog folgte die Werbe-Einblendung einer Krankenversicherung, die auf das Quiz-Ergebnis Bezug nahm, aber grafisch unterschiedlich gestaltet war. Fragenkatalog und Werbung waren mit dem Hinweis «Präsentiert von ...» und dem Logo der Versicherung gekennzeichnet, die für die Veröffentlichung von beidem gezahlt hatte.
Watson legt Wert auf die interne Regel, dass seine Autoren den Auftraggeber der mit ihrem Beitrag kombinierten Werbung vor der Veröffentlichung nicht kennen. Die Redaktion räumt jedoch ein, dass Anzeigenkunden prinzipiell das Recht haben, den Inhalt von Native-Advertising-Elementen zu akzeptieren oder abzulehnen.
Der Presserat fragte sich: Hat Watson damit die vorgeschriebene Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung verletzt? «Nein», sagt der Presserat. Aber: Hätte der Anzeigenkunde von Watsons Angebot Gebrauch gemacht, Einfluss auf den redaktionellen Inhalt zu nehmen, wäre – trotz des spielerischen Charakters der Quiz-Fragen – Ziffer 10 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt gewesen. Sie verbietet es Journalisten, von Werbetreibenden Bedingungen für ihre Arbeit zu akzeptieren.
Eindeutig kennzeichnen
Da in diesem Fall kein konkreter Einfluss des Anzeigenkunden nachzuweisen war und keine weiteren Presserats-Bestimmungen eindeutig verletzt worden sind, musste von einer Rüge abgesehen werden. Der Presserat erachte es jedoch als transparenter, wenn von Anzeigenkunden bezahlte Medienbeiträge statt mit verschleiernden Formulierungen wie «Präsentiert von ...» durch den Hinweis «Bezahlt von ...» gekennzeichnet würden, schreibt er in einer Mitteilung zum Entscheid.
Inzwischen habe der Rat zudem seine Richtlinien zum Journalistenkodex so präzisiert, dass sie auch auf neu entwickelte Werbeformen wie etwa «Native Advertising» anwendbar seien.
«Native Advertising» wird in der Branche kontrovers diskutiert. Mitte Mai sorge ein Video des Verbandes Schweizer Medien (vgl. oben) für so viel Kritik, sodass es der Verband umgehend wieder von der Webseite entfernte.
Was ist besser geeignet, der Reputation einer Medienmarke zu schaden, #NativeAdvertising oder #SponsoredContent wie hier @NZZaS? https://t.co/WQ51SkvOH8
— Nick Lüthi ✎ (@nick_luethi) 25. Juni 2017
Wer heute das @tagi_magi aufschlägt, begreift, warum das Crowdfunding für das @RepublikMagazin so erfolgreich war #nativeadvertising pic.twitter.com/N1cvwWOyNV
— Martin Sauter (@msauter) 24. Juni 2017
"Sponsored Content" wie ich ihn in der gedruckten Ausgabe des @tagesanzeiger so noch nie gesehen habe pic.twitter.com/IUXsXmzzwW
— Mora (@moraphoto) 19. Juni 2017
Nicht nur Watson nutzt diese Form. Auch bei Ringier, Tamedia und NZZ sind Native Advertising und Content Marketing vermehrt im Einsatz und werden kontrovers wahrgenommen, wie die obigen Posts in den sozialen Medien zeigen.
Aufgrund der Äusserungen des Presserats, hat sich am Mittwoch auch die IAB Switzerland Association, der Branchenverband der Schweizer Digitalwerbung, zum Thema geäussert. Native Advertising funktioniere nur mit relevanten Inhalten, die dem Leser einen Mehrwert bieten. «Dieser Mehrwert kann aus hilfreichen Informationen, aber auch aus unterhaltenden Elementen bestehen», heisst es in einer Stellungnahme. Native Advertising diene in erster Linie der Erreichung von Wissens- und Einstellungszielen und sollte in diesem Kontext bewertet werden.
Die IAB weist auf einen im Mai veröffentlichten Leitfaden hin, der den Begriff einordnen und aufklären soll.