09.01.2018

No Billag

Eine «Chance für die SRG» oder die «Guillotine»

Im Kampf um «No Billag» haben am Dienstag beide Lager zu Medienkonferenzen nach Bern geladen. Die Befürworter präsentierten eine neue Version der künftigen SRG. Die Gegner wiederholten die Untergangszenarien. Ein Besuch an zwei Fronten.
von Edith Hollenstein

Sowohl die Befürworter als auch die Gegner der «No Billag»-Lager luden am Dienstag zu Medienkonferenzen in Bern: zuerst das überparteiliche Komitee der Gegner im Medienzentrum des Bundeshauses, einige Stunden später die Befürworter rund um den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV).

Plan B von Zimmermann

Engagiert waren beide Seiten. Konfrontativer war jedoch der Anlass des SGV. Ins Hotel Kreuz kamen rund 60 Journalistinnen und Journalisten, das sind doppelt so viele wie am Morgen zu den Gegnern. Naturgemäss klangen die prokanteren Voten der Befürworter in Journalisten-Ohren interessanter, zusätzlich hatte das Ja-Komitee schon in der Einladung zur Medienkonferenz versprochen, einen «Plan B» für die SRG zu präsentieren. Darauf warteten viele gespannt. Dieser «Plan», der eine SRG mit Werbeeinnahmen, Abos und Fördergeldern vom Bund vorsieht (persoenlich.com berichtete) sei von einem bekannten Medienkenner ausgearbeitet worden.

Bündel mit Banknoten vs. ein Schuh, der die Schweiz zertritt: Mit diesen Sujets werben die Befürworter (links) und die Gegner (rechts):

Von Journalisten umringt: Bigler und Lombardi:

60 Journalisten bei den Befürwortern vs. 30 bei den Gegnern:

Die Zahlen für den «Plan B» stammen aus einem Artikel, den «Weltwoche»-Medienkolumnist und «Journalist»-Chefredaktor Kurt W. Zimmermann am 9. November 2017 in der «Weltwoche» veröffentlicht hatte.* Damit wollen die Befürworter in den nächsten Wochen argumentieren und in der Kampagne immer wieder darauf verweisen. So hoffen sie, die Gegner auszustechen, die stark auf das Argument setzen, die SRG würde nach Annahme der Initiative verschwinden.

Die Gegner kritisierten in ihrer Medienkonferenz vom Vormittag den «Plan B» der Befürworter. Dieser sei naiv. Sie befürchten, dass zahlungskräftige Interessenvertreter bei Annahme der Initiative noch mehr Einfluss auf die Medien gewinnen würden (persoenlich.com berichtete). Nationalrätin Adèle Thorens (Grüne/VD) meldete sich besonders engagiert zu Wort. Sie wies auf die Erfahrungen mit «Pay TV» im Ausland hin. In Deutschland und Italien etwa bezahlten die Zuschauer allein für Fussball einen Betrag in der Höhe der Schweizer Gebühren.

«Nicht mit der Guillotine»

Daneben verweisen die Anwesenden acht Politiker (vier Frauen und vier Männer) aller Bundesparteien darauf, dass durch das Wegfallen der Gebührengelder, welche rund drei Viertel der Einnahmen ausmachen, die SRG zerstört würde. Zwar gebe es Revisionsbedarf, doch das sei nicht per Gebührenkappung zu bewerkstelligen, sondern über politische Massnahmen, etwa über die neue SRG-Konzession, die jetzt in Vernehmlassung steht oder das künftige neue Mediengesetz.

Bei den Gegnern amtete CVP-Ständerat Filippo Lombardi als Wortführer. Mehrfach wiederholte er die Formulierung, die er sich für diesen Abstimmungskampf ersonnen hatte: «Wenn jemand Kopfweh hat, muss man das mit Aspirine bekämpfen und nicht mit der Guillotine», wobei er bei «Aspirine» das «E» betonte, damit sich die Sätze reimen. Diese bewusst bildhafte Formulierung will er nun den ganzen Abstimmungskampf immer wieder einsetzen.

SRG als «Juwel»

Inspiriert habe ihn Königin Marie Antoinette von Frankreich (†1793 in Paris). Kurz bevor sie hingerichtet wurde, habe sie gesagt: «Das ist eigentlich nicht so schlimm, denn so werde ich auch dieses mühsame Kopfweh los». Solche Untergangsrhetorik wollen die Befürworter nicht gelten lassen: Die Gegner führten eine «Angstkampagne» und die SRG-Chefetage habe es verschlafen, einen Plan für eine SRG ohne Gebührengelder auszuarbeiten, sagten sie. Erst jetzt kämen sie hervor, jedoch nur mit «unausgegorenen Miniplänchen».

Hans-Ulrich Bigler, Direktor des SGV und FDP-Nationalrat, sprach von versuchter Erpressung des Stimmvolkes. Die SRG sei ein «Juwel», beim Publikum und im Werbemarkt hervorragend positioniert und werde sich daher grösstenteils über Einnahmen über Werbung und Abonnemente finanzieren lassen. «Bei einem Ja zu No Billag wird die SRG nicht verschwinden», beteuerte er, im Gegenteil: Diese Initiative sei eine «Chance zu einer starken SRG», eine Chance, neu zu definieren, was Service Public sei. Bigler geht davon aus, dass viele Abonnemente für Sendungen lösen würden, beispielsweise für die «Tagesschau».

Sendungen, die nicht über den Markt refinanzierbar seien, könnten weiterhin mit Bundesgeldern gefördert werden. An wen und von wem genau diese verteilt würden, blieb offen. Wer Bigler und seinen Mitstreitern zuhörte, dem wurde klar: Für ihn ist wichtig, dass Unternehmen keine Abgabe bezahlen müssen.

Fragen zur konkreten Abwicklung

Bei den vielen engagierten Wortmeldungen der Journalisten am Schluss ging es etwa um die konkrete Abwicklung im Falle einer Annahme, die Höhe der Abonnementskosten für eine «Tagesschau» sowie die Art und Weise der Vergabe der staatlichen Gelder der Förderung, die der SGV und seine Mitstreiter vorschlagen.



Und einer stellte eine Frage, auf die er keine Antwort erwartet haben dürfte: «Ist das tatsächlich ein Plan B, eine echte Alternative zur SRG? Hätte es nicht eher Plan Blindflug heissen müssen?». Und wie erwartet gingen weder Wortführer Bigler noch SGV-Präsident und SVP-Nationalrat Jean-François Rime detailliert darauf ein. Rime sagte sinngemäss: «Das zu interpretieren ist Ihnen überlassen. Sie sind frei, zu schreiben was Sie wollen».



*Diese Textstelle wurde nachträglich durch die Redaktion angepasst. (eh)

 



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