13.04.2016

Satire-Streit

Herr Böhmermann im Kampf für die Ironie

Wer ist der Satiriker, der mittlerweile unter Polizeischutz leben muss, eigentlich?
Satire-Streit: Herr Böhmermann im Kampf für die Ironie

Wie sieht die Zukunft von Jan Böhmermann aus? Bis vor kurzem hätte die Antwort «glänzend» gelautet. Der 35-Jährige stand für eine intelligente neue Moderatorengeneration und erhielt viele Medienpreise.

Wer die Frage heute stellt, bekommt erst einmal keine Antwort. Böhmermann ist in der Affäre um den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan abgetaucht, er steht unter Polizeischutz.

Wie auch immer der Streit um die Satire ausgeht, schnell vorüber wird er nicht sein. Erdogans Münchener Rechtsanwalt Michael-Hubertus von Sprenger kündigte einen Gang durch alle Instanzen gegen den am 23. Februar 1981 in Bremen geborenen Moderator an. Schliesslich erwartet der Präsident der Türkei «die Bestrafung des Betroffenen».

Böhmermann hat eine Auseinandersetzung ausgelöst, die fast beispiellos in der Geschichte Deutschlands ist. Hier der junge Satiriker, dort der Präsident der Türkei - und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit kritischen Worten über Böhmermanns Beitrag der ganzen Geschichte noch zusätzlichen Zündstoff gab.

Eigentlich könnte Böhmermann den Streit als eine Art Ritterschlag empfinden. «Ich möchte, dass so viele Leute wie möglich sehen, was ich mache», sagte er vor zweieinhalb Jahren der «Zeit».

Bisher vom ZDF mit seiner Sendung «Neo Magazin Royale» in Randsendezeiten untergebracht, ist Böhmermann im Moment der meistgenannte deutsche Satiriker.

Mitten im internationalen Zank 

Doch die Bekanntheit des Mannes, der nach eigenen Worten schon immer ziemlich aufgekratzt war, ist nun ganz anders als ersehnt: «Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe», schrieb Böhmermann bei Facebook über den Streit.

Das ist ein düsterer Satz von seiner Seite - und ausnahmsweise ein völlig ironiefreier. «Mit dem Enthusiasmus eines Entwicklungshelfers versuche ich, die Ironie in Deutschland durchzusetzen», sagte er nämlich einmal.

Welchen Weg Böhmermann in Zukunft selbst gehen will, lässt sich nicht prognostizieren. Er gibt sich äusserst distanziert, hält sein Privatleben bedeckt.

Böhmermann lebt in Köln und hat mehrere Kinder - «ungefähr Dreieinhalb», sagte er einmal. Zu seinem Familienstand sagt er nichts, nur, dass er einem traditionellen Wertesystem anhänge.

Für Böhmermann gab es mit 17 Jahren mit dem Leukämietod seines Vaters, eines Polizisten, praktisch einen erzwungenen Berufsstart. Er musste Geld verdienen. Böhmermann fing an, für Zeilenhonorar in einer Bremer Lokalzeitung zu schreiben, ging bald als Reporter zu Radio Bremen.

Nachdem er dort selbst Nachrichten über Gewalt im Gazastreifen so verlas, als ginge es um einen Witz, wendete er sich dem Komischen zu.

Böhmermann zog nach Köln, studierte, arbeitete beim WDR-Jugendsender 1Live und als Mitarbeiter von Harald Schmidt. Diesen empfindet er als «Pionier für intelligentes Fernsehen», von Schmidt habe er auch gelernt, dass Disziplin und viel Arbeit nötig seien für seinen Job.

Bei Schmidt gelang Böhmermann 2004 auch ein erster Coup: Er gab sich als Schweinegrippe-Erkrankter aus und schaffte es so in die Fernsehnachrichten.

Ein schadenfreudiger Lukas Podolski

2006 bekam Böhmermann nach eigenen Worten erstmals eine Ahnung davon, was er anrichten kann. Er erfand für die Fussballweltmeisterschaft «Lukas' Tagebuch» über WM-Star Lukas Podolski. Dort schuf er Sätze wie «Fussball ist wie Schach, nur ohne Würfel». Manche schreiben diese noch immer Podolski zu.

Podolski zog deshalb vor Gericht. Die Klage des inzwischen in der Türkei kickenden Fussballers blieb folgenlos, doch der Schmerz blieb: «Lieber Jan, wer immer nur auf Kosten anderer austeilt, der kriegt irgendwann den Boomerang zurück», twitterte Podolski vor ein paar Tagen zum Erdogan-Streit. (sda)

Bild: Keystone


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