23.10.2017

Jahrbuch Qualität der Medien

Onlineportale liefern mehr Qualität – ausser auf Facebook

Professionelle Medien werden in der Schweiz immer wichtiger. Junge informieren sich zunehmends über Social Media. Und die Newssites konnten ihre Qualität steigern. Am Montag wurde das Jahrbuch «Qualität der Medien» präsentiert. persoenlich.com zeigt die sechs Hauptbefunde.
von Michèle Widmer

Am Montag wurde in Bern das Jahrbuch «Qualität der Medien» vorgestellt. Jährlich analysiert und dokumentiert es die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen im Schweizer Medienwesen und liefert Analysen zur Nutzung, Finanzierung und Berichterstattungsqualität der reichweitenstärksten Informationsmedien aus den drei grossen Landesteilen. persoenlich.com präsentiert nachfolgend die sechs Hauptbefunde:

1. Professionelle Informationsmedien sind so wichtig wie nie zuvor

Der digitale Strukturwandel verändert die Öffentlichkeitsstruktur der Gesellschaft und fördert die Bildung einer «Long Tail»-Online-Öffentlichkeit, schreiben die Autoren. Ersichtlich ist dies durch die kontinuierliche Neuinstitutionalisierung einer Vielzahl an Medien- und Informationsanbietern von mittlerer bis geringer Reichweite, die sich mehrheitlich kaum oder nicht an journalistische Qualitätsstandarts orientieren, sondern partikuläre Interessen verfolgen. «Deshalb sprechen wir von einer Scheinvielfalt», sagte Mark Eisenegger, Präsident des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög) in Bern.

In einer solchen Öffentlichkeitsstruktur, in der die Menge an «Informationsmüll» sowie an interessengeleiteter Informationspolitik zunimmt, werden professionelle Informationsmedien noch wichtiger. Ihnen komme die Aufgabe als «Gatewatcher» zu. Allerdings sei es fatal, so die Autoren, dass professionelle Informationsmedien diese Qualitätssicherungsaufgabe immer weniger wahrnehmen könnten, weil sich die ungünstige Ressourcenentwicklung im Informationsjournalismus weiter akzentuiere.

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 11.00.53

Die Jahrbuch-Autoren empfehlen, dass sich die Schweiz öffnen sollte für «ausgedehntere Formen der staatsfernen (...) Medienförderung». Damit nationale Medien von Werbeerträgen ausreichend profitieren können, sollte ihrer Ansicht nach eine Werbesteuer für globale Tech-Intermediäre in Erwägung gezogen werden. Privaten Medienhäusern rät das Jahrbuch zu Quersubventionen von nicht publizistischen Sparten zugunsten der journalistischen Angebote. Kooperationen zwischen Privaten und der mit Gebühren finanzierten SRG seien vor allem bei der Entwicklung neuer Technologien sowie in der Aus- und Weiterbildung sinnvoll.






2. Social Media schwächt Medienmarken

Auch in der Schweiz findet der Medienkonsum immer mehr auf digitalen Kanälen statt. Bereits 41 Prozent der Bevölkerung informieren sich hierzulande hauptsächlich über Newssites oder Social Media. Der Konsum von nicht mehr an eine Medienmarke gebundenen News auf Plattformen oder in sozialen Medien nimmt zu. Die Autoren des Jahrbuches sprechen von einer «Plattformisierung». Zwar sei es für die Medienanbieter in der Schweiz positiv, dass in die Onlinenutzung im internationalen Vergleich etwas mehr direkt über die Newssites laufe, doch auch in der Schweiz seien die globalen Tech-Intermediäre als Zuleitugskanäle für News zunehmend wichtig – vor allem bei der jüngsten Altersgruppe.

Für den Blick in die Zukunft sei das Nutzungsverhalten der jüngeren Mediennutzer besonders wichtig. Bei den 18 - 24-Jährigen sind Social Media (24 Prozent) nach den Newssites (34 Prozent) bereits die zweitwichtigste Quelle für News. Dieser entbündelte Medienkonsum schwächt laut den Autoren die Medienmarken der hiesigen professionellen Medienmarken.

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 12.09.53

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 12.10.02






3. Digitaler Wildwuchs noch mit wenig Reichweite

Die Strukturkrise im professionellen Journalismus begünstigt das Entstehen kontrovers diskutierter alternativer Medien, die sich in unmittelbarer Opposition zu den etablierten Informationsmedien positionieren und teilweise Verschwörungstheorien verbreien. Zurzeit noch fristen diese in der Schweiz ein Randdasein. Das hohe Vertrauen in die Medien schränke die Verbreitung von alternativen Medien derzeit noch ein. Jedoch müssten vor allem junge Leute für die Bedeutung von professionellen Informationsmedien sensibilisiert werden, finden die Verfasser. Und mit einer von der öffentlichen Hand mitfinanzierten digitalen Infrastruktur könnten auch kleine, professionelle Anbieter in die Onlinewelt integriert werden.

Für dieses Jahrbuch wurden sechs in den letzten Jahren neu gegründete professionelle Anbieter und sechs der am meisten diskkutierten alternativen Medien in der Deutschschweiz analysiert. Die Analyse zeigt: Die neuen Anbieter bleiben punkto Reichweite deutlich hinten.

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 11.02.54






4. Qualität von Newssites steigt

Die Qualität von einigen professionellen Informationsanbieter hat sich in den letzten drei Jahren verbessert. Vor allem die Qualität der Onlineportale, welche lange Zeit schlechter waren als ihre Pendants aus Presse und im Rundfunkt, sei merklich gestiegen, schreiben die Autoren. Als Beispiele für Medien, die gute Qualität mit Reichweite verbinden, nennen sie «Il Caffè», «Le Matin Dimanche», «NZZ am Sonntag» oder «Corriere del Ticino», «24 heures» und den «Tages-Anzeiger».

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 11.03.21

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 11.03.37






5. Facebook drückt die Qualität der Informationsanbieter

Die sozialen Medien sind von ihrer Funktionslogik her betrachete Emotionsmedien und können einen qualitätsnivellierenden Effekt auf professionelle Informationsmedien ausüben. Die Analyse der Autoren auf Facebook zeigt, dass viele der untersuchten Medien auf der Plattform eine geringere Qualität anbieten als auf den eigenen Kanälen. Die Ausnahme machte in der Untersuchung die NZZ, die mit dem Facebook-Angebot mehr Punkte erreichte als mit der eigenen Newsseite (siehe Grafik unten). Zudem zeigten einige Anbieter, dass sie auch mit qualitativ guten Beiträgen auf Social Media Nutzerreaktionen auslösen können.

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 11.04.32






6. Konzentrierter Medienmarkt

In der Schweiz hat sich die bereits hohe Medienkonzentration akzentuiert. In der Deutschschweiz dominieren die drei grössten Schweizer Medienhäuser im Jahr 2016 71 Prozent des Onilne-Reichweitenmarktes der professionellen Onlinemedien. In der Romandie und in der italienischsprachigen Schweiz sind es sogar je 88 Prozent.

Bildschirmfoto 2017-10-23 um 11.05.46

Das Jahrbuch «Qualität der Medien» wird vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich verfasst. Es erscheint im Schabe Verlag. Finanziert wird es von der Kurt Imhof Stiftung für Medienqualität und der Universität Zürich. Nachfolgend an die Präsentation in Bern fand eine Podiumsdiskussion mit Mark Eisenegger, Hansi Voig, Res Strehle und Anne-Friederike Heinrich statt (persoenlich.com berichtete).

Angereichert mit Material der Nachrichtenagentur SDA.



Newsletter wird abonniert...

Newsletter abonnieren

Wollen Sie Artikel wie diesen in Ihrer Mailbox? Erhalten Sie frühmorgens die relevantesten Branchennews in kompakter Form.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • Nico Herger, 25.10.2017 13:54 Uhr
    Wer beim Staat und bei Sponsoren, pardon Gönnern, ständig um Geld bettelt, muss natürlich die Qualität der Onlineportale schönschreiben. Im nächsten Jahrbuch werden die Onlineportale die Printmedien bezüglich Qualität sogar überholen - schliesslich sind dann die gehypten endlich aufgeschaltet. Das ist so absehbar wie, dass Ostern auf einen Sonntag fällt.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240426

Die Branchennews täglich erhalten!

Jetzt Newsletter abonnieren.