26.04.2017

Reporter ohne Grenzen

Pressefreiheit in Demokratien in Gefahr

In Europa kam es gemäss der Organisation im vergangenen Jahr zu den grössten Verletzungen der Pressefreiheit. «Überwachungsobsessionen» und Verletzungen des Quellenschutzes würden dazu beitragen.
Reporter ohne Grenzen: Pressefreiheit in Demokratien in Gefahr
Demonstration Ende Februar vor der Türkischen Botschaft in Berlin für die Freilassung des deutschen Journalisten Deniz Yücel, der in der Türkei in Haft sitzt. Gemäss Reporter ohne Grenzen sind in diesem Land die meisten Medienschaffenden inhaftiert. (Bild: Keystone)

Die Arbeitsbedingungen für freie Medien haben sich im vergangenen Jahr weltweit verschlechtert. Dies geht aus der aktuellen Rangliste von Reporter ohne Grenzen (ROG) hervor. Wenn Europa auch die Weltregion ist, in der die Medien am freiesten sind, kam es dort im vergangenen Jahr zu den grössten Verletzungen der Pressefreiheit.

Die Kennziffer für die Einschränkungen und Verletzungen der Pressefreiheit weist dort im letzten Jahr mit 3,8 Prozent den grössten Anstieg auf. Im Vergleich dazu: In Asien nahm er im gleichen Zeitraum nur um 0,9 Prozent zu.

Nach Angaben der Organisation besteht die Gefahr einer negativen Wende der Pressefreiheit speziell in führenden Demokratien. Dazu tragen «Überwachungsobsessionen» und Verletzungen des Quellenschutzes bei. Donald Trumps Aufstieg an die Macht in den USA und die Brexit-Kampagne in Grossbritannien waren geprägt von Medien-Bashing. «Es gibt keine Demokratie ohne Informationsfreiheit», sagt ROG-Präsident Gérard Tschopp. Unter dem Vorwand der Sicherheit seien etwa in Grossbritannien, Frankreich und Kanada Gesetze eingeführt worden, welche die Pressefreiheit einschränkten.

Prekäre wirtschaftliche Lage

In der internationalen Rangliste der Pressefreiheit 2017 von ROG belegt Norwegen den Spitzenrang; die Schweiz ist wie bereits im Vorjahr auf Platz 7. Die Organisation beurteilt die Pressefreiheit in der Schweiz insgesamt als gut und stabil. Sie begrüsste zudem, dass die Schweiz die Schaffung eines Mandats für einen Sondervertreter des UNO-Generalsekretärs für die Sicherheit von Journalisten unterstützen will. Bundesrat Didier Burkhalter hatte dies ROG Schweiz im April in einem Schreiben zugesagt.

Zu den negativen Trends in der Schweiz zählt ROG die prekäre wirtschaftliche Lage vieler Pressetitel, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum und der mangelnde investigative Journalismus. Zudem stellte die Organisation eine Zunahme von Publireportagen und Sponsored Content fest, was der Unabhängigkeit der Berichterstattung schaden könne. Die Bewertung bezieht sich auf 2016, die Einstellung des Wochen-Magazins «L'Hebdo» und «Schweiz am Sonntag» sind darin noch nicht berücksichtigt.

ROG erklärte sich besorgt über die Entwicklung des Öffentlichkeitsprinzips in der Schweiz. Dieses Instrument für journalistische Recherchen sei noch nicht in allen Kantonen zufriedenstellend umgesetzt. Und die vom Bundesrat geplanten Einschränkungen des Öffentlichkeitsgesetzes seien nicht gerechtfertigt.

Die Organisation erwartet zudem, dass der Ständerat den Artikel 293 des Strafgesetzbuches streicht, der die «Veröffentlichungen amtlicher geheimer Verhandlungen» unter Strafe stellt, und nicht die Haltung des Nationalrats einnimmt, der ihn in einer leicht entschärften Version beibehalten wolle.

Nordkorea und Eritrea am Ranglistenende

In der aktuellen Rangliste sind auch einige der traditionell weit vorne platzierten Staaten zurückgefallen. Nach sechs Jahren an der Spitze hat Finnland (3. Platz) seine Position aufgrund von politischem Druck auf die Medien verloren. Die Niederlande (5. Rang) haben drei Plätze verloren. Die skandinavischen Länder sind aber weiterhin an der Spitze der Rangliste – Norwegen (1), Schweden (2), Finnland (3) und Dänemark (4).

Nach dem Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im vergangenen Juli bewegte sich auch die Türkei (155. Platz/-4) in das Lager der autoritären Regimes. Es ist nun das Land, in dem am meisten Medienschaffende inhaftiert sind.

Am schlechtesten um die Pressefreiheit steht es dem Ranking zufolge in den Diktaturen Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea. Sie landeten auf den letzten drei Plätzen der 180 Länder. Weit hinten ist auch Syrien (177. Platz), dessen anhaltender Krieg das Land zu dem tödlichsten für Medienschaffende machte. Sie werden dort sowohl vom Regime als auch von dschihadistischen Gruppen angegriffen.

Das Ranking der Pressefreiheit von ROG basiert auf einer Erhebung, die unter anderem die Medienvielfalt, die Unabhängigkeit der Medien, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Sicherheit der Medienschaffenden in 180 Staaten erfasst. (sda)

 



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