26.06.2016

Brexit

So reagieren die Schweizer Medien

Die grossen Tageszeitungen holen am Samstag nach, was sie am Freitag aufgrund des Redaktionsschlusses verpasst haben. Ein Überblick über Zeilen der Schweizer Kommentatoren zum Brexit.
Brexit: So reagieren die Schweizer Medien
Die Unsicherheit ist gross: Screenshots der Kommentare auf Schweizer Newsportalen.

Der EU-Austritt Grossbritanniens ist ein historischer Entscheid, mit dem wohl niemand so richtig gerechnet hatte. Entsprechend überrascht zeigten sich die Kommentatoren der Schweizer Medien am Freitag. Am klarsten positionierte sich Watson: «Hetze, Polemik und Lügen haben sich gelohnt», schreibt das Nachrichtenportal. Die britische Kultur der Gelassenheit gebe es nicht mehr, vor der Brexit-Abstimmung habe keine ernsthafte Debatte stattgefunden. Watson identifiziert UKIP-Chef Nigel Farage als Sieger, der es geschafft habe, «die politische Kultur nachhaltig zu verändern».

Nicht auf den Sieger, sondern auf den Verlierer fokussierte sich der «Tages-Anzeiger». Noch-Premier David Cameron, der mit dem Referendum ein Wahlversprechen einlöste, habe sich katastrophal verrechnet. «Ganz Europa, und die Welt über Europa hinaus, wird die schockierende Nachricht dieser Nacht erst einmal verarbeiten müssen», zeigte sich der Tagi wenige Stunden nach der Abstimmung konsterniert. Die Folgen des Entscheids seien kaum abzusehen. In einem zweiten Kommentar schrieb der Tagi, «warum es nur Verlierer gibt.» Europas Fragmentierung werde weitergehen und die Handlungsfähigkeit der EU hemmen. Ein Plan B fehle.

Folgen für die Schweiz

Auch die NZZ schrieb am Freitag vom «Sprung ins Ungewisse». Sicher sei bisher lediglich die Verunsicherung. Auch der Zusammenhalt des Vereinigten Königreiches sei gefährdet. Grossbritannien habe es verpasst, im Abstimmungskampf seine Rolle in der Welt zu thematisieren. Es «dominierten vielmehr bis zum Überdruss einfache Schlagworte, schrille Töne und simple Milchbüchleinrechnungen», hiess es inder Zeitung.

Der «Blick» sah im Abstimmungsergebnis einen Triumph der Wut. Dabei sei alleine durch den Austritt noch nichts gewonnen. «Was genau sollte sich am schlechten öffentlichen Service in Grossbritannien nun verbessern, nur weil man weniger polnische Arbeiter ins Land lässt?»

Die möglichen Folgen für die Schweiz wurden in den Medien ebenfalls thematisiert. Watson schrieb von «weniger erfreulichen Perspektiven». Es drohe kurzfristig ein neuer Frankenschock. Die Schweiz müsse selber ausbaden, was sie sich mit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative eingebrockt habe. Viele Optionien blieben jedoch nicht. Der Tagi nennt den Entscheid einen «Schock für die Schweizer Wirtschaft». Die grösste Gefahr gehe dabei von einem starken Franken aus. Die beste Strategie für Unternehmen sei, vorerst abzuwarten.

So schnell und ausführlich die Medien am Freitag online kommentierten, so schwer taten sie sich teilweise in ihren Print-Ausgaben. Die definitiven Resultate der Abstimmung wurden erst am Freitagmorgen bekannt. So verrante sich etwa der Tagi mit dem Front-Titel «EU-Befürworter liegen laut Umfrage vorne».

Auch die «Appenzeller Zeitung» wählte einen ungünstigen Front-Aufmacher. Wer die Zeitung aus dem Briefkasten holt, liest als erstes: «Erster Trend: Briten bleiben in EU»:

Zurückhaltender titelte die NZZ: «Die Briten am Scheideweg». Kreativ war die «Aargauer Zeitung». Sie druckte eine Doppelseite mit Texten für beide Szenarien, die man je nach Ausgang drehen konnte.

Am Samstag trumpften die Printmedien schliesslich mit ausführlichn Analysen auf. In einem Leitartikel fordert «Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Arthur Rutishauser den Rücktritt von EU-Präsident Jean-Claude Juncker. Die EU-Bevölkerung wolle, dass man den Briten ein Freihandelsabkommen anbiete und zur Tagesordnung übergehe. Dies sei nur möglich, wenn nach Cameron auch Juncker, Symbol des Europa-Apparats, rasch zurücktrete und einem jüngeren Hoffnungsträger Platz mache, schreibt er.

Für die NZZ analysiert Auslandchef Peter Râsonyi den Brexit auf der Front. Darin ruft er zur Reflexion und Demut auf.

(rar/wid)



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