06.12.2017

No-Billag-Studie

Umfrage-Standards seien erfüllt worden

Das zuständige Meinungsforschungsinstitut habe die Regeln eingehalten. Die «SonntagsZeitung» hätte jedoch genauer sein müssen.
No-Billag-Studie: Umfrage-Standards seien erfüllt worden
Der kritisierte Artikel in der «SonntagsZeitung». (Bild: persoenlich.com)
von Marius Wenger

Am Sonntag titelten die «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» gross, dass die No-Billag-Initiative zum jetzigen Zeitpunkt mit 57 Prozent angenommen würde (persoenlich.com berichtete). Die zugrundeliegende Studie und deren Interpretation durch die SoZ gerieten danach in die Kritik (persoenlich.com berichtete). Insbesondere wurde bemängelt, dass über 65-Jährige sowie der Kanton Tessin nicht berücksichtigt wurden – und dies in der SoZ nicht zu lesen war. Armin Müller, Mitglied der «Tagesanzeiger»- und «SonntagsZeitung»-Chefredaktion, räumte zwar teils Fehler ein, verteidigt aber die Studie als solches: «Die Umfrage wurde nach den üblichen Umfragestandards durchgeführt.»

Nicht Anzahl Umfrageteilnehmer, sondern Genauigkeit entscheidend

Dieser Meinung ist auch Ursula Kaspar von Marketagent.com Schweiz, die die Umfrage durchgeführt hat: «Die Standesregeln des Verbands Schweizer Markt- und Sozialforschung (VSMS) zu politischer Forschung wurden eingehalten. Dazu gehören die Stichprobengrösse von über 1000 Personen und mindestens 100 Stimmwillige pro ausgewiesenem Segment», sagt sie gegenüber persoenlich.com.

Dass Studien mit deutlich mehr Teilnehmern zu seriöseren Ergebnissen führen würden, stimmt laut Ursula Kaspar nicht: «Eine Samplegrösse von 10'000 verringert den Stichprobenfehler nur geringfügig gegenüber dem 1000er-Sample.» Primär sei zudem nicht die Grösse der Stichprobe ausschlaggebend für die Qualität der Generalisierbarkeit auf die untersuchte Population, sondern die Genauigkeit der Bevölkerungsabbildung.

Diese war gemäss Jürg Gujan, Geschäftsführer und Studienverantwortlicher bei Marketagent.com Schweiz, gegeben: «Die Teilnehmer sind Teil unseres Umfragepanels und wurden zufällig selektiert nach den Quotenvorgaben für Alter, Geschlecht und Region, entsprechend der Verteilung der Schweizer Bevölkerung in diesen drei Kriterien.»

Michèle Ernst Stähli, Vorstandsmitglied und Verantwortliche für das Ressort Methoden beim VSMS, bestätigt gegenüber persoenlich.com: «Die Standesregeln wurden alle eingehalten.» Zwar werde der Fehlerbereich bei kleinerer Gruppe grösser, doch ein grösseres Sample hätte in diesem Fall die Mehrheitsverhältnisse kaum verändert. «Aus statistischer und methodischer Sicht ist, aufgrund der vorhandenen Informationen, nichts zu bemängeln», sagt die Sozialwissenschaftlerin vom Forschungsinstitut FORS in Lausanne.   

«Hätten SoZ noch stärker darauf hinweisen müssen, wer befragt wurde»

Die Erhebung wurde im Rahmen einer Mehrthemenumfrage gemacht. Eines dieser Themen war dabei die No-Billag-Initiative. «Die Fragen dieses Themenblocks wurden stimmberechtigten Personen der Deutsch- und Westschweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren gestellt», so Gujan. Neben den Fragen zu «No Billag» sei es um Themen wie Werbung, Versicherungsdienstleistungen und Onlineportale gegangen. «Die Befragten waren somit nicht beeinflusst durch das Thema.»  

In der Auswertung wurden nur diejenigen berücksichtigt, die angaben, an der Abstimmung tatsächlich teilzunehmen – eine durchaus gängige Praxis, auch bei renommierten Meinungsforschungsinstituten wie beispielsweise dem GfS Bern. Jedoch hätte die SoZ auch dies kenntlich machen sollen.

Auf die Frage, ob er rückblickend etwas anders gemacht hätte, antwortet Gujan: «Wir hätten die SoZ und ‹Le Matin Dimanche› noch mehr darauf hinweisen sollen, dass die Aussagen für die Stimmberechtigten der deutschen und französischsprachigen Schweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren gelten und dies im Artikel auch so ausgewiesen wird, damit keine Verwirrung entsteht.»



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Kommentare

  • Kurt Heller, 16.12.2017 16:24 Uhr
    Wenn man bei einer Studie über No Billag die über 65 jährigen und den Tessin nicht einschliesst (wichtige Zielgruppen in dieser Sache), entspricht diese Studie in keiner Weise den berufsethischen Standards. Dies kann nur so erklärt werden, dass das Resultat bewusst verfälscht wird, um eine Annahme der No Billag zu suggerieren. Es geht nicht um die Grösse der Stichprobe, sondern um eine bewusste Verfälschung der Stichprobe. Das ist Manipulation!
  • Nico Herger, 07.12.2017 15:05 Uhr
    @Michael Schütz: Reine Polemik! Zeitungen, Zeitschriften, Internet, ausländische Sender - und dies alles erst noch in viel besserer Qualität.
  • Michael Schütz, 07.12.2017 13:49 Uhr
    Spätestens wenn keine Rundschau, kein Einstein, keine Börse, keine Arena mehr erscheint. Spätestens dann wenn es nur noch Einheitsbrei System RTL Pro 7 +CO gibt (bis vor kurzer Zeit brachten die nicht mal eine schweizer Wetterkarte) denken die Stimmbüger nach, ob sie klug gestimmt haben.
  • Dieter Widmer, 07.12.2017 09:15 Uhr
    Sorry, das ist für mich billige Stimmungsmache. Wenn die SonntagsZeitung ein seriöses Umfrageresultat hätte präsentieren wollen, hätte sie die Umfrage breiter abstützen und auch die über 65-Jährigen und das Tessin befragen müssen. Aber so ist es für mich nicht seriös.
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