06.06.2017

Digital News Initiative

Wenn die Storys von den Lesern kommen

Im Juni wird die Webseite der «Tageswoche» einem Relaunch unterzogen. Gleichzeitig geht damit die definitive Version der Web-Applikation «Stadtgespräch» an den Start. Für die Entwicklung dieses Leser-Input-Tools hat die «Tageswoche» von Google 30'000 Franken erhalten.
Digital News Initiative: Wenn die Storys von den Lesern kommen
von Christian Beck

Warum gibt es kaum mehr alkoholfreie Restaurants wie Tea-Rooms in Basel? Diese Frage beschäftigte ein Leser der «Tageswoche». Und prompt ist daraus der erste Artikel im Rahmen des neuen Formates «Stadtgespräch» entstanden.

Frage

Das «Stadtgespräch» ermöglicht den Lesern, ganz am Anfang einer Geschichte zu stehen. Der Leser bringt die Ideen, noch bevor ein journalistischer Prozess entsteht. «Wir erhoffen uns von diesem Projekt einen Journalismus auf Augenhöhe, bei dem Leser nicht bloss Konsumenten sind, sondern als Ideengeber und Wissensträger agieren können», schreibt der Journalist und Coder Felix Michel auf der Webseite. Im März wurde ein rudimentärer Testlauf gestartet und nach Inputs gefragt.

Tool

Eingegangen sind 30 konkrete Fragen. Sechs davon wurden von der «Tageswoche» ausgewählt, um diese weiterzuverfolgen – so wie jene Frage nach den alkoholfreien Restaurants. «Wir waren überwältigt vom Echo und von der Qualität der eingegangenen Fragen und Inputs», schreibt Redaktionsleiter Gabriel Brönnimann.

Die Idee von «Stadtgespräch»

Das «Stadtgespräch» ist – ausgehend von der Idee eines «user generated storyboards» – eine Web-Applikation, die es registrierten Nutzern ermöglicht, Inputs in Form von Fragen, Ideen oder Beobachtungen zu geben. «Um im Vorfeld ein Signal zu kriegen, wie interessant diese Inputs für eine breitere Leserschaft sind, lassen wir die Leser in regelmässigen Abständen darüber abstimmen, welche davon als nächstes aufgenommen werden sollen», sagt Thom Nagy, Digitalstratege der «Tageswoche», zu persoenlich.com. Aus dieser Grundidee sei im Laufe des Projektes ein umfassendes System entstanden, das neue Möglichkeiten für die Interaktion mit den Lesern biete.

Die Umsetzung des «Stadtgesprächs» findet im Rahmen eines umfassenden Relaunch-Projektes statt, das die «Tageswoche» mit der deutschen Digitalagentur Palasthotel durchführt. «Abgesehen von den üblichen Schwierigkeiten in einem solch komplexen Projekt, liefen die Entwicklungsarbeiten zu unserer Zufriedenheit», so Nagy. Trotzdem wurde im Testlauf bereits ein Mangel entdeckt: «Beim ersten Prototyp haben wir keine E-Mail-Adressen gesammelt und konnten deshalb auch keine Rückfragen an die Input-Geber stellen. Das wird in der definitiven Version anders sein», sagt der Projektverantwortliche.

Die definitive Version soll in den nächsten Wochen zusammen mit dem Relaunch von tageswoche.ch veröffentlicht werden. Das Tool «Stadtgespräch» wurde als Open-Source-Modul für Wordpress veröffentlicht, damit dieses auch von anderen Redaktionen genutzt werden kann.

Stadtgespräch_Screen

Warum aber braucht es überhaupt eine Web-Applikation, um Leser-Inputs abzuholen? Hätte nicht ein einfacher Hinweis auf der Webseite gereicht? «Wir wollten nicht einfach nur ‹Leserreporter›, die einen Input abgeben. Wir wollen, dass der gesamte Prozess nachvollziehbar ist», sagt Nagy. Vom Input über die Leserabstimmung bis zum Ergebnis werde beim «Stadtgespräch» alles transparent dargelegt. «Ziel ist es für uns als kleine Lokalredaktion, eine nähere Beziehung zu unseren Lesern aufzubauen. Mit diesem Tool kann das gelingen», so Nagy weiter. Ausserdem könne die Web-Applikation künftig auch als Storytelling-Element in Artikeln verwendet werden, da es komplett ins neue CMS integriert wird.

Mit Googles Hilfe realisiert

Die «Tageswoche» hat die Web-Applikation «Stadtgespräch» mit einer Finanzspritze von Google realisiert. Im letzten Herbst wurde das Projekt bei der Digital News Initiative (DNI) eingereicht (siehe Mock-up unten). Mit der Initiative verfolgt Google laut eigenen Angaben das Ziel, zusammen mit europäischen Medienhäusern «qualitativ hochwertigen Journalismus in Europa durch Technologie und Innovation zu fördern».

Mockup

Die Zusammenarbeit mit Google war laut Nagy «insgesamt sehr angenehm und unkompliziert». «Profitiert haben wir weniger von Googles Know-how, als von den finanziellen Ressourcen, die uns ein Feature ermöglicht haben, das wir sonst wohl nicht gebaut hätten», sagt Nagy. Die «Tageswoche» hat von Google 30'000 Franken erhalten. Als Bedingung mussten regelmässig Reports erstellt werden.


Neben der «Tageswoche» haben auch die NZZ, die AZ Medien und Scitec-Media, ein Unternehmen für Wissenschaftsjournalismus, im Rahmen der DNI Fördergelder von Google erhalten. persoenlich.com hat bereits über die Nachrichten-App «NZZ Companion», das Petitionsportal Petitio der AZ Medien und den «Multicle» von Scitec-Media berichtet. Die Serie ist damit abgeschlossen.

 

 



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