04.03.2015

Carlos Leal

"Und dann macht’s 'booom!'"

Früher war er Rapper. Dann war er als Chef de Partie im James-Bond-Streifen "Casino Royale" zu sehen. Dann stellte er sich für UPC Cablecom in den Windkanal und holte den grossen Strohhalm aus dem Jackett. Jetzt macht Carlos Leal, 45, aufgewachsen in Renens bei Lausanne, derzeit wohnhaft in Los Angeles, wieder Musik – und zwar im Flüsterton. Ein Gespräch über seine verschiedenen Leben und den Traum vom ganz grossen Durchbruch.
Carlos Leal: "Und dann macht’s 'booom!'"

Carlos Leal, in der Schweiz sind Sie omnipräsent: Als Schauspieler, als Werbefigur und jetzt auch wieder als Musiker. Eine Strategie? Sind Sie ein guter Geschäftsmann?
Nein, das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich will mir nicht den Kopf über Zahlen und Marketingstrategien zerbrechen. Davon habe ich keinen Plan. Ich will nur an die Kunst denken.

"Reflections", ihr Solodebüt als Musiker, geht nicht einfach so als Popmusik durch. Die Musik hat etwas Hypnotisches, Düsteres, Discoides. War es eine Herausforderung dieses Produkt an Sony Music zu verkaufen?
Nein. Weil ich schon einen Namen habe. Wegen Sens Unik und unserer Erfolge in der Vergangenheit. Musikalisch ist es das Ehrlichste und Persönlichste, was ich je gemacht habe.

Ihr Ziel als Solokünstler?
Gut, eines ist schon erreicht: Ich habe das Album fertiggestellt. Jetzt sollten sich die Leute darauf einlassen. Ich will nicht, dass die Leute sich das Album einfach anhören. Ich will, dass sie alle anderen Tätigkeiten einstellen und tief darin versinken. Sie dürfen sich gerne auch einen dicken, fetten Joint dazu anzünden.

Wer sind Ihre Partner bei diesem Projekt?
Neun Stücke sind gemeinsam mit dem Produzenten Mark Tschanz entstanden. Er macht sonst vor allem Soundtracks – und ich glaube, das hört man seiner Musik auch an. Um dem Ganzen noch etwas Nachtclub-Feeling zu geben, habe ich ausserdem mit Ronald Kaufman alias Kauf kontaktiert. In den USA ist er ein aufgehender Star am Himmel der elektronischen Musik.

Ihr Album heisst wie gesagt "Reflections" und im Video zu "Disco Ball" verwandeln Sie sich schlussendlich in eine Discokugel. Ist dies auch ein Album über Ihren Wohnort LA – eine Stadt, in der vieles nicht fassbar ist und viele Reflektionen herumwandeln?
Klar, die Stadt hat sicher auch als Inspiration gedient. Als ich in Los Angeles ankam, wurde ich mit einem Lebensstil konfrontiert, an den ich mich erst gewöhnen musste. Ich musste mich fragen: Passe ich in diese Welt? Kann ich hier überleben?



Und?
Ja, ich kann. Man muss eben unterscheiden zwischen Hollywood und Los Angeles. Das sind zwei verschiedene Welten. Für mich hatte die Konfrontation mit diesen bizarren Welten auch etwas Gutes. Ich musste mir darüber klar werden, wo ich im Leben stehe, wer ich bin und wo ich hinwill. Den Plan ein Soloalbum zu machen, hatte ich schon seit Ewigkeiten. Aber ich hatte nie die Eier dazu. Oder die Zeit –  ganz wie man’s betrachtet. In LA merkte ich dann: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Und wie Sie hören können, sind meine Einflüsse nicht die Palmen, die Stars und Sternchen und der Sonnenschein.

Eher das Gegenteil!
Genau! Das Thema heisst eher "Ghost City", wie eines meiner Stücke. Und das gefällt mir. Ich finde, in der dunklen Seite einer Stadt steckt eine Poesie. Eine Poesie, um die man für gewöhnlich einen weiten Bogen machen würde. Aber mir gefällt sie. Ich bin ein Fan von Francis Bacon.

Wird man in LA zum Einzelgänger?
Ja. Nirgends wird man so schnell zum Einzelgänger wie in LA. Aber ich habe ja eine Familie, ich habe die Arbeit, ich habe ein gutes Umfeld.

Viele Schweizer!
Ja, erstaunlich viele Schweizer!

Machte es denn Sinn für Sie?
Ja, das machte es. In erster Linie, weil ich dieses Album gemacht habe. Zweitens weil ich doch immer wieder Arbeit habe. Drittens weil ich seltsamerweise immer wieder gute Aufträge aus der Schweiz und Europa kriege nur weil ich in Los Angeles wohne. Klingt komisch, ist aber so. Natürlich auch, weil sie mich für einen guten Schauspieler halten. Aber wegen meinem Wohnort rangiere ich weiter oben auf der Liste.



Sie scheinen es zu mögen sich immer wieder selber herauszufordern.
Ich bin in meinem Leben immer wieder Risiken eingegangen. Ich bin von Lausanne nach Paris gezogen, dann nach Madrid, dann nach Los Angeles. Mit 40 nach LA zu ziehen, das ist schon recht speziell. Manche Leute würden einen dafür für verrückt erklären. Aber ich hab’s gemacht. Und ich will nicht sagen, dass ich’s dort geschafft habe, aber ich bin immerhin das Risiko eingegangen.

Was machen Sie denn da so?
Ich spreche für die ganz grossen Kisten vor. Wirklich die ganz grossen Dinger. Und alles kann passieren. Ich könnte schon morgen für ein Vorsprechen eingeladen werden und einen Vertrag unterschreiben. Und dann macht’s "booom!". Darum: Wieso sollte ich es nicht weiter probieren? Solange ich Europa und die Schweiz nicht vergesse – und das tue ich ja nicht: Ich spiele bei "Der Bestatter" und bei "The Team" mit – ist da nichts Schlechtes dran.

"The Team" hab ich mir am vergangenen Samstag angeschaut. Sie spielen eine ziemlich düstere Figur.
Ja, ziemlich düster! Das fertige Produkt habe ich allerdings selber noch gar nicht gesehen. Aber ich glaube, das kommt nicht allzu schlecht. Die Dänen können sowas.

Können Sie verstehen, dass Sie den Leuten als schlürfender Cablecom-Typ zuweilen auf die Nerven gehen?
Ja, das kann ich verstehen. Eine heikle Sache. Das ist halt Werbung. Ich finde die Spots an sich gut, sonst hätte ich sie nicht gemacht. Aber man kann ja dann nicht sagen: Bitte nur fünfmal ausstrahlen. Das Unternehmen will ja, dass das gesehen wird.

Haben Sie lange gezögert als 2011 die Anfrage von UPC Cablecom kam?
Keine Sekunde! Und das nur aus einem Grund: Ich finde die Grundidee der Spots lustig, cool und anders. Mittlerweile machen viele Marken in ganz Europa genau das Gleiche. Und die meisten dieser Spots finde ich eher mittelmässig.

Ich nehme an, Sie hatten schon etliche Angebote als der Welt der Werbung.
Ja, das ist so. Und zwar für alles Mögliche: Für Geschirrspülmaschinen, für Supermärkte, für Rasenmäher – und ich habe sie alle abgelehnt. Das hätte nicht zu mir gepasst. Und die Ideen dahinter waren nicht gut. Aber wenn ich als Schauspieler Werbung für einen Internetprovider, Kabelnetzbetreiber und Entertainment-Lieferanten mache, dann macht das in meinen Augen Sinn. Ausserdem geben sie mir die Möglichkeit witzig zu sein.

Gerade ist ein neuer Spot erschienen. Sie werden das also noch eine Weile machen.
Eine Weile sicher noch, ja. Aber nicht mein Leben lang.

Interview: Adrian Schräder//Bilder: © Tim Dobrovolny


Das Album "Reflections" (Sony Music) von LEAL ist bereits erscheinen.



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