11.07.2014

Samih Sawiris

Der Mittelsmann mit den Mitteln

Der 57-jährige Samih Sawiris ist einer der spannendsten Unternehmer der Schweiz.
 Der Ägypter eröffnete im vergangenen Jahr entgegen allen Befürchtungen das Hotel The Chedi 
in Andermatt, eines der luxuriösesten Projekte der letzten Jahrzehnte. "persönlich" hat
 sich vor Ort mit Samih Sawiris über die ägyptische Revolution, die Masseneinwanderungsinitiative und vor allem "sein" Andermatt-Projekt unterhalten.
Samih Sawiris: Der Mittelsmann mit den Mitteln

Herr Sawiris, Sie bewegen sich ständig
 zwischen Afrika und Europa. Wie muss man 
sich Ihr Leben eigentlich vorstellen?

Ich bewege mich ständig zwischen drei Ländern. In der Schweiz ist jede Sekunde durchgeplant. Ich weiss bereits im Vorfeld, wen ich wann wo treffen werde. Das Leben in London hingegen ist eher locker. Dort habe ich zwar auch ein Büro, aber viel weniger Termine. Am stressigsten ist es in meiner Heimat Ägypten, wo das nackte Chaos herrscht. Am Abend weiss ich jeweils noch nicht, was mich am nächsten Tag erwartet.

In Westeuropa hat man den Eindruck, dass 
in Ägypten die Anarchie ausgebrochen sei.
Dieses Bild ist falsch, obwohl dies die westlichen Medien gerne so sehen. So wurde die Machtübernahme durch die Militärs stark kritisiert. In Wirklichkeit ging die Bevölkerung auf die Strasse und übte Druck auf die Militärs aus, um die Moslembrüder, welche vom Militär installiert worden waren, wieder wegzuschaffen. Die Welt hat nicht gerne gesehen, dass die sogenannt demokratisch gewählten Moslembrüder wieder gestürzt wurden. Doch dies war gar keine richtige Demokratie, dies war das nackte Chaos. Unter dem soeben gewählten Präsidenten Sisi sollte es jetzt besser werden.

Ihre Familie hatte früher immer sehr gute Kontakte zur ägyptischen Regierung, vor allem aber zu Präsident Mubarak. Ist dies heute immer noch so?
Ich hatte nie einen direkten Kontakt zu Mubarak, aber er hat regelmässig unsere Projekte besucht. In diesem Zusammenhang lernte ich ihn kennen. Ich habe eine Stadt mit 25'000 und eine mit 35'000 Einwohnern gebaut. Für einen Politiker, der wiedergewählt
 werden will, ist es wichtig, sich dort zu zeigen.
 Unsere Familie hat den direkten Draht zu
den einzelnen Regierungsmitgliedern aber immer vermieden. Unter anderem weil wir uns nicht abhängig machen wollten. Wir wol­len auch in 30, 40 oder 50 Jahren noch in Ägypten leben und arbeiten, gleichzeitig aber auch nicht verlieren, was wir erarbeitet ha­ben.

Hat sich nach der Absetzung der Moslembrüder die Lage in Ägypten beruhigt?
Die Solidarität in Ägypten zwischen Bevölkerung, Militär, Polizei und Regierung war in den letzten 30 Jahren noch nie so gross wie heute. Die schrecklichen Ereignisse der letzten Monate haben unser Volk zusammengeschweisst. Mittlerweile sind sich 95 Prozent der Ägypter in politischen Fragen einig. Das gab es auch unter Mubarak noch nie. Damals liess er die Wahlen manipulieren, damit ein stimmiges Resultat zustande kam.

Wie viel hat Sie der Arabische Frühling
bis jetzt gekostet?

Zuerst meine schwarzen Haare (lacht). Eigentlich ist es meine Grundüberzeugung, jeglichem Stress aus dem Weg zu gehen. Doch die letzten drei Jahre seit dem Sturz von Mubarak waren der blanke Horror.

Schlimmer als in Andermatt?
(Lacht.) Gegen die ägyptische Revolution war Andermatt ein Kinderspiel.

Untertreiben Sie nicht ein bisschen? Viele Leute in der Schweiz glaubten gar nicht da­ran, dass das Hotel The Chedi jemals fertig würde. Jetzt ist dies der Fall. Verspüren Sie nun Genugtuung?
Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass das Hotel The Chedi fertiggestellt und un­seren Gästen gefallen würde. Mittlerweile muss ich niemandem mehr etwas beweisen. Vorher war es grauenhaft: Nach jeder Horrormeldung aus Ägypten titelte am nächsten Tag irgendeine Schweizer Zei­tung, dass Andermatt am Ende sei. Dabei hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun.

Wie haben die Leute in Andermatt auf solche Schreckensmeldungen reagiert?
Die Andermatter haben mir immer getraut. Sogar diejenigen, die gezweifelt haben, glaubten mir. Keiner hat an meinen guten Absichten gezweifelt. Viele befürchteten aber, dass ich nach den Unruhen in Ägypten finanziell am Ende sei und somit nicht mehr imstande, das Ganze zu beenden. Doch das ist immer noch besser, als wenn man mir unterstellt hätte, ich würde mich einfach so aus dem Staub machen.

Woher haben Sie das Geld bekommen?
Ich habe das Geld durch Aktien und andere Wertpapiere persönlich abgesichert. Die Banken gehen dadurch überhaupt kein Risiko ein. Es ist schade, dass ausgerechnet die Banken, die die Finanzkrise verursacht haben, sich mit ihrer innovationsfeindlichen Haltung weigern, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Mehr noch, durch diese Haltung wird die Rezession sogar noch beschleunigt.

Aber Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich, dass Andermatt der neue Jetset­-Ort wird?
 
Es war niemals mein Bestreben, aus Andermatt einen Jetset­-Ort zu machen. 
Eigentlich mag ich solche Plätze auch nicht, da sie schnell hoch, aber auch schnell runtergehen können. Wir wollen einen idealen Besuchermix: Neben einem Chedi braucht es eine Jugendherberge, Viersternhotels und auch Familienpensionen. Eine gesunde Destination lebt nicht nur von reichen Leuten. Dies ist seit über 20 Jahren auch das Erfolgsgeheimnis von El­-Gouna, meiner Feriendestination am Roten Meer, welche ich 1989 startete. Dort gibt es neben Privatpersonen, die sich für 30'000 Franken eine Wohnung kauften, auch Superreiche, welche für 13 Millionen Dollar eine eigene Insel erwarben.

Aber was könnten Sie in Andermatt noch besser machen?

(Energisch.) Wir haben in Andermatt noch fast gar nichts gemacht. Das Chedi ist lediglich der erste Schritt und der Beweis, dass wir es mit unserem Projekt auch ernst meinen.

Wann ist dann Ihr Projekt in Andermatt beendet?
Gegenfrage: Wann ist Zürich fertig gebaut? Meine Projekte haben nach 30 Jahren immer noch das Potenzial, weiter zu wachsen. Dies gilt auch für Andermatt. Wenn es richtig läuft, wird weitergebaut. Dies garantiert auch Arbeitsplätze.

Wie viele Leute beschäftigen Sie momentan in Andermatt?

Hunderte. Mein Ziel ist es aber, dass eines Tages in Andermatt mehr Leute beschäftigt werden, als es heute Einwohner hat, also 1'200 Menschen. Ich realisiere, dass mo­mentan viele Andermatter in ihre Heimat zurückkehren. Dies ist eine äusserst positive Entwicklung. 1'200 Einwohner reichen aber nicht, um eine Gemeinde langfristig am Leben zu erhalten. Soeben hat die letzte Apotheke geschlossen, weil sie zu wenig Kunden hatte.

Sie beschäftigen sich als Ägypter viel mit Andermatter Dorfproblemen. Fühlen Sie sich manchmal nicht wie in einem falschen Film?
Nein, im Gegenteil. Es ist wie in der Liebe, sobald man sich auf etwas einlässt, trägt man auch Verantwortung für den Partner.

Wann waren Sie eigentlich erstmals in Andermatt?
Ich wurde vor sieben oder acht Jahren nach Andermatt eingeladen. Man wollte von mir wissen, wie man die Region touristisch wieder auf Vordermann bringen könne. Dabei hatte ich die Rolle eines Consultants und nicht diejenige eines Investors.

Dann war es Liebe auf den ersten Blick? 
(Lacht.) Ja, es hat zwischen Andermatt und
 mir sofort gefunkt. Ich habe realisiert, dass 
es hier sehr viel freies Land gibt, das man 
bebauen kann. Gleichzeitig befindet sich einer der besten Flughäfen, Zürich­-Kloten, in einer Entfernung von anderthalb Stunden. Aber am allerwichtigsten war, es gab nie­manden, der auf die gleiche Idee gekommen ist wie ich.

Warum? Konkurrenz belebt doch das Geschäft.
Trittbrettfahrer sind die gefährlichsten Konkurrenten. Es besteht das Risiko, dass ein Mitbewerber floppt und damit den schönen Brand Andermatt zerstört. Glücklicherweise ist dies nicht passiert.

Für einen Wintersportort ist doch entschei­dend, dass es genügend Pisten gibt.
Dank der Fusion der beiden Skigebiete Andermatt und Sedrun ist es uns gelungen, dieses Problem zu beheben. Doch dies war eine anstrengende Geschichte. Ich habe in einem Vortrag einmal als Witz gesagt: "Sollte es mir gelingen, die Skigebiete Andermatt und Sedrun zu fusionieren, ist meine Aufgabe hier erledigt. Dann kann ich mich mit der Lösung des Nahostkonfliktes beschäftigen, was weitaus einfacher ist (lacht)."

Wie haben Sie dann den Konflikt zwischen Andermatt und Sedrun gelöst?
Ich bin ein Mittelsmann, der auch mit Mit­teln kommt. Dies erleichtert vieles.

Im vergangenen Februar wurde in der Schweiz die Masseneinwanderungsinitiative angenommen. Haben Sie Verständnis dafür?
Ich hätte der Initiative auch zugestimmt, wenn ich gekonnt hätte. Und ich sage Ihnen, warum. In der Schweiz sind Ausländer ja grundsätzlich sehr willkommen. Es gibt viele Länder, in denen die Ausländer nicht willkommen sind. Im Augenblick empfinden die Schweizer die Ausländer noch nicht als Bedrohung. Doch dies kann sich schnell ändern, wenn plötzlich 30 oder gar 40 Prozent aller Einwohner aus dem Ausland stammen. Dann kann es sehr ungemütlich werden. Egal, ob sie zu den guten oder weniger guten Ausländern gehören. Ich möchte nicht den Tag erleben, wo ich in der Schweiz nur noch wegen meiner Person toleriert werde.

Warum wollen alle in die Schweiz?
Es ist doch logisch, dass viele Menschen aus 
der EU und auch von ausserhalb ihr Glück
 in jenem Land suchen, in dem es am besten
 läuft. Und wo läuft es am besten? In der
 Schweiz. Diese Initiative sorgte dafür,
 dass jene Ausländer, die hier willkommen
 sind, auch weiterhin willkommen bleiben. Gleichzeitig verunmöglicht sie es anderen Ländern, ihre unerwünschten Bewohner in die Schweiz abzuschieben. Die Gegenseite hat ziemlich aggressiv argumentiert. Viele Menschen glaubten, dass alle Ausländer ausgewiesen würden, was natürlich ein völliger Blödsinn ist.

Sie sprechen immer von "wir". Fühlen Sie sich mittlerweile als Schweizer?

(Lacht.) Nein, nein, ich bleibe Ägypter. Man kann sich in meinem Alter nicht plötzlich ändern. Bezüglich Ordnung und Disziplin herrscht in der Schweiz eine völlig andere Mentalität als bei uns. Aber in Andermatt fühle ich mich mittlerweile nicht mehr als Gast, sondern fast schon als Einheimischer. Bernhard Russi, der wohl berühmteste Andermatter überhaupt, ist bei uns im Verwaltungsrat, worauf ich sehr stolz bin.

Rückblickend gesehen: Haben Sie auch Fehler gemacht?
Nein, in Andermatt würde ich alles gleich machen. Aber wir hatten enormes Pech. 2006 habe ich den Andermattern das Versprechen abgegeben, dieses Projekt durchzuziehen. 2008 wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Anfänglich sah es gar nicht so schlecht aus. Aber die Finanzkrise hat viel tiefere Spuren hinterlassen, als man gemeinhin glaubt. Die Banken wurden lahmgelegt und zeigen sich, wie ich vorhin erwähnt habe, bis heute nicht mehr richtig kooperativ. Diese Entwicklung war für die Finanzierung des Hotels The Chedi sehr schmerzhaft. Gleichzeitig plagte uns in Ägypten die Revolution, wir hatten die Zweitwohnungsabstimmung, Opposition ge­gen die Zusammenführung der Skigebiete Andermatt und Sedrun usw. Kennen Sie den Film "The Perfect Storm"? Das habe ich erlebt.

Trotzdem haben Sie Ihren Optimismus nicht verloren.
Wären wir mit diesem Projekt drei Jahre früher gestartet, gäbe es heute in Andermatt bereits zwei Hotels und dreimal mehr Häuser von uns. Dann hätten wir das gute Image, das wir anfänglich hatten, auch nicht zwischenzeitlich verloren. So mussten wir uns während zwei Jahren mit negativen Schlagzeilen und Besserwissern herumschlagen.

Interview: Matthias Ackeret // Bilder: Marc Wetli

Das vollständige Interview finden Sie in der aktuellen "persönlich"-Printausgabe



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