04.05.2004

"Roger E. Schärer, wie gewinnt man Prominente?"

Am Dienstagabend wurde der renommierte Gottlieb Duttweiler Preis an den deutschen Aussenminister Joschka Fischer verliehen. Der Anlass sprengte den Rahmen des Gewöhnlichen, zugegen war Prominenz aus dem In- und Ausland. Verantwortlich für diese Grossveranstaltung war Roger E. Schärer, Senior Executive Adviser des GDI und lange Jahre "Aussenminister" von Winterthur-Chef Peter Spälti. Sein ausgezeichnetes Netzwerk ermöglichte es dem Winconference-Erfinder, Persönlichkeiten wie Norman Schwarzkopf, Rudolph Giuliani oder Colin Powell als Redner zu verpflichten. "persoenlich.com" hat mit Schärer gesprochen. Das Interview:
"Roger E. Schärer, wie gewinnt man Prominente?"

Wie schaffen Sie es, so prominente Gäste zu Ihren Veranstaltungen zu bringen?

Das ergibt sich immer als Synergieprodukt. Als beispielsweise der russische Präsident Primakow kam, wollten wir mit ihm eigentlich über den russischen Versicherungsmarkt sprechen. Dass er vor Publikum auftrat, war ein "Added Value", ein Teil des Unternehmensvorgangs. Ebenso verhielt es sich mit Vaclav Klaus aus Tschechien, wo wir eine Lizenz wollten, oder mit der chinesischen Aussenhandelsministerin. Die prominenten Auftritte sind so Teil der Unternehmenskommunikation.

Damit sind so hochkarätig besetzte Veranstaltungen also ein Privileg grosser Unternehmen?

Ja, man braucht eine ganz grosse Kiste im Rücken, für eine kleine Firma wäre das ein Overkill. Das Unternehmen muss international sein und der CEO in der Lage, sich mit einem Premier zu unterhalten.

Ihr Beziehungsnetz ist legendär. Was braucht es, um so etwas aufzubauen?

Ein solches Netzwerk ist eine Persönlichkeitsfrage und braucht Zeit, ein Dreissigjähriger ist da noch viel zu jung. Ich selber habe dreissig Jahre daran gearbeitet, inzwischen bin ich ja pensioniert. Doch nachdem ich kein Buch schreiben will, pflege ich meine Beziehungen eben aktiv weiter (lacht) -- neuerdings übrigens auch für die Unicef, wo ich unentgeltlich als Special Advisor arbeite. Da ist eine ganz grosse Sache in Vorbereitung.

Gibt es Tricks, um die Berühmten für seine Projekte zu gewinnen?

Nein, die gibt es nicht. Wichtig sind Menschlichkeit, Menschenkenntnis, Bescheidenheit und Kontaktfreude -- man muss auf die Leute zugehen und die Beziehung mit ihnen intensiv pflegen können. Für Colin Powell habe ich beispielsweise einmal bei der Fahrradfabrik Villiger zwei Velos herstellen lassen, die ich ihm und seiner Frau geschenkt habe -- er sollte sich ja mehr bewegen. Nun denkt Powell jedesmal an mich, wenn er das Rad nimmt. Oder Deng Xiaoping: Weil ich wusste, dass er in Paris studiert hatte, schenkte ich ihm zum Neunzigsten Käse. Deng war schätzungsweise der einzige Chinese, der Käse mochte (lacht). -- Von Bedeutung war für mich aber auch immer, dass man das Unternehmen, für das man tätig ist, versteht. Und schliesslich muss man sein Land lieben.

Warum das?

Wir haben ein Milizsystem. Darum habe ich auch den Expo-Tag in Murten mit den Bundesräten Deiss und Schmid organisiert, es ergaben sich aus meiner Armeetätigkeit Synergien. Die kurzen "Vernetztheiten" sind etwas, das ich an der Schweiz sehr schätze.

Im Gegensatz zu den Verhältnissen im Ausland. Wie kommt man denn dort an Prominente?

Meine schönste Geschichte erlebte ich mit dem damaligen russischen Staatschef Michail Gorbatschow. Er interessierte mich als Transformationsfigur, ich wollte wissen, wie man sich so verändern und entwickeln kann. Mir war zu jener Zeit aber bekannt, dass Ernst Mühlemann ebenfalls an "Gorbi" als Redner interessiert war. So kaufte ich einen Schlafsack, bezahlte dem Wachmann hundert Dollar und schlief drei Nächte vor Gorbatschows Türe. Als der dann am Sonntagmorgen kam, schimpfte er erst. Ich grüsste ihn und erklärte, dass ich ihn gerne für unsere Winconference hätte. Und "Gorbi", nachdem er zuerst überrascht war, unterschrieb den Vertrag...

Wie gehen Sie bei der Auswahl Ihrer Gäste vor?

Mein Prinzip ist das der "drei H": ein Hirn, ein Herz und eine Hand. Dabei beginne ich mit einer militärisch klaren Lagebeurteilung: Wo liegt das Problem? Bei den Vorbereitungen im vergangenen Herbst schien mir Europa das primäre Problem der Schweiz. Danach habe ich begonnen, in meinem Hirn zu kramen, welche Gäste in Frage kommen. Dazu braucht es Herzblut. Darauf folgte die Umsetzung.

Die Bedeutung von Events für Unternehmen nimmt zu. Welche Voraussetzungen gelten für den Erfolg?

Der Event muss in die Strategie der Unternehmenskommunikation passen und es muss die höchste Führungsebene beteiligt sein. Der Anlass muss gegen aussen eine Werthaltung und eine Botschaft beinhalten, die zum aktuellen Umfeld und der aktuellen Situation des Unternehmens passt. Als wir beispielsweise den New Yorker Bürgermeister Rudi Giuliani einluden, bestand bei uns eine Führungskrise. Giuliani sollte nach innen und aussen die Botschaft vermitteln, dass wir uns mit dieser Krise beschäftigten und lernen wollten.

Wesentlich ist für Events aber auch, dass sie einfache Botschaften haben und emotional etwas bewirken. So sollte auf der Bühne zwischen Gast und Präsentator eine Harmonie bestehen. Ich war daher schon immer gegen Formel 1; Motorengebrüll und hübsche Beine, damit hat es sich schon. Unternehmer aber, die eine Veranstaltung besuchen, wollen etwas über ihr aktuelles Umfeld lernen. Deshalb muss es bei guten Veranstaltungen auch Querschläger geben -- was im übrigen wiederum der Grund dafür ist, dass ich Joschka Fischer 1997 zum ersten Mal an die Winconference brachte. Man muss polarisieren, damit beweist ein Unternehmer Mut.

Schliesslich besteht ein Unternehmen nicht nur aus Kader, sondern auch aus Gewerkschaftern und "einfachen Leuten“. Jeder Event muss daher soziale Kompetenz ausstrahlen, zeigen, dass man die Welt und das Leben kennt. Grosse Menschen wie Colin Powell wissen zum Beispiel, wieviel ein Liter Milch kostet. Ein Mühlemann weiss so etwas nicht. Grosse Leute sind bescheiden.



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