05.12.2013

BBC

"Lagerfeuer-Momente werden rarer - dafür grösser!"

Daniel Heaf, Digitalchef von BBC Worldwide, im Interview mit persoenlich.com.
BBC: "Lagerfeuer-Momente werden rarer - dafür grösser!"

Daniel Heaf ist Digitalchef von BBC Worldwide, dem kommerziellen Arm des britischen TV-Senders BBC. Er ist verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung einer einheitlichen und globalen Digital-Strategie. Persoenlich.com hat sich mit dem jungen Briten am Rande des TV 2.0 Summit in Zürich über die Erfolgs-Serie Doctor Who, seine Fernsehgewohnheiten, zukünftige Investitionen der BBC und den TV-Markt von morgen unterhalten.

Herr Heaf, Sie arbeiten bei BBC Worldwide und kennen entsprechend auch den TV-Markt ausserhalb Englands. Welches sind die grössten Unterschiede?
Die Leute wollen komplett andere Inhalte. Es ist deshalb sehr schwierig, etwas produzieren, das überall funktioniert. Gewisse TV-Formate können für den lokalen TV-Markt adaptiert werden, zum Beispiel Sendungen wie "Dancing with the Stars", in England "Strictly come dancing".

Und wo funktioniert das überhaupt nicht? 
Wir haben einige wirklich gute Shows, die speziell für das britische Publikum gemacht sind. Ein Beispiel ist "Springwatch". In der Sendung geht es um Tiere im Garten und um deren Pflege. Es ist eine sehr interaktive Show, Zuschauer können anrufen und Fragen stellen. Aber das funktioniert in Australien natürlich nicht, weil es dort ganz andere Tiere gibt und die Jahreszeiten den unsrigen entgegengesetzt sind.

Dann unterscheidet sich auch Ihre Digital-Strategie je nach Region?
Ja. Wir haben verschiedene Redaktionsteams in den verschiedenen Märkten. Unsere Webseite bbc.com ist für die grössten Märkte gedacht, wir haben unter anderem Redaktoren in New York, Sydney, Singapur und London. Auch das Business-Modell ist ganz anders.

Das heisst?
In Asien gibt es zum Beispiel nicht die gleiche Tradition, was den Besitz von Medien wie DVDs oder MP3-Downloads angeht. Die Menschen haben kaum das Bedürfnis, Medien zu besitzen, darum braucht es dort auch ganz andere Strategien.

Apropos andere Strategien: Ihr Chef Tim Davie sagte kürzlich, dass BBC Worldwide seine ganze, globale Digitalstrategie gründlich überdenken und ändern müsse. Was meinte er damit?
Wir legen den Fokus künftig stärker auf bbc.com, wir sind immerhin die zweitgrösste News-Seite der Welt und haben 65 Millionen Unique Visitors monatlich. Zuvor hatten wir ein paar iTunes-Angebote eingeführt und einige auf dem App-Store. Es ist aber sehr schwierig, dort konstant Publikum zu gewinnen und behalten.

Sprechen Sie von der iPlayer-App?
Jein. Es gibt zwei iPlayer-Typen. In England ist der iPlayer unglaublich erfolgreich. Die internationale Version wird aber wieder eingestellt. Wir planen eine Integration in den neuen internationalen Videodienst auf bbc.com.

Was ist der Vorteil davon?
Wir haben dadurch mehr Informationen über unsere Nutzer. Zudem können wir direkt in Kontakt treten mit unseren Kunden und diese beispielsweise auch besser über Neuigkeiten informieren.


Video: www.internettv.ch

BBC Worldwide steckt in den kommenden drei Jahren mehr Geld in Eigenproduktionen. Die Investitionen werden um 30 Millionen auf 200 Millionen Pfund pro Jahr erhöht. Auf der anderen Seite will die BBC bis 2017 2'000 Leute entlassen. Investitionen auf der einen, Entlassungen aus der anderen Seite: Wie geht das zusammen?
Die BBC ist eine sehr grosse Firma. Wenn BBC Worldwide in Programme investiert ist das eine Entscheidung auf einer kommerziellen Ebene. Man kann dies nicht mit dem Service public vergleichen, wo es Entlassungen geben wird. Das hat nichts mit mir zu tun. Ich kann deshalb auch nichts Genaueres sagen.  

Entlassungen wird es in Zukunft vermehrt geben. Dies sagt jedenfalls Dirk Specht von der FAZ, ein anderer Referent des TV 2.0 Summit. Der TV-Markt werde strukturell eine ähnliche Entwicklung wie Print erleben, so seine These. Da Geschäftsmodelle für digitale Inhalte fehlen, sei kein Wachstum mehr
 da. Gewinnsteigerungen seien nur noch über Einspar- und Konsolidierungsmassnahmen möglich (vgl. Interview mit persoenlich.com). Haben Sie auch Angst davor?
Klar mache ich mir Sorgen. Aber ich denke, wir haben einige Lektionen von der Printindustrie gelernt.

Welche denn?
Wir verschenken unsere Inhalte nicht gratis im Internet und das haben wir auch nicht vor.

Die norwegisch-amerikanische Krimiserie Lilyhammer ist eine Koproduktion zwischen der staatlichen norwegischen Rundfunkanstalt NRK und dem Video-on-Demand-Anbieter Netflix. Wären solche Partnerschaften denn eine mögliche und rentable Zukunftsstrategie für Fernsehsender?
Ja, definitiv. Ich denke, dass Inhalte zukünftig anders aufgeteilt sein werden. Es wird Premium-Inhalte geben, die immer teurer werden. Die Kosten für alle übrigen Inhalte wird man senken müssen.

Momentan laufen die BBC Labs, ein von Ihnen mitinitiiertes Programm, das Startups aus dem digitalen Bereich unterstützt. Was erhofft sich BBC davon?
Das versuchen mit den Labs die britische Kreativität in die Welt hinauszutragen. Wir helfen den Programm-Teilnehmern, mit ihren Startups im globalen Markt Fuss zu fassen. Zudem müssen wir bei der BBC ständig lernen und innovativ sein. Wir profitieren nicht direkt finanziell von den Startups. Wir wollen aber das Aushängeschild für die jungen Ideen sein. Diese haben wiederum die BBC im Rücken und profitieren von finanzieller Unterstützung und unserem Namen.  

Zum Beispiel?
Im Moment unterstützen wir die Firma Foodity. Diese hat eine Technologie entwickelt, die Zutaten aus jedem beliebigen Rezept automatisch in den virtuellen Einkaufswagen von Tesco befördert. GoodFood.com verlinkt in jedem Rezept auf den Online-Supermarkt von Tesco. Wird eine Bestellung generiert, erhält die BBC eine Provision. Das Projekt ist sehr erfolgreich.

Das klingt sehr innovativ. Warum sind die Briten hier oft mutiger als wir Schweizer?
Die BBC wird hauptsächlich durch Rundfunkgebühren finanziert und ist nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen, dadurch kann man mehr ausprobieren. Wir haben natürlich auch eine grössere Reichweite als das Schweizer Fernsehen.

Was heisst das konkret für Ihre Arbeit? Was sind Vor- und Nachteile, wenn man für ein globales Unternehmen arbeitet?
Das grösste Privileg ist es, dass ich sehen kann, wie der TV-Markt in den unterschiedlichen Regionen der Welt funktioniert. Auf der anderen Seite passiert immer so viel, dass es schwieriger ist, Prioritäten zu setzen: Sollten wir uns jetzt auf das Wachstum in Amerika konzentrieren - oder doch eher auf Indien?

Was ist denn Ihr nächstes grosses Projekt?
Der BBC Store, eine Online-Plattform, auf der jeder alles kaufen kann, was die BBC je produziert hat. Wir hoffen, dass wir den Store in jedem Land der Welt anbieten können.

Der Fernseher galt einmal als das moderne Lagerfeuer, vor dem sich die ganze Familie versammelte. Davon bleibt mit Smart- und Social-TV oder auch Ihrem BBC Store nicht mehr viel übrig. Welche Art von "sozial" bevorzugen Sie – als Privatperson und als BBC-Geschäftsmann?
Einerseits finde ich es traurig, dass Leute immer weniger zusammen Fernsehen schauen. Andererseits gibt es sinnvollere gemeinsame Beschäftigungen. Mit dem Wachstum von On-Demand-Inhalten ist es aber so, dass man viel bewusster auswählt, dass man etwas schauen will. Dadurch wird es eine intensivere Erfahrung. Mein Sohn und ich suchen immer gemeinsam aus, was wir schauen wollen und geniessen das dann umso mehr, weil wir die Wahl ganz bewusst getroffen haben. Dieser Akt ist dann sogar sozialer.

Aber Momente, wo alle das Gleiche schauen und hinterher auch darüber diskutieren, gibt es bald nicht mehr.
Solche Momente werden tatsächlich rarer – dafür aber grösser! Ein gutes Beispiel ist Doctor Who, die am längsten laufende Science-Fiction-Serie der Welt. Ende November fand im Londoner Exhibition Center eine grosse Feier zum 50. Jubiläum statt. Tausende Menschen pilgerten täglich durch die riesigen Hallen. Hunderte Kinos zeigten gleichzeitig Dr. Who, Millionen Menschen sahen es. Die Fussball-WM oder der Superbowl sind ähnlich grosse Ereignisse. Es gibt grosse Momente für ein globales Publikum.

Zum Abschluss: Wie wird der TV-Markt der Zukunft aussehen?
Er wird online sein. Es wird weniger Sender und Sendungen geben, wenige globale Player, wenige globale Produzenten und Vertreiber.

Interview: Seraina Etter



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