07.06.2011

Walter de Gregorio

"Ich empfahl Blatter, auf die PK zu verzichten."

Fifa-Berater kritisiert gewisse Journalisten.

Während fünf Wochen amtete der bekannte Journalist Walter de Gregorio als Kommunikationsberater des Fifa-Präsidenten Sepp Blatter (persoenlich.com berichtete). Warum hat er bei der "Witz-PK", wo Blatter einen nicht sehr souveränen Eindruck machte, nicht eingegriffen? "persoenlich.com" hat nachgefragt:

Herr de Gregorio, Gratulation, Ihr Auftrag ist erfüllt: Fifa-Präsident Sepp Blatter wurde am 1. Juni mit einem Glanzresultat wiedergewählt. Inwiefern ist die Wahl auf gute Kommunikationsarbeit zurück zu führen?

Danke für die Glückwünsche, aber die Wahl wurde nicht auf der Kommunikationsebene entschieden, sie ist ein Erfolg des Lobbyings. Es sind 208 Verbandsdelegierte, die den Fifa-Präsidenten wählen. Bei einer politischen Wahl kann der Einfluss der Medien entscheidend sein, nicht aber bei einer solchen Wahl.

Was konkret konnten Sie zur Wiederwahl beitragen?

Unser Beitrag war bescheiden. Wir haben Interviews organisiert und die Medienaktivitäten des Gegenkandidaten beobachtet. Und wir haben den Fifa-Präsidenten sanft beraten.

"Sanft beraten", sagen Sie. Was meinen Sie damit?

Im Wesentlichen ging es dabei um Koordinationsfragen, inhaltlich war das Spiel schnell entschieden. Die Gegenpartei hatte keine überzeugenden Argumente.

Sie blieben stark im Hintergrund. Laut "Sonntag" zu stark, Sie hätten Sepp Blatter "vom Kommunikationsdesaster bewahren sollen". Warum ist dies nicht gelungen?

Ein Tsunami wurde angekündigt, eine leichte Bise kam. Zum Thema Kommunikationsdesaster müssten Sie die Gegenpartei befragen.

Dennoch: "Wo ist Walter?", titelte der "Sonntag"?

Walter ist dort, wo er meistens ist: am Handy. Nur muss man ihn auch sprechen wollen. Kurt-Emil Merki schreibt im "Sonntag", er habe im elektronischen Telefonverzeichnis eine Nummer gefunden, die nicht mehr aktiv ist. Und als er schliesslich meine Handynummer wählte, habe ich nicht abgenommen. Schlimmer noch: Ich habe nicht einmal eine Comebox. Na ja, etwas intelligentere Angriffe würde ich mir schon erwarten von einem Profi wie Merki. Hier ein Gratistipp für seine nächste Recherche: Sollte es wieder klemmen, würde ich es mit einer SMS probieren oder einer E-Mail. Das funktioniert in der Branche. Sonst Chefredaktor Patrik Müller fragen: Wir hören uns regelmässig, obwohl ich ihm schon mehrmals für eine Kolumne im "Sonntag" absagen musste.

Besonderes Aufheben gab es um die Pressekonferenz, welche Sepp Blatter am Montagabend gegeben hatte, 20min.ch schreibt von der "Witz-PK des Jahres". Blatter lieferte tatsächlich eher Satirematerial, als dass er Fragen transparent beantwortete (vgl. Szene "watch"). Wie kam es zu diesem kommunikativen Desaster?

Ich erfuhr erst im Nachhinein, dass eine Pressekonferenz stattfinden sollte. Ich empfahl dem Präsidenten, darauf zu verzichten. Er entschied, sie trotzdem durchzuführen. Was letztlich für ihn spricht. Er hat eine eigene Meinung, einen eigenen Willen. Und er hat Mut. Er hat sich den Journalisten gestellt, alleine, am Pult, ohne Flankenschutz und Bodentruppen. Die Pressekonferenz haben viele Journalisten, vor allem englische Kollegen, mit einem Hearing verwechselt. Was da an Aggressionen freigesetzt wurde, ist erstaunlich. Dennoch hat der Fifa-Präsident eine volle halbe Stunde dagegengehalten. Nicht zwei Minuten, sondern geschlagene 30. Das ist mehr, als 20 Minuten ihren Lesern zutraut. Und doch schreibt die Gratiszeitung, der Fifa-Präsident habe die PK "abrupt" beendet.

Warum durfte bei dieser PK jeder Journalist nur eine einzige Frage stellen?

Weil es bei 150 Journalisten nicht anders geht. Es ist eine Frage der Organisation, aber auch eine Frage des Respekts gegenüber anderen Kollegen. Es gibt Journalisten, die beginnen mit einem Sermon und am Schluss weiss niemand, was eigentlich die Frage war. Sie reden, wie sie schreiben - in Schachtelsätzen. Das nervt, vor allem die Journalisten, die dadurch nicht zu Wort kommen und sich dann beklagen, dass die Zeit zu knapp ist.

Blatter will ausserdem den Einsitz einer Frau im obersten Fifa-Gremium. Ist dies bloss ein kommunikativer Schachzug oder wann ist es soweit?

Keine Ahnung, wann es soweit ist. Was ich aber weiss: Sepp Blatter förderte den Frauenfussball schon vor Beginn seiner ersten Amtszeit als Fifa-Präsident 1998 und tut dies seither unablässig. Der Widerstand war nicht klein. Die Frauen-WM in Deutschland, die Ende Monat beginnt, wird ein Erfolg sein. Wenige hätten vor Jahren darauf gewettet, Sepp Blatter schon. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, es ist kein Schachzug, es ist seine tiefe Überzeugung, dass es so sein muss in Zukunft.

Wie erlebten Sie Ihre Berufskollegen, jetzt in der Sie für sechs Wochen selber Objekt der Journalisten - Ihrer Kollegen - wurden?

Die meisten habe ich als Profis erlebt. Hart in der Sache, aber fair. Zwei Ausnahmen: die Engländer und ein paar Kollegen, die vom heiligen Feuer getrieben sind wie beispielsweise der freie Journalist Jens Weinreich. Jens Weinrich ist leicht zu erkennen: Das ist derjenige, der an den Pressekonferenzen in der Regel schweigt, aber ständig kichert. Eine nonverbale Kommunikationsform, die er blendend beherrscht. Er schweigt auch dann, wenn er vor einem steht und eigentlich reden sollte. Er bezeichnete mich auf seinem Blog als charakterlos, hatte aber nicht den Charakter, mir das persönlich zu sagen - geschweige denn, sich bei mir persönlich vorzustellen in der Zeit, als er hier war. In Italien gibt es einen treffenden Ausdruck dafür: Uomini senza palle. Wenn schon angreifen, dann mit offenem Visier. Dann gibt es noch einen gewissen Carlos Hanimann von der Woz. Ich lieferte ihm nach einem längeren Gespräch meine autorisierten Zitate, was ihn wenig beeindruckte. Zitate, die ich gestrichen hatte, weil sie aus dem Kontext gerissen waren, hat er trotzdem verwendet, um sein Bashing zu stützen. Immerhin hat sich Hanimann, im Gegensatz zu Weinreich, bei mir nachträglich persönlich vorgestellt. Das macht ihn sympathisch. Wenn der Junge nun auch noch lernt, journalistische Grundregeln zu beachten, dann wird er die WOZ-Kolchose bald verlassen können. Er hat Talent. Ganz im Gegensatz zu Christoph Moser, Arbeitskollege von Merki beim "Sonntag". Er verlangte in seiner Medienkolumne, dass ich die Auszeichnung "Sportjournalist des Jahres" zurückgeben sollte. Ich sei eine Schande für die Branche. Doch wer sich wie Moser als moralische Instanz sieht, sollte wenigstens einmal zum Telefon greifen, vielleicht reicht es dann auch für ihn irgendwann zu einem Journalistenpreis. Merki hat es wenigstens einmal versucht, bevor er seine Recherche beendete, Moser überhaupt nicht. Eine Woche vor seiner Breitseite hatte ich Moser noch zufällig in einem Zürcher Lokal getroffen, wo wir zusammen ein Bier tranken. Nicht seine Kritik hat mich irritiert, sondern die Tatsache, dass er - ausgerechnet er - den Schwanz eingezogen hat, wenn ich das so undiplomatisch sagen darf. Und das, obwohl wir uns schon seit Jahren kennen.

Bei all der Detail-Kritik: Was hat Sie generell am meisten erstaunt?

Dass jene Leute, die über Berufsethik philosophieren, bereits am Grundsätzlichen scheitern.

Sie schreiben schon wieder fürs "Magazin" und die "Weltwoche". Geht es auch noch weiter mit Ihrem Engagement bei der Fifa?

Zurzeit mache ich Ferien. Wie es weitergeht, wird sich in den nächsten zwei, drei Wochen entscheiden.

Die Überprüfung der WM-Vergabe an Katar und die Analyse der Fifa durch den Bundesrat sind nur zwei potentielle Issues - ganz zu schweigen von den Korruptionsvorwürfen. Wie stehen Sie der Option auf ein weiteres Beratungsmandat gegenüber?

Die wirklich spannende Phase kommt jetzt. Ich bin überzeugt, dass Sepp Blatter die nötigen Reformen umsetzen wird. Dies medial zu begleiten, wäre sicher eine attraktive Herausforderung. Mal schauen.

Interview: Edith Hollenstein



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