28.09.2015

Mafia

"In der Schweiz wühlt kaum jemand noch im Dreck"

Die Autorin Monica Fahmy über dunkle Machenschaften und investigativen Journalismus.

Frau Fahmy, in Ihrem neuen Buch "Der Tod, das Verbrechen und der Staat" schreiben Sie über die Auswüchse organisierter Kriminalität. Wie betrifft das die Schweiz?
Die Schweiz ist von sämtlichen kriminellen Organisationen und Formen der internationalen Kriminalität betroffen. Oft finden die Verbrechen zwar im Ausland, beispielsweise in Osteuropa statt und in der Schweiz wird dann das so erwirtschaftete Geld gewaschen, oder die Verbrecher lassen sich in der Schweiz nieder, führen hier ein ruhiges Leben und entziehen sich dem Zugriff der Justiz. Kriminelle Organisationen sind aber auch in der Schweiz aktiv. Prominentes Beispiel ist der Fall der italienischen Mafiosi aus dem Thurgau. Bei einem Treffen, das die Polizei filmte, erzählt der mutmassliche Pate, es gäbe genug Arbeit. "Erpressung. Kokain. Heroin. Es hat alles." Er würde es "persönlich bringen". Drogenhandel ist wohl das häufigste Verbrechen in der Schweiz. Daran verdienen organisierte Kriminelle aus etlichen Ländern. Der Durchschnittskonsument, der sich an einer Party etwas einwirft ist sich oft gar nicht bewusst, dass für seine Drogen irgendwo auf der Welt Menschen gestorben sind.

Sie sagen, die heutigen Gangsterbosse seien vernetzt mit Akteuren aus Wirtschaft und Politik. Können Sie uns konkrete Beispiele nennen?
Zum Teil wissen die Betroffenen gar nicht, mit wem sie da eigentlich verkehren. Ich denke da an einen Fall, den ich in meinem Buch beschreibe: Ein sehr gut situierter Neapolitaner, der wegen Zigarettenschmuggels angeklagt, aber nicht verurteilt wurde, war mit der Tessiner High Society verbandelt. Medien zeigten ihn auf seiner 25-Meter Yacht in Sardinien, am Champagner trinken mit einem leitenden Schweizer Bankier, einem Tessiner Richter und deren Gattinnen. In finanzstarken und einflussreichen Kreisen kann man davon ausgehen, dass einige ausländische Vermögen nicht nach den Standards unseres Rechtssystems erwirtschaftet wurden.

Wie haben Sie die Informationen zu Ihrem Buch recherchiert?
Es gibt unterschiedliche Ansätze: Zum einen ist die Recherche in ausländischen Medien sehr ergiebig. So kommt man an Namen von Personen oder Institutionen, die oft auskunftsfreudiger sind als in der Schweiz. Vor allem wenn man als Buchautorin und nicht als Journalistin auftritt. Dann bin ich gut vernetzt, auch mit Anwälten, die mir mit Einverständnis ihrer Klienten Einblick in ihre Unterlagen gewähren. Und zuletzt findet man erstaunlich viel in öffentlich zugänglichen Unterlagen. Das Internet etwa ist ein Fundus an Informationen, wenn man weiss, wie suchen. Ergiebig sind auch Gerichtsentscheide. Die sind im Prinzip fast fixfertig recherchierte Geschichten, die einem auf dem Silbertablett präsentiert werden.

Die Menschen, die Ihnen Informationen preisgeben, müssen Ihnen vertrauen obwohl sie wissen, dass Sie etwas publizieren werden. Wie bewältigen Sie als Autorin diesen Balanceakt?
Wenn Sie Ihre Integrität bewahren wollen, müssen Sie stets fair und transparent sein. Ich deklariere meine Gespräche immer als Recherchegespräche. Wenn man nicht will dass etwas publik wird, dann wird man es mir nicht erzählen. Zudem lasse ich meinen Gesprächspartnern immer die Wahl, ob sie namentlich genannt werden oder anonym bleiben wollen.

Sie kommen aus dem investigativen Journalismus. Die Deutschschweiz ist extrem klein, jeder kennt jeden. Wie geht man da als Journalist vor, wenn man einen Coup landen will?
In der Schweiz wühlt tatsächlich kaum jemand noch richtig im Dreck. Meistens werden den Journalisten Informationen zugespielt. Aber auch da gibt es unterschiedliche Verfahrensmöglichkeiten: Entweder, der Journalist übernimmt die Informationen ungefiltert oder aber, er hinterfragt, was die Interessen des Informanten sein könnten und sucht nach Zusammenhängen. Das wäre meines Erachtens die Hauptaufgabe eines investigativen Journalisten in der Schweiz.

Sie waren selbst lange Zeit Ressortleiterin, Sie wissen aus erster Hand um den Zeitdruck in Newsrooms. Wie räumt sich ein Journalist trotzdem Zeit für seine Recherchen ein?
Der Zeitdruck ist tatsächlich ein grosses Problem. Da gibt es nur eins: Auf die Hinterbeine stehen und seinen Standpunkt verteidigen. Ich sehe aber auch Ansätze, die investigativem Journalismus zu Gute kommen. Das Rechercheteam des Tagesanzeigers beispielsweise ist dem Verleger offenbar sein Geld wert.

Heute leiten Sie das Deutschschweizer Büro der Genfer Investigative Due Diligence-Firma "Global Risk Profile" und erstellen Recherchen und Background-Checks für Unternehmen, Finanzinstitute, Anwälte und Universitäten. Warum haben Sie dem Journalismus den Rücken gekehrt?
Weil ich vom heutigen Mainstream-Journalismus desillusioniert bin und zu wenig idealistisch bin, um für eine Story auf vieles zu verzichten. Mit den Ressourcen, die heute einem Journalisten zur Recherche zur Verfügung stehen, kommen Sie nur selten weit. Zum Teil setzen Chefredaktoren auch einfach auf Mainstreammeldungen mit der Haltung "wir investieren nur in Stories, die gut laufen". Was zur Folge hat, dass alle dieselbe Story bis zum Geht-nicht-mehr durchdeklinieren und Unwesentliches zu "Breaking News" hochstilisieren. Ich hatte keine Lust mehr darauf. Der Recherche bleibe ich bei GRP ja treu. Die Storys werden einfach nicht mehr publiziert.

Interview: Lucienne Vaudan

Bild: zVg

 

 

 

 



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