TV-Kritik

Bäumiger Schweizer «Tatort» zum Jahresende

Warum nicht schon früher? Warum erst jetzt, gegen Schluss? Es geht doch: Mit «Friss oder stirb» hat das Schweizer Fernsehen einen fesselnden «Tatort» mit Hit-Potential geliefert – und damit für beste Unterhaltung zum Jahresende gesorgt. Kurzweiligeres aus dieser Krimi-Reihe habe ich in diesem Jahr nicht gesehen. Es war der vorletzte Fall der Kommissare Flückiger, gespielt von Stefan Gubser, und Delia Mayer in der Rolle von Kommissarin Ritschard. Die letzte Geschichte mit den beiden wird im Frühjahr gezeigt.

Wie oft schon haben wir uns doch beim Schweizer «Tatort» gelangweilt, mussten tapfer sein. Und jetzt diese Überraschung: An einem spannenden, dramatischen, dichten und blutigen Krimi konnte man sich erfreuen. Ein pulstreibender, wendungsreicher Film mit fulminanten Schauspielern wie Misel Maticevic und Roland Koch. Famos auch der Soundtrack – mit Songs von Nick Cave bis Johnny Cash. Und diesmal ging es ohne moralische Standpauken. Bitter war nur das Ende des gräulichen Geiseldramas. Es gab keine Gewinner.

Die Story in Kürze: Als Rahmenhandlung dient der Mord an einer Uni-Professorin. Spuren führen Flückiger und Ritschard zur Luzerner Traumvilla des reichen Unternehmers Anton Seematter (Roland Koch). Dort geraten die Ermittler in eine laufende Geiselnahme und werden selber zu Gefangenen. Ein aus Norddeutschland angereister, wegrationalisierter Arbeiter und verzweifelter Familienvater (Misel Maticevic) fordert von seinem früheren Arbeitgeber Seematter sein «Recht» ein: Er will den Verdienstausfall für die nächsten 20 Jahre Arbeitslosigkeit erpressen. Die Ereignisse überschlagen sich.

Die Schweizer Produzenten haben gut daran getan, Unterstützung aus dem Ausland zu holen. Die gelungene Geschichte stammt vom deutschen Drehbuchautor Jan Cronauer (u.a. «Der Kriminalist»). Dazu kamen drei «alte», preisgekrönte «Tatort»-Hasen: Da sind mal die beiden überzeugenden Hauptdarsteller Misel Maticevic und Roland Koch. Sie gehören zu den gefragtesten Schauspielern im deutschsprachigen Raum.

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Roland Koch, der aus dem aargauischen Freiamt stammt, ist Mitglied des renommierten Wiener Burgtheaters. Regie beim neusten Schweizer «Tatort» führte der in Berlin lebende Basler Andreas Senn. Der Inszenator und Mimen-Entdecker hat seit 2002 gegen vierzig zumeist erfolgreiche Filme für deutsche TV-Sender gemahct. Es hat lange gedauert, bis man das in der Schweiz gemerkt hat.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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