TV-Kritik

Bei 3+, da gibts koa Sünd

Auch beim Schweizer Fernsehen gab es eine Zeit, in der eigene Unterhaltungsformate ausgeheckt wurden und nicht fast alle Ideen im Ausland eingekauft und adaptiert worden sind. Aber das ist lange her. 1983 besuchte die unvergessene Moderatorin Rosmarie Pfluger (1945 bis 2011) Landwirte, stellte sie in der damaligen Vorabendsendung «Karussell» vor – und half ihnen bei der Suche nach einer Frau. Die meisten wurden fündig. «Bauer sucht Bäuerin», diese völlig neue «Datingshow» mit unbeholfenen Protagonisten, sorgte damals im In- und Ausland monatelang für Schlagzeilen.

SRF fehlte der Mut, das Format weiterzuführen. Dafür griffen die Engländer zu und entwickelten, basierend auf der Schweizer Idee, die Sendung «Farmer Wants a Wife». 2001 startete die Kuppelshow mit grossem Erfolg auf dem Kanal des britischen ITV1. Seit 2005 läuft «Bauer sucht Frau» auf RTL und zählt auch bei den Deutschen zu den beliebtesten Sendungen. Darum gibt es bei RTL bald noch viel mehr Zeit für Gefühle: Am 16. Oktober um 20.15 Uhr startet eine neue Staffel: Erstmals wird «Bauer sucht Frau» zweistündig ausgestrahlt.

Ein deutscher Bauernpräsident meinte, diese Sendungen «geben ein dümmliches und falsches Klischee» über die Bauern wieder, das nichts mit der Realität zu tun habe. Die Bauern würden als «einsame Trottel präsentiert, die nicht wissen wie sie sich verhalten sollen.»

Seit 2008 läuft «Bauer, ledig, sucht…», tadellos produziert, auf dem Schweizer Privatsender 3+. Die Sendung mit Menschen, Schweinen und Kühen machte auch TV-Unternehmer Dominik Kaiser zum Knecht: 3+ hat bis heute 218 Folgen davon ausgestrahlt. Jährlich sind es mehr. Die aktuelle 13. Staffel läuft bis Februar 2018 mit über 30 Sendungen. Bisherige Liebesbilanz: 21 Hochzeiten, 17 Babys und angeblich viele weitere glückliche Paare. Echte Landliebe also, präsentiert von Marco Fritsche und Gastmoderatorin Christa Rigozzi. Das einziges Problem für den Sender ist es, genug Bauern zu finden, die Frauen den Hof machen wollen.

«Bauer, ledig, sucht…» wird immer ergebnisreicher und ist die erfolgreichste Sendung von 3+, vor «Bumann der Restauranttester», «Bachelor» und «Bachelorette». Bis weit über 300’000 Zuschauer verfolgen jeweils donnerstags die liebestollen Ackersmänner. In der aktuellen Staffel erzielen diese für 3+ durchschnittliche Quoten von rund 19 Prozent bei den Werberelevanten.

Dominik Kaiser dürfte mit seiner Gruppe (3+, 4+ und 5+) dieses Jahr rund neun Prozent Marktanteil erreichen. Respekt. Ob Doku-Soap, Kuppel- oder Freak-Show. Der helvetische TV-Kaiser weiss, dass der Köder dem Fisch schmecken muss, und nicht dem Angler.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen
Zum Seitenanfang20240426