TV-Kritik

Blind die Welt entdecken

Sie verstehen und vertrauen sich buchstäblich blind. Sie sind reisebegeistert. Und sehr couragiert. Jonas Pauchard (26, Sachbearbeiter) und Yves Kilchör (31, Radiomacher) erforschen und erleben als Nicht-Sehende mit geschärften Sinnen, Navi-Apps und Blindenstöcken spannende Städte der Welt. Und verschaffen sich damit ihr eigenes Bild. SRF-Dok hat die beiden bewundernswerten Männer nach Athen, Berlin und Jerusalem begleitet. Kennengelernt haben sich die Freiburger in der Blindenschule. Jonas ist als 6-Jähriger erblindet, Yves Sehkraft beträgt seit Geburt nur zwei Prozent.

Ein ganz schön mutiges Vorhaben, ohne sehende Begleitung die Welt entdecken zu wollen. Der Zuschauer spürt sofort: Jonas und Yves können mit dem Herzen sehen. Und Freundlichkeit lesen. Weil sie auf Hilfe angewiesen sind, kommen sie überall rasch in Tuchfühlung mit Einwohnern. Und bekommen Unterstützung von hilfsbereiten Menschen –ob beim Geldbezug am Bankautomaten in Athen («Den Notenwert können wir nicht erriechen»), im Bus, Museum oder im Restaurant, wo ihnen die Speisekarte vorgelesen wird. Die Herzlichkeit der Menschen in Athen hat Jonas und Yves begeistert. Yves: «Wir wollen zeigen, wie Menschen einander helfen und wie wichtig es ist, sich für andere einzusetzen. Und dass es auch Sehbehinderten Spass macht, zu reisen».



Manche Menschen sind auf Reisen blind, obschon sie sehenden Augen haben. Die beiden sehbehinderten Protagonisten müssen Sehenswürdigkeiten ertasten. Dennoch nehmen sie von von ihren Reisen reichlich mit. Yves: «Jede Stadt hat andere Stimmungen, Anekdoten und Geräusche.» Gewinnend, wie Jonas und Yves in Berlin von SRF-Korrespondent Adrian Arnold und vom Schweizer Fussballer Fabian Lustenberger (Hertha BSC) betreut wurden.

Gewiss, es gibt prickelndere Dok-Serien. Doch mit «Blindflug» ist den Autorinnen Regina Buol und Sara Leuthold eine erhellende, berührende Produktion gelungen.

 

 

 

 

 

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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