TV-Kritik

Kulturplatz «Glanz & Gloria»

Bis zu Dreiviertel der Zuschauer schalten jeden Mittwoch nach «10vor10» um oder ab, bevor der SRF-«Kulturplatz» auf Sendung geht. Quoten-Tendenz: sinkend. «Selbst Kulturschaffende geben zu, die Sendung nie zu schauen», steht in der aktuellen Ausgabe von «Frame», dem Filmmagazin der «NZZ am Sonntag».

Ein Vertreter eines Filmfestivals sagt in dem Heft: «Es ist verrückt, aber Glanz und Gloria macht interessantere Berichte über uns als der Kulturplatz.» Der Mann hat recht. Ob Solothurner Filmtage, Swiss Photo Award, Lucerne Festival, Schweizer Theaterpreis, relevante neue Ausstellungen in Kunstmuseen oder Buchvernissagen von Martin Suter bis Adolf Musch: «G&G» ist dabei und produziert vornehmlich attraktive Berichte für ein grosses Publikum.

Klar, «G&G» ist ein People-Magazin, da gehören Nachrichten aus der Welt der Promis und Halbpromis dazu. Jede Gesellschaft braucht Klatsch. Wissenschaftler sagen, Klatsch sei gesund, er sei eine Art Hygiene und helfe, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Vor Klatsch ist ja auch am Arbeitsplatz niemand sicher. Laut Untersuchungen drehen sich weit über 50 Prozent aller Wortwechsel zwischen Erwachsenen um andere, abwesende Personen.

Das Wort Klatsch stammt übrigens aus dem 18. Jahrhundert. Damals wuschen die Frauen auf öffentlichen Plätzen oder an Bächen und Flüssen. Während sie die Kleider auf das Waschbrett oder am Wasser auf die Steine klatschten, tauschten sie den neuesten Tratsch aus. Klatschtanten.

Schmutzige Wäsche wird in «Glanz und Gloria» nicht gewaschen. Das Magazin berichtet (meist) mit Esprit und Chupze über Ereignisse, Aktivitäten oder Pläne von A-C-Promis. Und ist vor Ort bei den spannendsten Schweizer Events von Show, Theater, Film, Mode, Literatur, bildende Kunst, Wirtschaft. Service public eben. Was stand kürzlich an dieser Stelle? Ein «Kulturplatz» pro Monat genügt. Und schon wäre übers Jahr ein ansehnlicher Millionenbetrag eingespart.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Roman Widmer, 11.12.2017 22:12 Uhr
    Grüezi Herr Weingart, Sie verstehen mich falsch! Ich find doch «Glanz&Gloria» auch Schrott. Aber ein bisschen Klatsch gehört schon zur Unterhaltung. Da hat die weltbeste und nicht zu toppende Schlagersängerin Lys Assia ebenso Platz wie ein etwas argumentativ unbeholfener Gregory Knie oder eine Wetterfee. Oder eine ewig lustige Stéphanie Berger oder sonst ein Cervelat. Schon der Name «Glanz&Gloria» ist doch Realsatire pur, und ich denke, die Macher dieser Sendung sind sich dessen bewusst. Die Sendung passt bestens zur Cervelat-Prominenz, in der kleinen Schweiz gibt es ja keine wirklichen Stars. So gesehen, hat G&G durchaus einen Platz. Die Sendung spiegelt die schweizerische Realität in Sachen "Prominenz". Die G&G-Moderatoren tun jedenfalls nicht so, als würden sie Hochkultur vermitteln. Das macht sie sympathisch, auf dem Boden geblieben. Cervelat adäquat, etwas provinziell. Das macht die Sendung lustig, augenzwinkernd. Man muss die Sendung nicht ernst nehmen. Es ist pure Unterhaltung am Feierabend für gemütliche Abende im Altersheim. Natürlich könnte man eine Kultursendung wie Kulturplatz höher gewichten. Doch nur stets etwas verstrubbelte Frisuren der Moderatorinnen, Schmuddel-Look und dieses gekünstelt lässig Coole, das geschliffene Hochdeutsch und wacklige Kameraeinstellungen machen eine Kultursendung noch lange nicht relevant. Und so bin ich froh, ist G&G gemäss Tages-Anzeiger eine günstige Sendung. Die Sendung ist wenigstens ehrlich doof! Lieber wenig Geld ausgeben für ein paar Cervelats, als teure Gebührengelder vergeuden für Kultur-Schrott, der wenig mit Kultur zu tun hat. Die SRG sollte über die Bücher gehen und viel haushälterischer umgehen mit ihren Milliarden-Geldern.
  • Robert Weingart, 11.12.2017 18:14 Uhr
    Aber, Herr Widmer, das ist hoffentlich nicht Ernst gemeint: «Glanz&Gloria»: Die Moderatoren sind stets gut gekleidet, lachen auch einmal und machen nicht ständig ein gekünstelt-strenges-obercooles-Lätschgesicht-mit-zerzausten-Haaren wie die Kulturpräsentatorinnen.". Wenn jemand gekünstelt daherkommt, dann die Sendung Glanz und Gloria. Einfach unerträglich und im Grundangebot nicht relevant.
  • Roman Widmer, 11.12.2017 14:51 Uhr
    In der Tat ist «Kulturplatz» eine Sendung, die zum Abstellen oder Umschalten einlädt. Vielleicht hat es auch mit der stets künstlichen Moderationen dieser Sendung zu tun. Die «Kulturplatz»-Redaktion ist wohl der Ansicht, mit stets hinterherrennender Kamera und schrägen Einstellungen und queren Perspektiven sowie verwackelten Bildern besonders «cool» zu sein. Einmal eine Sendung lang mag das ja ok sein. Aber anscheinend scheint es Konzept zu sein, seit vielen Jahren immer die gleiche Masche. Viel Drumherum, wenig drin. Das wirkt schnell langweilig, abgelutscht und anbiedernd. Dazu kommen die Moderatorinnen, die besonders «cool» sein wollen und stets nonchalant und etwas «schmuddelig» auftreten. Das ist Gähn-TV! «Glanz&Gloria» hingegen kommt frisch und fröhlich daher. Die Moderatoren sind stets gut gekleidet, lachen auch einmal und machen nicht ständig ein gekünstelt-strenges-obercooles-Lätschgesicht-mit-zerzausten-Haaren wie die Kulturpräsentatorinnen. Die «Glanz&Gloria» Moderatoren wirken relativ authentisch und versprühen diesen gewissen «Servelat»-Charme, der zur Schweizer Promi-Szene halt einfach innewohnt – so ein bisschen provinziell und hundsverlochete-mässig, aber sympathisch. «Kulturplatz» jedoch sollte man in der Tat abschaffen, um Geld zu sparen!
  • Robert Weingart, 10.12.2017 18:57 Uhr
    Das kommt vielleicht davon, wenn ehemalige News-Journalisten plötzlich auf Kultur machen.
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