TV-Kritik

Starke Stimmen, schwache Stimmen

Annemarie, eine 85-jährige Nachbarin, ist topfit. Im Kopf. Zu Fuss. Sogar am Computer und mit ihrem Smartphone. Im Januar wurde der Frau nach einem Check von ihrem Hausarzt attestiert, dass selbst ihre Hörkraft jener einer fünfzigjährigen Person entspricht. Trotzdem hat Annemarie ein Problem. Und zwar mit Sprechern des Schweizer Fernsehens.

Sie müssen wissen, dass die verwitwete ehemalige Werberin eine sehr treue SRF-Zuschauerin ist. Wie so viele Menschen in ihrem Alter. Sie schaut täglich «Schweiz aktuell», die «Tagesschau», «10vor10» und viele andere Sendungen mehr. Annemarie hat Mühe, manche Off-Sprecher zu verstehen. Weil diese zu leise reden. Die Dame nervt sich, wenn sie auf ihrer Fernbedienung die Laustärke zeitweise fast auf die Höchststufe drücken muss. Die Dame hat recht.

Hauptsächlich in den News-Sendungen von SRF vernimmt man häufig Off-Stimmen, die zu leise und zu schlapp sind. Von professionellen Sprechern erwartet man, dass sie nicht nur deutlich, sondern auch in gebührender Lautstärke reden. Und sie müssen die richtige Atemtechnik beherrschen, um möglichst lange sprechen zu können - ohne dabei Luft holen zu müssen. Vielfach haben die Off-Sprecher eine Schauspielausbildung. In jedem Fall müssen sie ein Sprach- und Stimmtraining absolviert haben.

Begnadete Sprecher sind bei SRF selten, gute Stimmen aber durchaus genügend vorhanden. Vor allem in «Tagesschau» und «10vor10» hört der Zuschauer mitunter leise Töne. Als würden sich manche Sprecherinnen und Sprecher schämen für den Text, den sie zu lesen haben.

Vergleichen Sie die Stimmen mal mit jenen der Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, ORF, Sat 1 oder RTL. Es ist wie Tag und Nacht. SRF begeht häufig den Fehler, Korrespondenten und Autoren ihre Beiträge selber sprechen zu lassen. Am unerfreulichsten fällt dies bei «Schweiz aktuell» auf. Oft aber auch in der «Tagesschau».

Merke: Gute Journalisten sind selten auch gute Sprecher. Im deutschen TV dürfen auch im Off nur Leute lesen, die das beherrschen. Die klar und deutlich reden. Und für alle Zuschauer gut verständlich sind. Zu Schweizer Top-Liga der Off-Sprecher gehört der Schauspieler Siegmund Tischendorf, früher beim damaligen Sender TV 3, heute bei «Bauer, ledig, sucht...» (3+). Ein Routinier ist auch Ruedi Ruch («Mini Beiz, dini Beiz»). Man müsste ihn allerdings mal mal fragen, wie er sich fühlt, wenn er öfters Stumpfsinn seiner Redaktion vom Blatt lesen muss: «Heidi, mach nöd scho wieder en Fläcke».

Auch gewisse SRF-Moderatoren versteht meine Nachbarin akustisch schlecht. Zum Beispiel Patrizia Laeri und Arthur Honegger. Die «SRF Börse»-Moderatorin hat tatsächlich eine Christkindli-Stimme. Der «10vor10»-Moderator ist für Annemarie «ein sehr sympathischer Mann». Der Silbenverschlucker spricht für sie zwar laut genug, «aber zu schnell und zu undeutlich».


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Ursula Hagmann, 01.08.2017 18:55 Uhr
    Schnellsprecher und Schnellsprecherinnen gibt es bei SRF genug: Der Off Sprecher bei der Tagesschau und auch im Einsatz bei andern Sendungen, und die Tagesschausprecherinnen Stauber und Bösch. Langsam, deutlich und ohne Fehler moderieren ist eben schwieriger!!
  • Kurt Wulle, 02.07.2017 20:10 Uhr
    Ja, der Ruedi Ruch hat schon eine markante und "grobe, holzige" Stimme. Man versteht ihn gut: "und wie häts eu id de chuchi gfallä..." So eine sonore aber unspektakuläre Stimme. Man hört sie aber zuviel. In jedem 5. Werbespot hört man ihn bald. Und noch in schlechten wie etwa Rio Mare, die schlecht synchronisiert und sehr dümmlich gemacht sind. Kevin Kostner grüsst vom Velo.
  • Dieter Widmer, 23.03.2017 10:06 Uhr
    Ich teile Ihre Auffassung. Im Rahmen dieser Kritik möchte ich auch, wenn allerdings in anderer Hinsicht, Schnellsprecherin Katharina Locher bei "Schweiz aktuell" erwähnen. Häufig, besonders bei Live-Ausseneinsätzen, spricht sie derart schnell, dass sie viele Silben verschluckt. Man kann dann nur erahnen, was sie gesagt hat. Bitte l a n g s a m e r sprechen.
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