TV-Kritik

Vier erhellende Gäste im «Medienclub»

Die Nutzung digitaler Medien gehört zu den häufigsten Freizeitaktivitäten der Jugendlichen. Die «Generation Smartphone» ist rund um die Uhr vernetzt. Abschalten ist für viele unvorstellbar. Darum ging es am Dienstagabend im «Medienclub». Franz Fischlin diskutierte mit vier erhellenden Gästen.

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Seit zehn Jahren gibt es das Smartphone. 99 Prozent der 12- bis 19-Jährigen besitzen hierzulande ein Handy. Drei bis vier Stunden täglich verbringen sie mit dem Gerät. Manche auch länger. Die gute Nachricht zuerst: Für 80 Prozent der Schweizer Kinder und Jugendlichen ist die Handynutzung unproblematisch. Das zeigt laut der Sendung eine aktuelle Studie. Bei 11,5 Prozent der Jungen ist die Internetnutzung danach risikohaft, bei 8,5 Prozent problematisch. 

Die Gefahr ist bei Teenagern deutlich grösser als bei Erwachsenen. Vor allem jüngere Männer sind suchtgefährdet. Es sind meistens Gamer. Bei Mädchen und jungen Frauen haben Filme und Youtube-Videos einen grösseren Stellenwert. Zehntausende sind onlinesüchtig und müssen teils in Kliniken behandelt werden. Angelika Schneider, Leitende Therapeutin Medien- und Onlinesucht in der Suchtfachklinik Selhofen Burgdorf, hatte viel zu erzählen. Die stationäre Therapie besteht hauptsächlich aus Sport, Kunst, Gruppen- und Einzeltherapien.

Was ist normal, wann fängt die Sucht an? Wenn das Handy unentbehrlich und in unangemessenen Situationen benutzt wird und die Jungen immer weniger reale Kontakte haben, sind das laut der Expertenrunde Symptome für Onlinesucht. Und wenn sich Menschen nur noch in der medialen Welt zurecht finden und den Bezug zur Realität verlieren, wird es sehr kritisch.

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Einer, der es trotz intensiver Handynutzung offenbar im Griff hat, ist der toughe Teenager Samuel Scheidegger (vgl. Bild oben), der bei Fischlin zu Gast war. Obschon: Der 15-jährige Lehrling verschickt rund 150 Whatsapp-Nachrichten und bekommt über 1000. Täglich. Solche erreichen ihn permanent, auch während der Aufzeichnung des «Medienclub». Samuel liest nicht alle. Wichtige und unwichtige Nachrichten kann er anhand des Klingeltons unterscheiden. Er produziert auch kreative Videos.

Was ist zu tun, damit sich junge Menschen nicht in der virtuellen Welt verlieren? Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie ZHAW, unterstrich die wichtige Neuerung im Lehrplan 21. Danach werden im Unterricht jetzt verbindlich Medienkompetenz und der sinnvolle Einsatz der neuen Medien vermittelt. Die Schüler lernen auch, die Glaubwürdigkeit von Quellen einzuschätzen.

Und sonst? Die Erwachsenen in der Runde waren sich einig: Eltern und Lehrpersonen kommt eine wichtige Rolle zu. Sie stehen als Erziehungsberechtigte in der Pflicht, Grenzen zu ziehen. Und müssen aufpassen, dass die jungen Menschen die Kontrolle über ihren Medienkonsum nicht verlieren. Eltern sollten wissen, was ihre Kinder mit ihren Handys anstellen, und sich zum Beispiel für deren Games interessieren. Auch achtsam sein, dass die Jugendliche andere Hobbys nicht vernachlässigen.

Übereinstimmung gab es allerdings auch darüber: Viele Eltern verlangen von ihren Kindern etwas, das sie selber nicht leben.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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