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Wenn sich Firmen in die Politik einmischen

von Edith Hollenstein

In Zeiten von Fitnesswahn und Zuckerphobie entsprechen Süssgetränke nicht mehr dem Zeitgeist. Die Getränkeproduzentin Coca-Cola mit rund 800 Angestellten in der Schweiz muss sich also etwas einfallen lassen, um von sich reden zu machen. In Zusammenarbeit mit der Agentur Rod erschien am Montag prominent auf der Titelseite von 20 Minuten in allen Landesteilen der Schweiz ein buntes Inserat mit dem Symbol der LGBTI-Community (persoenlich.com berichtete). Dazu ein Manifest: «Wir stehen ein für eine offene, tolerante und diskriminierungsfreie Schweiz». Weitere Inserate in Blick und Weltwoche werden folgen.

Obwohl Coca-Cola und Rod den Zeitpunkt der Lancierung dieses Manifests kurz vor der Abstimmung über die Antirassismus-Strafnorm angesetzt haben, bestreiten sie, dass es sich dabei um eine Abstimmungsempfehlung handelt. Das sei ein «Positionsbezug», sagte Kommunikationschef Matthias Schneider am Montag an einer eigens einberufenen Medienkonferenz in Zürich. Man sei keine politische Organisation, sondern wolle «eine Diskussion um Werte» lancieren. Das klingt etwas zaghaft. Wenn Coca-Cola-Kommunikationschef Schneider gleichzeitig fordert, Firmen sollten sich häufiger politisch äussern, müsste er doch klipp und klar sagen, wofür sein Unternehmen einsteht, nämlich: für ein «Ja zum neuen Anti-Diskriminierungs-Gesetz» am 9. Februar.

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Vermutlich hätte das Manifest zudem für mehr Wirbel gesorgt, wenn sich Coca-Cola in einer etwas kontroverseren Vorlage in die Debatte eingeschaltet hätte. Im Frühling 2019 bei der Steuerreform und AHV-Finanzierung etwa. Die Getränkeherstellerin könnte sich doch genauso gut für gesicherte Renten ihrer Kunden und Mitarbeiter einsetzen. Oder für bezahlbare Mieten? Fast jeder Wert, den ein Unternehmen für sich festlegt, kann mit einer politischen Vorlage in Verbindung gebracht werden. Die Vorlage zum Anti-Diskriminierungsgesetz ist ja weitgehend unbestritten. Sie wird laut den Abstimmungsumfragen klar angenommen werden. Dagegen stellt sich nur die Rechte: die Junge SVP, EDU und auch die SVP haben die Nein-Parole beschlossen.

Auch wenn es negative Reaktionen gibt, wie etwa jene der Initiativgegner. «Coca-Cola nutzt die direkte Demokratie der Schweiz, um sich in einem Licht zu zeigen, das dem Unternehmen nicht zusteht», urteilt die Junge SVP. Trotzdem: Coca-Cola hat die Chance genutzt und dürfte denn auch von der Aktion profitieren. Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Menschen mit verschiedenen Hautfarben, Religionen, Diversity – das passt zu Coca-Cola, denn es sind Elemente früherer Werbekampagnen.

Diejenigen, die die Regenbogen-Titelseite gut finden, hat das Unternehmen für sich gewonnen. Sie werden sich nachhaltig daran erinnern – Leute wie Michel Rudin etwa, Co-Präsident des Schwulenverbandes Pink Cross. Er hatte laut den CH-Media-Zeitungen Coca-Cola am Montag zur Aktion gratuliert. Die Befürworter*innen werden über diesen Positionsbezug emotional involviert. Sie werden künftig, bewusst oder unbewusst, vielleicht sogar ein oder zwei Mal eher zu Coca-Cola greifen, statt zu einem anderen Süssgetränk.




Edith Hollenstein ist Redaktionsleiterin von persoenlich.com


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