15.01.2025

Plattformmacht

«Regulierung soll für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen»

Emek-Vizepräsident Manuel Puppis hält Plattformregulierung für ein urliberales Anliegen. Im Interview mit persoenlich.com erklärt der Medienprofessor, warum bestehende Gesetze nicht mehr taugen, um die Markt- und Meinungsmacht der globalen Techgiganten auf ein demokratieverträgliches Mass zu beschränken.
Plattformmacht: «Regulierung soll für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen»
«Natürlich gibt es Bereiche, die nicht reguliert werden müssen»: Emek-Vizepräsident Manuel Puppis. (Bild: Keystone/Peter Schneider)

Manuel Puppis, Ende Januar wird der Bundesrat seinen Entwurf zu einem Bundesgesetz über Kommunikationsplattformen in die Vernehmlassung schicken. Ist es ein Zufall, dass die Emek ein paar Tage vorher ein Papier zum gleichen Thema präsentiert?
Wir waren natürlich über die Arbeiten des Bakom zum geplanten Kommunikationsplattformgesetz informiert und konnten auch schon früh Inputs geben. Aber dass wir jetzt unser Papier zum Thema veröffentlichen, ist tatsächlich ein Zufall.

Die Emek plädiert für eine «holistische Strategie», um der Markt- und Meinungsmacht der Plattformen zu begegnen. Was bedeutet das genau?
Wir haben die verschiedenen Problembereiche nicht einzeln betrachtet, sondern die Situation als Ganzes. Die Unternehmen hinter Plattformen haben mit ihrer Markt- und Meinungsmacht unterdessen grossen Einfluss. Ihre dominante Stellung auf dem Markt hat Auswirkungen auf alle möglichen Branchen in der Schweiz, von der Hotellerie bis zu den Medien. Es geht aber nicht nur um ökonomische Fragen: Mit ihrer Meinungsmacht beeinflussen Plattformen die gesamte Öffentlichkeit und die Demokratie. Wir haben uns darum überlegt, welche Bausteine es für eine Regulierung braucht, um die Plattformlandschaft demokratieverträglich zu gestalten.

«Die Marktmacht der Plattformen betrifft viele Branchen»

Wo sieht die Emek den grössten Handlungsbedarf?
Der Bundesrat will mit seinem Gesetzesentwurf Teile des Digital Services Act übernehmen. Darin geht es um eine Stärkung der Rechte der Nutzerinnen und Nutzer gegenüber den Plattformen, etwa um die Moderation von Inhalten oder Beschwerdemöglichkeiten gegen Sperrungen. Das ist ein wichtiger Baustein. Der nächste Baustein ist sicherlich die Marktmacht der Plattformen. Das ist ein Thema, das viele Branchen betrifft. Mit dem Digital Markets Act der EU gibt es auch hier ein Vorbild, wie Regeln gestaltet werden können für grosse Plattformen, damit sie ihre Marktmacht nicht missbrauchen dürfen.

Wie sieht es bei der Regulierung der Meinungsmacht aus?
Da wissen wir noch nicht, inwieweit der Gesetzentwurf des Bundesrates auch darauf eingehen wird. Im DSA gibt es ein paar Regeln, die sich mit algorithmischen Empfehlungssystemen beschäftigen. Möglicherweise hat der Bundesrat das auch übernommen. Das werden wir sehen, wenn die Vernehmlassungsvorlage kommt. Aber hier stösst Regulierung auch an Grenzen, denn es geht um eine grundsätzliche Frage: Können wir es bestimmten kommerziellen Akteuren überlassen, die ihre eigenen Interessen verfolgen, mit ihren Algorithmen zu bestimmen, was in der Öffentlichkeit gesagt werden darf und welche Priorität Inhalte bekommen?

«Der Markt funktioniert nicht, wenn Plattformen ihre Marktmacht missbrauchen können»

Die Gegenposition zu den Vorschlägen der Emek wäre es, einfach den Markt spielen zu lassen, wie das die SVP fordert. Sieht die Emek auch Potenzial in der Selbstregulierung durch den Markt?
Natürlich gibt es Bereiche, die nicht reguliert werden müssen. Wir sprechen auch bewusst von Governance, das heisst, es gibt auch Möglichkeiten der Selbstregulierung. Kommt dazu: Wir haben Meinungsfreiheit und Medienfreiheit. Da gibt es klare Grenzen, wo der Staat eingreifen darf. Das ist auch in der Menschenrechtskonvention des Europarats und der Rechtsprechung des Menschenrechtsgerichtshofs klar festgelegt. Aber Meinungsfreiheit und Medienfreiheit sind nicht nur negative Freiheiten, also ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Hier hat der Staat auch eine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Pluralismus möglich ist, dass es eine funktionierende Öffentlichkeit gibt. Und wenn ein Player dominiert, dann ist das nicht der Fall. Das gilt auch für den Markt. Es ist kein funktionierender Markt, wenn Plattformen ihre Marktmacht missbrauchen können, um andere Unternehmen zu gängeln. Ziel der Regulierung ist es darum, für einen funktionierenden wirtschaftlichen Wettbewerb zu sorgen. Das ist ein urliberales Anliegen.

Schon heute bewegen wir uns nicht im rechtsfreien Raum. Warum ist das bestehende Recht für den Umgang mit Plattformen nicht geeignet?
Die bestehende Gesetzgebung greift natürlich schon in vielen Bereichen. Aber gerade das klassische Wettbewerbsrecht ist relativ schlecht geeignet, mit den Besonderheiten von Plattformen umzugehen. Datenbesitz, der eine Form von Macht darstellt, lässt sich mit den bestehenden Instrumenten schlecht regulieren. Oder die Tatsache, dass Plattformen ihre Dienste den Endkunden kostenlos anbieten, kann praktisch nicht reguliert werden. Deshalb haben Länder wie Deutschland und Österreich begonnen, ihr Wettbewerbsrecht so anzupassen, dass man genau diese Besonderheiten von Plattformmärkten adressieren kann.

«Ziel muss es natürlich sein, die Regulierung so agil wie möglich zu gestalten»

Eine Plattform kann ihre Spielregeln von heute auf morgen ändern, politische Regulierung braucht Jahre. Wie geht die Emek mit diesem Dilemma um?
Ziel muss es natürlich sein, die Regulierung so agil wie möglich zu gestalten und nicht ein Endergebnis vorzugeben. Deshalb werden im Technologiebereich oft Prozesse reguliert. Man gibt vor, wie sich Plattformen oder auch Medien in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten haben, wer einbezogen werden muss, wie Regeln gesetzt werden et cetera. Das ist etwas, was man aus anderen Bereichen kennt, wenn es darum geht, auf schnelle technologische Veränderungen zu reagieren.

Die Emek ist ein ausserparlamentarisches Gremium, das den Bundesrat berät. Inwiefern finden Sie mit Ihren Positionen Gehör?
Zum einen hat die Emek den Auftrag, die Verwaltung zu beraten. Zum anderen beschäftigen wir uns als unabhängiges Gremium aber auch mit Themen, die uns wichtig erscheinen. Hier werden wir im besten Fall in der Politik und in der Branche wahrgenommen. Ob unsere Vorschläge in der Umsetzung eine Chance haben, liegt dann nicht mehr an uns, sondern ist Sache der Politik.


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KOMMENTARE

Kurt Lehmann
15.01.2025 07:21 Uhr
Nein, kein Regulator entscheidet, was ich lesen/schreiben darf. Sonst wird der Zensur Tür un Tor geöffnet. Würden Emeks Vorschläge realisiert würde ich mich im Handumdrehen im Web nach alternativen Quellen im Web umsehen.
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