von Michèle Widmer
Thomas Wildberger, Partner bei Prophet und ADC-Präsident
Was sind die grossen Herausforderungen für das Jahr 2023 in Ihrem Bereich?
«Im Moment beobachte ich, dass wieder viel zu oft die Klischeeschublade bedient wird, zum Beispiel von Versicherungen und Banken, die mit glücklichen Rentnern und lachenden Menschen auf der Sonnenseite des Lebens werben. Dieser Trend ist schade, denn wir waren in der kreativen Kommunikation doch schon deutlich weiter. Ferner scheint der Fokus von einem stringenten Markenauftritt abzudriften. Ich muss leider ein Beispiel nennen: Die Denner-Babys und -Hunde, mit welchen das Unternehmen eine klare Handschrift und die Nähe zur Kundschaft etabliert hat, waren ein sehr guter Ausgangspunkt. Die aktuelle Nachhaltigkeitskampagne hingegen kollidiert massiv damit. Um als Marke dauerhaft relevant zu bleiben, braucht es eine starke Gesamtstrategie, die man optisch und inhaltlich durchzieht. Von uns als Experten muss man erwarten, Kundinnen und Kunden immer wieder so zu beraten, indem man das Gleiche sagt, nur in anderen Worten. Genau wie ein Fussballtrainer oder ein Pfarrer, der dem Team oder seiner Community auf anhaltend hohem Niveau stets dasselbe predigt. Genau hier liegt für mich die Herausforderung bei den Agenturen, die eine Gesamtstrategie zwar abwechslungsreich, jedoch kohärent spielen sollten.»
Wo sehen Sie Lichtblicke, wo geht es vorwärts?
«Richtungsweisend sind die Themen rund um ESG. Die Überlegungen zu Umwelt, Gesellschaft und verantwortungsvoller Unternehmensführung können die Agenturen kreativ durchdenken und umsetzen. Sie betreffen ja nicht nur die Unternehmen intern, sondern müssen auch marketingtechnisch verknüpft und als Botschaften nach aussen getragen werden. Die Entwicklung bringt enorm viel Potenzial mit sich.»
Martina Fehr, Direktorin MAZ
Was sind die grossen Herausforderungen für das Jahr 2023 in Ihrem Bereich?
«Die Herausforderungen der Medienbranche bleiben dieselben: finanzieller Druck, Fachkräftemangel, schwindendes Vertrauen in die Medien, die digitale Transformation. Die Auswirkungen dieser Situation spüren wir auch am MAZ. Intern am MAZ wird uns die digitale Transformation mit der Umstellung auf MS Teams beschäftigen, der Umbau des MAZ-Standorts an der Murbacherstrasse in Luzern sowie die Schärfung unseres Profils im Bereich der Abteilung Kommunikation.»
Wo sehen Sie Lichtblicke, wo geht es vorwärts?
«Die umfassende Weiterbildungsinitiative der NZZ ist ein schönes Zeichen, dass sich Investitionen in die eigenen Journalistinnen und Journalisten lohnen. Nicht nur die NZZ, auch kleine Verlage und Redaktionen sowie Unternehmen haben das MAZ beauftragt, massgeschneiderte Weiterbildungen für ihre Angestellten zu konzipieren und umzusetzen. Der Wert einer guten und soliden Aus- und Weiterbildung ist breit anerkannt, was uns sehr freut.»
Stefan Wabel, Geschäftsführer Verlegerverband Schweizer Medien (VSM)
Was sind die grossen Herausforderungen für das Jahr 2023 in Ihrem Bereich?
«Die Herausforderungen für die Medienbranche werden auch im kommenden Jahr nicht kleiner: die Kosten für die Produktion und den Vertrieb der gedruckten Presse werden weiter steigen, während die Einnahmen sinken oder bestenfalls stagnieren. Die Frage nach einem Ausbau der heutigen Medienförderung bleibt deshalb ein zentrales Anliegen der Medienbranche. Einen Ausbau der bewährten indirekten Presseförderung würde die Informationsversorgung in den Regionen sicherstellen und gleichzeitig wichtige Investitionen in die digitale Transformation ermöglichen. Ebenso zentral für den Journalismus in der Schweiz ist ein verbesserter Schutz der journalistischen Inhalte in der digitalen Welt. Konkret sollen die globalen Tech-Plattformen eine Vergütung an die Schweizer Medienunternehmen leisten, wenn sie die journalistischen Inhalte kommerziell weiterverbreiten. Die Lösung dazu bringt das sogenannte Leistungsschutzrecht, welches in europäischen Ländern bereits Realität ist und nun vom Bundesrat auch für die Schweiz vorgesehen wird.»
Wo sehen Sie Lichtblicke, wo geht es vorwärts?
«Die weltweiten Ereignisse und Verwerfungen der letzten Monate haben eines gezeigt: Unabhängiger Journalismus, der berichtet, was passiert, einordnet und erklärt, ist Grundvoraussetzung, damit wir die Welt verstehen und damit wir uns eine eigene Meinung bilden können. Es gibt keine Alternative dazu. Noch dürfen wir uns in der Schweiz glücklich schätzen über unser Mediensystem, welches die Informationsversorgung in allen Regionen unseres Landes sicherstellt. Und wir Medienunternehmen werden alles daransetzen, dass das so bleibt. Mit dem Ausbau der Medienförderung und dem Leistungsschutzrecht würden die Rahmenbedingungen wirksam verbessert – das nützt dem Journalismus und damit uns allen.»
Siri Fischer, Geschäftsführerin IGEM Interessengemeinschaft elektronische Medien
Was sind die grossen Herausforderungen für das Jahr 2023 in Ihrem Bereich?
«Die aktuell grössten Herausforderungen liegen momentan in der Forschung. Ein zentrales Anliegen ist sicherlich die neue Messung der Onlinenutzung durch Mediapulse zum Fliegen zu bringen – und zwar sowohl für Websites als auch für Online-Werbekampagnen. Die Einführung der neuen TV-Replay-Ads freut uns sehr. Aber auch dort muss noch die Messung und Planbarkeit der Replay Ads sichergestellt werden. Alle diese Themen bringen uns einen Schritt weiter zu einer konvergenten Währung, welche die Reichweiten und Wirkungen von verschiedenen Bewegtbild- und Audiokanälen ausweisen soll.»
Wo sehen Sie Lichtblicke, wo geht es vorwärts?
«Ein Highlight im Jahr 2023 ist sicherlich das 25-jährige Jubiläum der IGEM, das wir am 25. Mai feiern. Nächstes Jahr am 5. September kommt dann auch die zehnte Ausgabe unserer repräsentativen Studie Digimonitor zur Nutzung von elektronischen Medien und Geräten in der Schweiz. Auch die Entwicklung unseres Ausbildungsangebots ist erfreulich. Unser Crashkurs Mediaplanung ist immer ausgebucht und wir können ihn 2023 dreimal anbieten. Insgesamt versuchen wir, am Puls der Zeit Themen rund um die kommerzielle Kommunikation in den elektronischen Medien aufzunehmen und zu unterstützen.»
Hans-Peter Nehmer, Präsident HarbourClub
Was sind die grossen Herausforderungen für das Jahr 2023 in Ihrem Bereich?
«Intern wird uns das Thema hybride Arbeit weiter beschäftigen. Damit verbunden sind wichtige Fragen der Identifikation und Integration. Hier leistet die Unternehmenskommunikation einen ganz wesentlichen Beitrag für den Erhalt und die Stärkung einer gemeinsamen Identität.»
Wo sehen Sie Lichtblicke, wo geht es vorwärts?
«Wir haben heute ein besseres Verständnis für die besonderen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Generation Z, sowohl als Kunden als auch als Mitarbeitende. Das bedingt eine Weiterentwicklung der Kommunikation. Auch dank diesem Erkunden und Etablieren von neuen Kommunikationsformen bleibt unser Alltag als Kommunikationsverantwortliche spannend.»
Am Mittwoch lesen Sie im zweiten Teil unserer Umfrage im Newsletter sowie auf unserer Website die Antworten von Kommunikation Schweiz, Leading Swiss Agencies, Gesellschaft für Marketing, Werbe-Auftraggeberverband, Presserat sowie Jungen Journalistinnen und Journalisten.