02.10.2025

Anne Walser

«Filme machen ist vor allem eins: Teamarbeit»

Am Freitag erhält die Produzentin am Zurich Film Festival den Career Achievement Award für ihr Lebenswerk. Das Festival ehrt damit Anne Walsers Fähigkeit, anspruchsvolle Stoffe erfolgreich für ein breites Publikum umzusetzen. Im Interview verrät die Macherin von Hits wie «Stiller» und «Zwingli» ihr Erfolgsrezept.
Anne Walser: «Filme machen ist vor allem eins: Teamarbeit»
Produzentin Anne Walser wird am ZFF für ihr Lebenswerk geehrt. Ihr Grundsatz: «Wir machen keine Ego-Projekte, sondern kreieren Werke für ein Publikum.» (Bild: zVg)

Frau Walser, Sie sind die erfolgreichste Produzentin der Schweiz, vielleicht sogar im deutschsprachigen Raum, wenn es um Literaturadaptionen zu grossartigen Filmen geht. Zuletzt waren es «Mittagsfrau» von Julia Franck, «Sisi & Ich» nach Christian Kracht und vier Martin-Suter-Verfilmungen, unter anderem «Der Koch». Jetzt haben Sie sich an einen ganz grossen Stoff gewagt: Max Frisch und sein ikonisches Werk «Stiller». Wie kam es zu diesem Thema? Passt es in die heutige «verrückte» Zeit?
C-Films hat es sich längst zur Tradition gemacht, die Schweizer Geschichte als inspirativen Nährboden für ihre Filme zu nutzen. Dazu gehören nicht nur Schweizer Figuren wie Zwingli oder Paul Grüninger, sondern eben auch Themen wie die berühmte Drogenhölle des Platzspitz oder Traditionsgeschichten wie «Schellenursli», die längst zum Kulturgut geworden sind. Max Frischs Werk reiht sich da hervorragend ein, und es erstaunt eher, dass sich vorher noch niemand so wirklich dem «Stiller» gewidmet hat. Für uns war das ein Glücksfall. Und umso mehr, als Regisseur Stefan Haupt – ähnlich wie ich – immer schon mit dem Roman geliebäugelt hat. So konnten wir quasi nahtlos an die schöne Zusammenarbeit bei «Zwingli» anknüpfen. Was die Frage betrifft: Passt dieser Film in die heutige Zeit? Da sage ich nur: Ja! Ganz unbedingt. Wir bedürfen zwar eines persönlichen Interesses und einer ganz eigenen Leidenschaft für unsere Filmprojekte, aber am Schluss müssen wir klar entscheiden: Findet ein Stoff eine Zuschauerschaft? Wir machen keine Ego-Projekte, sondern kreieren Werke für ein Publikum. Die Themen rund um Identitätsfindung und die Auseinandersetzung mit Rollenbildern in der heutigen Gesellschaft sind akuter und aktueller denn je. Insofern erachte ich das Werk «Stiller» nicht nur als zeitlos, sondern auch als modern.

Der Film spielt in den 1960er-Jahren. Sind solche Filme, die in der Vergangenheit spielen, mit anderen Moden, Häusern und Umwelten, nicht besonders aufwendig? Wie haben Sie und Ihre Firma C-Films das gelöst?
Glücklicherweise lassen sich gerade in Zürich noch viele gute Originalmotive finden, die der Filmzeit entsprechen. Und – ich wage zu behaupten – die auch Max Frisch gefallen hätten! Und wenn etwas gar nicht geht, dann weicht man auf bequeme Studio-Fazilitäten aus.

«Am Ende des Tages zählt jedes einzelne Ticket»

In München, wo er einem Fachpublikum erstmals bei den Filmtagen gezeigt wurde, und in Locarno, wo die Kinobetreiber der Schweiz exklusiv den Film vorab sehen konnten, gab es stehende Ovationen. Glauben Sie, dass damit der Erfolg in den DACH-Ländern garantiert ist? Was kann eine Produzentin noch tun, um den Film in die Herzen des Publikums zu bringen?
Am Ende des Tages zählt jedes einzelne Ticket und jede begeisterte Reaktion. Ich glaube, dass Mundpropaganda noch immer das beste Marketing-Tool ist! Aber natürlich laufen alle Rädchen heiss. In dieser Phase heisst es, jeden Aufhänger für den Film zu nutzen und zu pflegen. Da muss natürlich das persönliche Netzwerk als Multiplikator wirken, aber auch Bereiche müssen angegangen werden, die thematischen Bezug zum Filmstoff haben. Es ist eine sehr anstrengende, aber auch sehr schöne Zeit!

Ein Film mit Ihrem Anspruch braucht ausgewählte, schon bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler. Wie ist es Ihnen gelungen, eine solche hervorragende Besetzung, auch in Nebenrollen, zusammenzubringen? War es das Thema, war es Ihr Ruf als Erfolgsproduzentin, oder waren es die Gagen?
Ich glaube – und hoffe! –, dass sich gute Darstellerinnen und Darsteller immer in erster Linie vom Stoff inspirieren lassen. So ist es auch hier geschehen. Und natürlich ist uns das Traum-Ensemble nur gelungen dank der immensen Unterstützung unserer fleissigen Casting-Agentinnen. Gewisse Leute, beispielsweise Stefan Kurt und Max Simonischek, gehören zudem bereits ein wenig zur C-Films-Familie. Das schafft über all die Jahre der Zusammenarbeit natürlich Vertrauen und auch kürzere Wege.

«Ich habe ein ganz wunderbares Team, das mich täglich motiviert»

Unsere Leserinnen und Leser werden fragen: Wann startet der Film in den Kinos der Schweiz und in denjenigen von Deutschland und Österreich?
Der Film feierte seine grosse Schweizer Premiere am Sonntag, 28. September, im Rahmen des diesjährigen Zurich Film Festival. Das freut uns ungemein. Immerhin ist hier die Idee zum Film geboren worden, und Max Frisch ist selber eng mit der Stadt verbunden. Das passt also wie die Faust aufs Auge. Offizieller Kinostart wird der 16. Oktober in der Schweiz und der 30. Oktober in Deutschland und Österreich sein. Vorab gibt es rund um die Schweizer Premiere und den Kinostart eine ausgedehnte Kinotour (plus Lunchkino-Programmation) in Anwesenheit des Teams. Karten sind im offiziellen Kinovorverkauf erhältlich.

Sie haben in den letzten zehn Jahren fast jedes Jahr einen grossen Film mit Ihrer Firma C-Films verantwortet. Normalerweise macht ein Produzent vielleicht alle drei Jahre einen Leinwandfilm. Was ist Ihr Geheimnis: Wie schaffen Sie sich zur «Filmerei» und zu den unternehmerischen Herausforderungen einen Ausgleich?
Filme machen ist vor allem eins: Teamarbeit und das Teilen einer gemeinsamen Vision. Ich habe ein ganz wunderbares Team, das mich täglich motiviert. Insbesondere natürlich mein Geschäftspartner Peter Reichenbach, mit dem ich seit 1999 eine einzigartige Verbindung und Zusammenarbeit pflege, wo man sich fast wortlos versteht und sich in jeder Situation den Rücken stärkt. Wenn man gemeinsam Spass an etwas hat, dann ist man unschlagbar. Und wenn ich mal wirklich genug von allem habe, dann geht’s mit meinem Partner und der weissen Schäferhündin Beauvoir in die beruhigenden Wälder.


Das Interview mit Anne Walser ist zuerst in der aktuellen persönlich-Printausgabe erschienen. Dort finden Sie auch ein Interview mit Regisseur Stefan Haupt.

Manfred Klemann ist Unternehmer. Er ist an C-Films beteiligt. Zudem ist er Miteigentümer des persönlich-Verlags.


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