10.05.2021

Serie zum Coronavirus

«Ich sass zwischen Stuhl und Bank»

Folge 174: Für den Schauspieler und Schriftsteller Helmi Sigg war es ein durchzogenes Jahr. Jetzt geht es wieder aufwärts.
Serie zum Coronavirus: «Ich sass zwischen Stuhl und Bank»
«Zu Beginn der Pandemie war ich nicht besonders gut drauf», sagt Helmi Sigg im Gespräch. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Sigg, Sie wurden durch Ihre Rolle als «Murmelimutter Martha» in «Ewigi Liebi» schweizweit bekannt. Nun gibt es seit praktisch einem Jahr keine Theatervorführungen mehr. Wie haben Sie die Coronazeit überstanden?
Die Zeit war für alle Selbständigerwerbenden sehr durchzogen. Nach «Ewigi Liebi» habe ich ernsthaft mit dem Schreiben begonnen. Ich schrieb fiktive Geschichten für renommierte Hotels in der ganzen Deutschschweiz, hatte gute Rezensionen und auch für 2020 gute Jobs in Aussicht. Zwei davon waren für wirklich grosse Namen, als leider Corona dazwischenkam. Alles wurde storniert und ich sass zwischen Stuhl und Bank. Keine Aufträge mehr und auch keine in Sicht. Zu Beginn ein ziemlicher Schock, doch ich bin es gewohnt, mit aussergewöhnlichen Umständen umzugehen. Ich hatte viele Ideen, verwarf aber die meisten wieder, weil der Zeitpunkt nicht passend und sehr vieles in einer Art Schockstarre schien. Eine meiner Ideen verfolgte ich jedoch weiter, ging damit zur Kulturstelle der Gemeinde Thalwil und jetzt realisiere ich ein Buchprojekt mit fünf Autoren und Autorinnen, das wir vor Weihnachten 2021 beenden wollen.

Sie sind neu als «Baustellenreporter» beim See-Spital in Horgen engagiert. Was ist das genau?
Im Dezember bekam ich einen kleinen Auftrag, eine Weihnachtsgeschichte für die Website meines Internisten zu realisieren. Er wollte mich als kreativen Kulturschaffenden unterstützen. Das Resultat hat ihm gefallen und er hat mich weiterempfohlen. Auf kleinen Umwegen landete ich beim See-Spital in Horgen. Auch die hatten ein offenes Ohr, ich durfte einige Ideen vorstellen. Darunter ein Buch. Beim Gespräch hatte ich eine spontane Idee und meinte: «Macht doch ein wenig Promo für euren Neubau ‹Neo›. Zum Beispiel einen Baustellenreport, informativ und lustig. An Ostern mit einem grossen Eiertütschen.» Das hat eingeschlagen. Wir haben den Pilot realisiert. Die zweite Folge steht im Juni an. Dazu darf ich mich auch schreiberisch austoben und ein Geschichtenbuch für die Eröffnung 2023 realisieren. Markus Bircher, CEO des See-Spitals schrieb in der Pressemitteilung: «Mit Helmi Sigg haben wir eine lokale Persönlichkeit, welche uns auf neue und unkonventionelle Art im Auftritt gegenüber aussen unterstützt. Und wir wiederum unterstützen mit der Zusammenarbeit neben einer unkonventionellen Art, sich zu präsentieren, auch die gebeutelte Kunstwelt.»

Freude herrscht ...
Ich kann kaum beschreiben, wie glücklich ich mich bei der Zusage gefühlt habe. Wahrscheinlich hat man sogar noch in Rapperswil den Bums vom Stein, der mir vom Herzen fiel, gehört.

«Die Geburt ist für uns Männer ein Mysterium»

Haben Sie bei Ihrer neuen Tätigkeit im Spital etwas von der Corona-Ausnahmesituation mitbekommen?
Nein. Das Spital habe ich nicht betreten. Auf Umwegen kamen wir zum Heliport. Es gelten bis heute die höchsten Sicherheitsvorschriften. Corona ist einfach omnipräsent.

Sie hatten an Ostern Ihren ersten Auftritt als «Baustellenreporter». Wie waren die Reaktionen?
Sehr gut, ich war selbst überrascht. Das Infotainment hat gut funktioniert und vor der Kamera fühle ich mich immer noch sehr wohl. Der Auftraggeber war begeistert und der Report der ZSZ eine wohlwollende Spalte wert.

Welcher Krimi ist momentan geplant?
Momentan haben die Spitalgeschichten Vorrang. Es ist extrem spannend. Ich führte für eine Geschichte längere Gespräche mit Hebammen. Das war prägend. Die Geburt ist für uns Männer ein Mysterium, denn wir können das nicht nachvollziehen. Sie waren sehr geduldig mit mir, obwohl ich sie mit Fragen endlos gelöchert habe. Dann ist da noch die Anthologie mit den unheimlichen Geschichten, die in Thalwil spielen. Für die arbeite ich ja mit anderen Schriftstellern zusammen. Auch eine völlig neue Erfahrung, vor allem weil man als Schreiberling sonst einen ziemlich einsamen Job macht.

Wie haben Sie sich als «Einzelmaske» während dieser Zeit motiviert?
Zu Beginn der Pandemie war ich nicht besonders gut drauf. Die Ahnung, was auf uns zukommt, und das Realisieren, dass dies keine Science-Fiction-Geschichte ist, haben mich bedrückt. Es war schwierig, in dieser Situation Inspiration zu finden, und es gab für mich wirklich melancholische Zeiten. Aber mein Umfeld, meine Familie und die Tatsache, dass wir in der Schweiz trotzdem sehr privilegiert leben können, waren ein Ansporn zum Arbeiten. Ich spreche jetzt nicht über die wirtschaftlichen Auswirkungen, das ist ein anderes Kapitel. Trotzdem, mein kleines Freundes- und Familien-Netzwerk hat mich immer wieder motiviert. Lange Spaziergänge im ruhigen Wald mit meiner Frau haben auch sehr geholfen.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Da bin ich ganz bescheiden, die Öffnungen der Restaurant-Terrassen mit der Aussicht auf ein gutes Gespräch bei einem gemütlichen Bier mit einem lieben Freund in der Sonne. Das habe ich jetzt sehr lange vermisst.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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