Satirikerinnen kritisieren SRF Comedy scharf

Nachfolge von Deville - Stefan Büsser, Karpi oder Gabriel Vetter soll Nachfolger von «Deville» werden. Warum fehlt eine Frau? Comediennes um Patti Basler und Lara Stoll haben sich am Wochenende an die SRF-Führung gewendet. Das Schreiben umfasst viele Kritikpunkte und zeigt auf strukturellen Sexismus.

von Michèle Widmer

In zwei Wochen geht die SRF-Sendung «Deville» in die letzte Runde. Der Satiriker hatte im November angekündigt, dass die Frühlingsstaffel 2023 nach sieben Jahren seine letzte sein soll (persoenlich.com berichtete). Die Comedy-Programmierung ab Herbst 2023 sei noch offen und werde zu gegebener Zeit bekannt gegeben, hiess es bei SRF damals dazu.

Nun ist man offenbar einen Schritt weiter. Wie der Blick am Freitag berichtete, steht SRF diesbezüglich kurz vor einer Entscheidung. Demnach soll Stefan Büsser der Favorit als Nachfolger von Dominic Deville werden. Auch berücksichtigt wird laut dem Bericht Patrick «Karpi» Karpiczenko, der das Format «Deville» mitentwickelt und bis 2020 als Mitautor, Regisseur und Sidekick zur Crew zählte. Als Dritter im Rennen sei Gabriel Vetter, der regelmässig in der Sendung auftritt und beim Schweizer Radio SRF 1 als Satiriker mit «Vetters Töne» zu hören ist. 

Diese Gerüchte bestätigt SRF auf Anfrage der Schweizer Illustrierten, die ebenfalls am Freitag über die Deville-Nachfolge berichtete, nicht. «Wir entwickeln und testen derzeit verschiedene Konzepte sowie Künstlerinnen und Künstler. Zu den Konzepten und/oder den Künstlerinnen und Künstlern selbst geben wir aktuell keine Auskunft», sagt Tom Schmidlin, Leiter Comedy & Satire, gegenüber der SI.

Warum keine Comedienne?

Überraschend ist, dass sich unter den drei Favoriten keine Frau befindet. Dazu melden sich nun mehrere Comediennes aus der Schweiz in einer Mitteilung zu Wort. In den letzten Tagen seien einige Komikerinnen und Satirikerinnen angefragt worden, warum sie nicht als mögliche Nachfolge von Deville gehandelt würden und warum sie sich nicht dazu äussern würden. Im Schreiben haben Lara Stoll und Patti Basler dazu Stimmen von verschiedenen Frauen aus der Branche zusammengetragen, die einen «allgemeinen Tenor» abbilden sollen. Weitere Namen sowie die Angaben, wie viele Comediennes die Zeile unterstützen, fehlen. Adressiert ist das Schreiben, das persoenlich.com vorliegt, an SRF-Direktorin Nathalie Wappler, SRF-Kulturchefin Susanne Wille, die SRF-Comedy-Abteilung und die Presse.

Generell sei es schwierig für Frauen, sich diesbezüglich zu äussern und Kritik zu üben, da das SRF in seiner Funktion als öffentlich-rechtlicher Sender immer noch der einzige Player sei, der den Künstlerinnen im grösseren medialen Rahmen Aufträge zusprechen könne, heisst es zu Beginn des Schreibens. Im Zusammenhang mit Satire sei ein gebührenfinanzierter Sender auch der einzige, welcher wirklich eine politisch unabhängige Plattform darstelle. Die Comediennes schreiben weiter: «Wer es sich verscherzt, wird noch weniger attraktive Möglichkeiten finden, fürs SRF zu arbeiten.»

Dann zählen die Frauen aus der Branche verschiedene Punkte auf, die die Zusammenarbeit erschwerten und dafür sorgten, dass von ihrer Seite «zeitweise wenig Lust herrscht, mit der Comedy-Abteilung zusammenzuarbeiten». Die Frauen weisen im Brief darauf hin, dass sich diese Punkte nur auf die SRF-Comedy-Abteilung der TV-Unterhaltungsredaktion beziehen.

Im Schreiben steht: SRF Comedy würde sie beständig vor vollendete Tatsachen stellen. Es werde extrem kurzfristig informiert. Und es würden Sachen versprochen, die nicht eingehalten werden. Und, so die Kritik weiter: «Man lässt Leute arbeiten, Ideen und Konzepte entwickeln, versucht dann, Löhne zu dumpen, bis es im besten Falle ganz gratis ist.» Oder: «Es werden Ideen von Künstler:innen in Teilen oder ganz ‹geklaut›.» Die Verantwortlichen würden sich teils einfach nicht mehr melden und allgemein fehle die Transparenz. 

Danach folgen 16 Punkte, die laut den Comediennes den strukturellen Sexismus zeigen. «Frauen wurden in Formate gesetzt, die ihnen nicht entsprochen haben, und wurden dabei verheizt», heisst es hier. Plane eine Frau eine Sendung, sei sie der Entscheidungshoheit von Männern ausgesetzt. Und man setze bei vielen Anliegen in erster Linie auf (ältere) Männer. Weiter die Kritik: «Oft werden gecastete Frauen schliesslich durch Männer ersetzt.» Und: «Wer als Frau mitarbeitet, darf mitdenken, wird bei der Umsetzung aber ausgebremst.» Zudem: «Die Comedy-Abteilung hat nie explizit geäussert, dass sie Frauen als Host will.»

Nur Patti Basler äussert sich

Mit dieser Auflistung wollen die Comediennes in der Schweiz ihre Gründe darlegen, warum «von unserer Seite immer mehr Funkstille herrscht im Zusammenhang mit der Comedy-Abteilung», heisst es am Rande des Briefes. Und: «Im Rahmen der Berichterstattung im Zusammenhang mit den durchwegs männlich besetzten Nachfolge-Produktionen um die Deville-Nachfolge wollten wir Stellung beziehen, damit es nicht einfach heisst, wir Frauen hätten nichts angeboten, seien nicht vorhanden gewesen oder nicht erfahren genug für eine solche Aufgabe.»

Am Freitag äusserte sich SRF gegenüber der SI dazu, warum keine Frauennamen unter den Favoriten zu finden sind: «Wir haben für die Nachfolge eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstler für verschiedene Rollen diskutiert und gecastet. Auch darüber hinaus setzen wir uns im Bereich Comedy intensiv für Talentförderung ein und bieten Workshops und Auftrittsmöglichkeiten – und wir begleiten junge Talente auf ihrem Weg, wie zum Beispiel Reena Krishnaraja, die im letzten Jahr den Nachwuchspreis ‹SRF 3 Best Talent Comedy› an den Swiss Comedy Awards gewinnen konnte. Oder wie im Vorjahr Caro Knaack, die ebenfalls diese Auszeichnung erhalten hat. Beide sind ein Versprechen für die Zukunft.»

Dieses Zitat scheint bei Patti Basler sauer aufgestossen zu sein. Sie äussert sich am Rande des Briefs der Comediennes als Einzige mit einem Zitat und nimmt wie folgt darauf Bezug: «Frauen sind ein ‹Versprechen für die Zukunft›, sie müssen sich nur noch etwas gedulden. Wenn der kränkelnde Patient SRF auf dem letzten Sterbebett liegt, wird man sie vielleicht holen. Die Palliativ-Pflege hat man schon immer gerne Frauen überlassen. Ich habe noch Hoffnung für den Sender».