Welche Trends prägen im neuen Jahr die Medien- und Kommunikationsbranche? In den letzten Wochen wurden unzählige Trend-Reports und Ausblicke für 2025 veröffentlicht. Ein idealer Zeitpunkt, um etwas genauer hinzuschauen und zu vergleichen: Welches sind die Trends, die sich fürs neue Jahr abzeichnen – und wo handelt es sich hauptsächlich um Hypes und guten Marketing-Sprech?
Dafür habe ich in den letzten Wochen des alten Jahres über 30 Jahresausblicke und Trend-Reports analysiert und miteinander verglichen. Bereits zum vierten Mal in Folge (2022, 2023, 2024) leite ich daraus 8 «Meta-Trends» ab. Einige dieser Trends haben sich über die Jahre gehalten und weiterentwickelt – aber längst nicht alle.
Hier findet sich die Original-Publikation des Trendreports mit allen Links und Quellen.
Trend 1: Zöger-Reflex – im Zweifel Fake
Nun sind wir also so weit: Eine Mehrheit der Menschen geht unterdessen davon aus, dass digitale Inhalte grundsätzlich nicht der Realität entsprechen. Dieser Vertrauensverlust führt zu einem «Zöger-Reflex» und betrifft bei Weitem nicht nur die Informationssuche, sondern auch Kaufentscheidungen, Produktbewertungen und soziale Interaktionen.
Gleich mehrere Trend-Reports nehmen sich deshalb dem omnipräsenten Thema der Fake-Inhalte und dem gesellschaftlichen Vertrauensverlust an. Vor diesem Hintergrund wirkt die jüngste Ankündigung aus dem Hause Meta wie ein Brandbeschleuniger: Instagram plant, im nächsten Jahr eine KI-Bearbeitungsfunktion einzuführen, mit der Nutzer:innen «fast jeden Aspekt ihrer Videos verändern können». Mit einer einfachen Texteingabe lassen sich Video-Inhalte umgestalten, ohne dass Nutzer:innen über detaillierte Kenntnisse in der Videobearbeitung oder -manipulation verfügen müssen.
Für Medien- und Kommunikationsanbieter wird 2025 die Balance zwischen dem Einsatz technologischer Innovationen und der Wahrheitsüberprüfung umso herausfordernder. Einerseits müssen Medienhäuser Fehlinformationen aktiv bekämpfen und zugleich auch datenschutzfördernde Technologien einsetzen, um Vertrauen aufzubauen. Andererseits steigt die Nachfrage nach User-Generated-Content weiter an, da dieser authentischer wahrgenommen wird. Ob Ethik-Kodizes, Labels oder neue technologische Tools hier tatsächlich eine Gegenantwort zum Vertrauensverlust und brauchbare Hilfestellungen im Alltag liefern, wird sich in den nächsten Monaten weisen.
Trend 2: Plattform-Deals – von Konflikten zu Kooperationen
Stellte 2023 das Jahr des Hypes dar, machte sich 2024 die Ernüchterung breit: Die Rede ist von KI-Entwicklungen in Unternehmen und dem damit zusammenhängenden Umgang mit den grossen Tech-Playern. Fragen zur Urheberschaft der Sprachmodelle und deren Trainingsdaten bleiben unbeantwortet. Darauf reagieren Verlage und Medienhäuser unterschiedlich: Während die einen die Crawler der KI-Modelle blockieren (z.B. Der Spiegel, BBC, HuffPost) oder Klagen einreichen (z.B. New York Times), schliessen andere strategische Lizenzvereinbarungen ab (z.B. Axel Springer, AP, Le Monde, Prisa Media) oder bauen interne KI-Lösungen (z.B. Bloomberg, Financial Times).
Die Bandbreite an unterschiedlichen Ansätzen im Umgang mit KI-Strategien zeigt eines: Die Umstellung von Such- und Reichweiten-Modellen auf KI-basierte Lösungen hat den finanziellen Druck auf die Medienbranche nochmals massiv verschärft. Strategisch stehen Verlage vor der Herausforderung, zwischen offensiven und defensiven Ansätzen zu navigieren. Einige Organisationen erhoffen sich durch den Partnerschaftsansatz neue Einnahmequellen, andere wiederum fürchten, in eine defensive Position gedrängt zu werden.
Aus den vergangenen Transformationszyklen haben allerdings die meisten gelernt: Niemand will mehr den Anschluss verpassen und durch Zögern und Passivität langfristige Wettbewerbsvorteile aufs Spiel setzen. Die nächsten Monate werden zeigen, welcher strategische Ansatz schliesslich der effektivste ist und ob sich Deals mit den grossen Tech-Playern wirklich als nachhaltig erweisen.
Trend 3: KI-Agenten – Vormarsch der autonomen Alltagshelfer
2024 war das Jahr der Prompts und Chatbots. Nun vollzieht sich der Übergang von KI-Tools mit isolierten Aufgaben hin zu autonomen, agentenbasierten Lösungen. Diese personalisierten KI-Agenten werden sich beinahe unsichtbar in den Alltag einbetten. So stellen sich zumindest gleich mehrere Trend-Reports die nahe Zukunft vor. Erste Schritte in diese Richtung wurden mit der Präsentation der Apple Intelligence und ChatGPT-Integration in die Smartphone-Suche bereits sichtbar.
Gemäss Dentsu gehen drei von vier Konsument:innen weltweit davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren die meisten Aspekte ihres Lebens durch KI gesteuert werden. Langfristig sollen personalisierte Agenten, sogenannte PLAMs (Personal Large Action Models), nahtlos in digitale und reale Lebensbereiche integriert sein (z.B. via Apps, smarte Haushaltsgeräte oder Fahrzeuge). Diese Agenten lernen aus unserem Verhalten, agieren ohne bewusste Eingaben und respektieren gleichzeitig Datenschutz und persönliche Präferenzen.
Doch die Herausforderungen sind noch immer immens, wie Forrester in ihrem Trendreport aufzeigt: Die Integration von KI-Modellen in unseren Alltag erfordert mehr Rechenleistung, eine bessere Datenbasis und spezifische Expertise in der Anwendung. Deloitte und Capgemini sehen indes grosses Potenzial bei der Softwareentwicklung und im Bereich der Cybersicherheit. Medien- und Kommunikationsunternehmen werden einmal mehr gleich doppelt gefordert sein: Zum einen müssen sie solche Large Action Models unternehmensintern implementieren, zum anderen erwarten Nutzer:innen künftig in den Medienprodukten solche Anwendungen und Services.
Trend 4: Suche 4.0 – persönliche Antworten statt Resultatelisten
2025 markiert das Ende einer prägenden Internet-Ära. Denn was sich in den vergangenen Jahren bereits abgezeichnet hat, wird sich in diesem Jahr definitiv durchsetzen: Mit der rasanten Ausbreitung der neuen KI-Suchmöglichkeiten (ChatGPT Search, Perplexity und Gemini) endet die Art, wie wir traditionell im Netz nach Informationen suchen. Dass wenige Schlüsselwörter eine Reihe unspezifischer Resultate liefern, fühlt sich schon heute anachronistisch an. Gartner geht davon aus, dass deswegen bis 2026 das Volumen der traditionellen Suchmaschinen um 25 % sinken wird.
Und das trifft längst nicht nur auf Vertreter:innen jüngerer Generationen zu. Zahlreiche Nutzer:innen wechseln heute fliessend zwischen konkreter Informationssuche und intuitivem Aufstöbern von neuen Informationen. Daraus entsteht ein neues Nutzungsbedürfnis: Die schnelle Verfügbarkeit nach der individuellen «klaren» Antwort auf jede mögliche Frage. Bisher diente dafür der Austausch im persönlichen Umfeld, stellenweise auch die Meinungen von Influencer:innen via Social Media.
Wollen Medienhäuser und andere Organisationen in der Kommunikationsbranche auf diese Bedürfnisse reagieren können, müssen sie kleinere, parallele User-Funnels und personalisierte Zugänge schaffen. Zugleich sind neue Wege der Zielgruppen-Bindung gefragt, bei welchen die authentische Beziehung und Ritualisierung an erster Stelle stehen. Nur so werden sich Organisationen von der bisherigen Abhängigkeit von Suchmaschinen lösen können.
Trend 5: Money, money money – alles wird zum Marktplatz
Die Grenzen zwischen Informationsbeschaffung, Unterhaltung und eCommerce verschwimmen zunehmend. Grosse Einzelhändler investieren massiv in hochwertige Medienangebote und Werbeplattformen (z.B. Digitec/Galaxus, Autodoc oder Walmart), während Medienhäuser und Social-Media-Plattformen verstärkt zu Verkaufsplattformen mutieren (z.B. TikTok verfügt unterdessen über 15 Mio. Händler weltweit).
Dentsu prophezeit für 2025, dass ein bedeutender Streaminganbieter einen grossen Einzelhändler kauft – oder umgekehrt. Ziel einer solchen Übernahme wäre es, das Geschäft zu diversifizieren, die Kundenbindung zu stärken und durch Zusammenlegung von Werbepools neue Umsatzquellen zu erschliessen.
Diese Kommerzialisierung hat jedoch auch ihre Schattenseiten: Fast die Hälfte der Nutzer:innen empfindet das Online-Erlebnis zunehmend als aufgezwungenen Einkauf. Mit dieser übermässigen Monetarisierung von Informations- und Unterhaltungsinhalten riskieren die Unternehmen das Vertrauen der Konsument:innen. Creators spielen in diesem Wandel 2025 eine zentrale Rolle: Hier zeichnet sich eine immer stärkere Kluft zwischen umstrittenen KI-Influencer:innen und authentischen Micro- und Nano-Influencer:innen ab.
Trend 6: Statt Doomscrolling – neue Sehnsucht nach echten Momenten
Jeder Trend erzeugt früher oder später einen Gegentrend. «Social Rewilding» – die bewusste Bewegung hin zu authentischen Verbindungen und Erlebnissen in der realen Welt – stellt laut Accenture die Gegenbewegung zur KI-Zukunft dar. Geprägt durch die Auswirkungen der Pandemie-Jahre, legen Menschen zunehmend Wert auf Tiefe und Sinnhaftigkeit in ihren Interaktionen. Es wird nach einem ausgewogenen Umgang mit Technologie gesucht, um «Doomscrolling» zu verhindern. Die Zunahme von E-Ink-Handys und Dumbphones sind sichtbare Ausprägungen dieses Trends.
Die Suche nach mehr Tiefe und Sinnhaftigkeit umfasst sowohl soziale Kontakte als auch einzigartige und unvergessliche Offline-Erlebnisse. Konsument:innen möchten sich stärker mit ihrer Umwelt verbinden – oft, aber nicht ausschliesslich in der Natur. Dabei gewinnen Marken an Bedeutung, die ihre Online-Communities erfolgreich in echte Fürsprecher:innen im realen Kontext übersetzen können. Diese Verknüpfung von digitaler Reichweite und physischen Erlebnissen schafft bleibende Erinnerungen, ermöglicht langfristiges Engagement und neue Erlösmodelle.
Organisationen in der Medien- und Kommunikationsbranche sind prädestiniert, solche emotionalen Erinnerungsmomente zu schaffen, indem sie ihre Geschichten auch offline erlebbar machen. Davon zeugen die Zunahme von Live-Podcast-Aufzeichnungen, neue Journalismus-Festivals und gar der Bau eines Journalismus-Hauses. 2025 ist das Jahr, in dem solche Offline-Konzepte zu einer tragenden Säule im Finanzierungsmix von Medienorganisationen werden.
Trend 7: Leadership-Challenge – zwischen Autonomie und Kontrolle
2024 war für Unternehmen in der Medien- und Kommunikationsbranche ein herausforderndes Jahr – aber andere Branchen hatten mit vergleichbaren Schwierigkeiten zu kämpfen. Arbeitsstellen wurden abgebaut und Prozesse auf Effizienz getrimmt. 45 % der Arbeitnehmer:innen in Deutschland stellten 2024 gemäss einer PwC-Studie eine höhere Arbeitsbelastung als in den Vorjahren fest. Der finanzielle Druck auf Führungskräfte hat vielerorts zu Team-Umstrukturierungen geführt. Mehr Entscheidungsbefugnis wurde wieder in der Hierarchie verortet. Dazu gehörten auch verstärkte Kontrollen und «Back-to-Office»-Weisungen.
Doch diese hierarchischen Entscheidungsstrukturen verlangsamen die Arbeit von Teams und verringern deren Fähigkeit, sich an Veränderungen und Unsicherheiten anzupassen, stellte eine Studie der University of Mexico jüngst fest. Denn das verstärkte Tracking und die strikten Kontrollmechanismen führen bei den Mitarbeitenden zu einem Gefühl mangelnder Autonomie, was sich negativ auf Motivation und Kreativität auswirkt.
Führungskräfte stehen 2025 vor grossen Herausforderungen: Gartner kommt in ihrem Trend-Report zum Schluss, dass Manager:innen nicht ausreichend auf die Führung von Veränderungen vorbereitet sind. Es reicht bei Weitem nicht, dass Manager und Politikerinnen «einfach mehr Lust auf Arbeit» von Arbeitnehmer:innen verlangen. Vielmehr muss Führung 2025 endlich neu gedacht werden, wie gleich mehrere Trend-Reports festhalten. Nur so können die grossen Herausforderungen des Arbeitsmarkts – von Change-Müdigkeit über nachhaltige Personalentwicklung, Fachkräftemangel bis hin zu Diversität und generationenübergreifender Zusammenarbeit – erfolgreich gemeistert werden.
Trend 8: Psychologische Sicherheit – gesunde Arbeitskultur als Wettbewerbsvorteil
Je grösser der Fachkräftemangel, desto kreativer die Lösungen, um Talente anzuziehen und halten zu können. Personalisierte Benefits, wie flexible Arbeitszeitmodelle, Gesundheitsangebote oder massgeschneiderte Weiterbildungsprogramme, werden laut den LinkedIn Big Ideas 2025 und weiteren Trend-Reports zu einem strategischen Vorteil für Organisationen.
Die Realität in den Unternehmen weist aber oft in eine andere Richtung: mit Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer gewünschten Unternehmenskultur. Gemäss dem Trend-Report von Gartner berichtet über die Hälfte der HR-Leiter:innen in einer Studie aus 60 Ländern, dass Führungskräfte die vorgegebenen Werte und Unternehmenskultur nicht effektiv vorleben. Dies erschwert es, eine konsistente und motivierende Arbeitskultur zu etablieren. Dazu gehört auch die Förderung der mentalen Gesundheit. Die Zunahme von Burnouts und psychischen Belastungen fordert Unternehmen dazu auf, proaktive Massnahmen wie Case Management, Mentoring-Programme und klare Perspektiven für die persönliche Entwicklung zu etablieren.
Ein toxisches Betriebsklima vergiftet nicht nur die Stimmung innerhalb der Organisation, sondern rächt sich auch auf finanzieller Ebene. Der Trend hin zu einer Arbeitswelt, die zunehmend auf die Resilienz, psychologische Sicherheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter:innen setzt, wird für 2025 deshalb umso deutlicher.
Konrad Weber ist selbständiger Stratgegieberater. Zuvor arbeitete er als Digitalstratege bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF.