«Bereinigung schafft Gewinner und Verlierer»

Ad Viewability - Gebucht ist nicht automatisch auch gesehen: Messsysteme zeigen hohe Abweichungen bei digitalen Kampagnen. Werbeauftraggeber sind entsprechend unzufrieden. Es braucht nun eine Diskussion über die Sichtbarkeit, fordert Mark Forster, CEO vom Mobile-Technologie-Unternehmen Adello.

von Christian Beck

Herr Forster, nach Ad Fraud wird nun Ad Viewability, also die Sichtbarkeit von digitalen Kampagnen, plötzlich zum grossen Thema. Warum gerade jetzt?
Es braucht ja in der Regel einen bestimmten Druck, damit etwas zum Thema wird. Bei Ad Fraud wusste man ja schon länger, dass es existiert, aber es brauchte den «Methbot»-Event, damit es als Thema breit in die Medien kam (persoenlich.com berichtete). Bei Viewability wurde ein international gültiger Marktkonsens, was denn als sichtbar gelten soll, erst vor relativ kurzer Zeit verabschiedet und damit der Weg einer einheitlichen Messung geebnet.

Und was ergeben diese Messungen?
Die Messsysteme zeigen bei einigen Anbietern relativ hohe Abweichungen zwischen «gebuchter» und «als sichtbar geltenden» Impressionen. Das bedeutet, dass deshalb Kunden zunehmend verstehen wollen, was sie für ihr Geld eigentlich bekommen. Das zieht die Frage nach sich, was denn wie und mit welchen Mitteln gemessen wird. Es betrifft also mehrere Partner in der Wertschöpfungskette. Die Frage nach Viewability löst eine Diskussion aus, die aus meiner Sicht für die Branche gesund und wichtig ist. Der Bereinigungsprozess wird Gewinner und Verlierer schaffen.

Wer gewinnt und wer verliert?
Die oben erwähnten Abweichungen werden reduziert oder sogar verschwinden. Unmittelbar profitieren alle Werbetreibende. Die Anbieter, welche messbar sichtbare Werbung anbieten können, gewinnen ebenfalls. Wer es nicht schafft, aufgrund von Technologie oder besserem Angebot eine hohe Sichtbarkeit zu garantieren oder für geringere Sichtbarkeit einen erheblich günstigeren Preis anzubieten – Stichwort: Sliding Scales –, dürfte es in Zukunft schwer haben.

Die Forderung nach mehr Sichtbarkeit ist ja an und für sich verständlich…
Ja. Niemand will für einen ganzen Liter Wasser bezahlen, aber nur die Hälfte davon trinken können. Die Kunden können mittlerweile gut mitmessen. Das löst zu Recht die Forderung nach garantierter Sichtbarkeit aus.

Bislang galt der Standard 50/1: Mindestens 50 Prozent der Fläche einer digitalen Werbeanzeige muss während mindestens einer Sekunde auf dem Touchscreen sichtbar sein. So kurz und nur halb sichtbar: Ist das richtig?
Das ist die Definition, die von der IAB (Interactive Advertising Bureau, ein internationaler Wirtschaftsverband der digitalen Werbebranche, Anm. der Red.) verabschiedet wurde. Daran halten sich nun die meisten Firmen, wie auch wir. Wichtig ist zu verstehen, dass dies das Minimum darstellt. Es ist also nicht so, dass die Werbung immer nur eine Sekunde lang angezeigt wird. In der Tat kann man sich aber darüber streiten, ob diese Definition zu streng oder zu lax ausgelegt ist. Über die Anzahl Sekunden und die Prozente der sichtbaren Fläche kann man diskutieren, allerdings ohne jemals eine objektiv eindeutig korrekte Antwort zu erhalten. Dass man einen Standard für Qualität definiert hat, ist jedoch auf jeden Fall ein erster Schritt in die richtige Richtung und Voraussetzung für eine transparente Abrechnung zwischen Werbeauftraggeber und -nehmer.

Aber ein Mensch kann doch in einer Sekunde keine Werbung erfassen.
Die zeitliche Wahrnehmungsschwelle ist Teil dieser Diskussion. Es gibt Studien zum Thema subliminale Werbewirkung oder «25th Frame», welche suggerieren, dass sogar in Bruchteilen von Sekunden eine Werbewirkung hergestellt werden kann. Ob das stimmt oder nicht, darüber kann ich keine Aussage treffen. Die Experten jedenfalls scheinen eine Wirkung in weniger als einer Sekunde zu bejahen. Was wir aus eigener Erfahrung indikativ wissen, ist, dass wenn ein Ball beim Autofahren über die Strasse schiesst, wir keine Sekunde brauchen, um es als Ball zu erkennen und abzubremsen. Wo die genaue zeitliche Grenze liegt, ist individuell und von mehreren Faktoren abhängig, deshalb diskutieren darüber Experten, und auf solche stützen Empfehlungen wie diejenige der IAB ab.

Und bevor es diese IAB-Standards gab, haben alle Anbieter – auch Adello – nicht garantiert sichtbare Werbung verkauft…
Diese Aussage betrifft alle Mediengattungen. Und in den meisten ist das heute noch nicht gelöst. Bevor in der Wertschöpfungskette eine einheitliche Messgrösse definiert wurde, wurden auch in Mobile mögliche Werbeeinblendungen (OTS) verkauft. Bislang ohne zusätzliche Garantie der Sichtbarkeit. Die Kriterien sind heute einheitlich, und die Technologie erlaubt es, garantierte Sichtbarkeit zu liefern. Diese Voraussetzungen mussten zuerst gegeben sein, wie bei jeder technischen Entwicklung.

Nun führen Sie mit «Viewable Cost per Mille» (vCPM) eine neue Währung ein. Bezahlt werden muss nur, wenn die Werbung sichtbar ist (persoenlich.com berichtete). Warum das neue Angebot?
Wichtig ist, dass sowohl die IAB wie auch erste Kunden auf die Einhaltung der IAB-Definition pochen. Um dies zu tun, muss man ja zunächst die Sichtbarkeit messen können, um danach die Leistung objektiv einhalten zu können. Es ist aber auch klar, dass einige Kunden weiter darüberhinausgehende Definitionen verlangen werden. Danach richten wir uns. Wir stellen die Tools bereit und entwickeln die Produkte, von welchen wir glauben, dass sie Kundenbedürfnisse decken. Das Bedürfnis nach einem transparenten und garantierten Preismodell für vCPM haben wir in den letzten Monaten bei mehreren Kunden wahrgenommen und uns entschieden, es als eigenes Produkt zu lancieren.

Unter dem Strich bedeutet das dann aber weniger Einnahmen. Wer wird Abstriche machen müssen?
Diese Aussage stimmt, wenn man davon ausgeht, dass eine sichtbare Werbung den gleichen Preis haben sollte, wie eine kaum oder nicht sichtbare Werbung. Wir kennen in der Industrie aber bereits die Abstufung nach Platzierung, zum Beispiel Above- oder Below-the-fold. Die garantierte Sichtbarkeit ist also ein Qualitätsmerkmal, was eingepreist wird. Es findet eine Aufteilung des Werbeinventars in Kategorien statt. Ein Teil des Werbeinventars verteuert sich, während ein anderer Teil sich verbilligt. Wir gehen davon aus, dass in der Summe die Einnahmen nicht drastisch ändern. Hingegen dürfte es für Anbieter, die hauptsächlich letztere Kategorie verkaufen, in der Tat zu Umsatzeinbussen führen.

Auch der Outstream-Spezialist Teads bietet neu mit «inRead Scroller» eine ähnliche Technologie an (persoenlich.com berichtete). An der Konkurrenz werden Sie keine Freude haben.
Im Gegenteil. Jede Entwicklung, welche den Kundennutzen erhöhen kann, ist zu begrüssen. Auch wenn sie nicht von uns ist. Wir suchen deshalb auch laufend Kontakte mit Publishern, Kunden und Agenturen. Weil wir der Meinung sind, dass wir als Industrie zusammenarbeiten müssen, um gemeinsam die Herausforderungen zu diskutieren, Möglichkeiten zu evaluieren und den Kundennutzen zu erhöhen. Wir alle sind gefordert.

Wer profitiert denn nun von besserer Sichtbarkeit von Werbung?
Zunächst profitieren die Werbeauftraggeber. Sichtbarkeit ist ein Aktivierer am Anfang des Werbetrichters. Sichtbarkeit erlaubt es, eine Message zu platzieren, die gesehen wird. Damit kann eine Zielgruppe valide adressiert werden. Und die in der Message umgesetzte Kreativität vermittelt werden. Im Idealfall soll dies in der Kombination dazu führen, dass die Endkonsumenten eine Werbung präsentiert bekommen, die sie wahrnehmen und mit der sie entscheiden, zu interagieren. Der Ursprung liegt stets in der Sichtbarkeit. Deshalb entspricht garantierte Viewability letztlich auch unserer langjährigen Mission, Werbung relevant zu machen.


«Für unsichtbare Werbung bezahlen?» – unter diesem Motto findet am Mittwoch, 31. Mai, von 8.30 bis 11.30 Uhr in Zürich ein Fachevent von Adello statt. Es referieren Experten von Mediapulse, Tamedia und OMD. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung.