Eine Todesanzeige verkündet das Ableben von «Klassische W. Agentur». «Mit grossen Schmerzen ist sie kürzlich von uns gegangen, die klassische Werbeagentur», heisst es im Schreiben. Trotz Lebenslust vermochte etwas das edle Gemüt zu trüben: «Die Forderung, auch noch verkaufen zu müssen. Den Ruf nach Direct Marketing und mehr Umsatz überhörte sie». Wer den Text liest, merkt, dass es sich um eine Werbung der Post für ihr Direktmarketing handelt.
In den Sozialen Medien warf diese Todesanzeige hohe Wellen:
Werbung darf provozieren. Aber, sorry liebe @PostSchweiz, eine von Hand adressierte Todesanzeige zeugt von ganz schlechtem Geschmack. pic.twitter.com/UdMIj5fHwN
— Beat Krapf (@bkrapf) 22. November 2016
«Meine Assistentin hatte das an mich adressierte Mailing vorsorglich entsorgt, was für sie spricht. Ich habe das Mailing erst in den Sozialen Medien gesehen. Der treffendste Kommentar in einem Wort: jenseits», ergänzt Havas-CEO Frank Bodin auf Anfrage von persoenlich.com. Und weiter: «Das Mailing ist geschmacklos und unüberlegt. Die Agenturen und die Post sind Geschäftspartner – in einer guten Partnerschaft erwartet man eher einen Liebesbrief.»
Post krebst zurück
Das Direct Mailing wurde an 260 Creative Directors von Schweizer Werbeagenturen verschickt. «Mit dieser Werbeaktion wollte die Marketingabteilung des Bereichs PostMail Aufmerksamkeit für das Direct Mailing im Werbemix schaffen», sagt Post-Sprecherin Jacqueline Bühlmann auf Anfrage. Und: «Mit dieser Aktion sollte bewusst provoziert werden, um die Aufmerksamkeit dieser Zielgruppe zu erhalten.»
Der Bogen wurde aber offenbar überspannt. Die Reaktionen waren laut Bühlmann mehrheitlich negativ. Deshalb: «Diese Aktion wurde sofort gestoppt. Sie war mit der Konzernkommunikation nicht abgesprochen», so Bühlmann. Die Verantwortlichen von PostMail würden sich nun schriftlich bei den betroffenen Werbeagenturen entschuldigen. «Die Post will und darf mit ihren Aktivitäten keine Gefühle verletzen.»
Die dazugehörige Microsite post.ch/ewigesleben wurde am Donnerstag kurz vor Mittag vom Netz genommen, respektive verweist jetzt auf ein Kontaktformular für eine Direct-Marketing-Beratung.
«Schmunzeln – dann weiterarbeiten»
Auf der Microsite waren auch diverse Statements von Werbern platziert, darunter eines von Dennis Lück, Chief Creative Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Jung von Matt/Limmat. «Ich verdanke Direct Marketing viel. Wenn man zeitgemäss damit umgeht, dann ist Direct Marketing nach wie vor eine Macht», sagt Lück gegenüber persoenlich.com.
Dass das Post-Mailing für Unmut sorgte, kann Lück verstehen. «Hier wird ja ein Agenturmodell für tot erklärt. Dass das provoziert und Reaktionen hervorruft, das muss von Anfang an klar und kalkuliert gewesen sein. Ich vermute: Die Reaktionen waren Teil der Idee. Man hat das Stilmittel der Provokation gewählt, und die Aufmerksamkeit hat es nun. Ganz gleich, ob man es doof oder gut findet.»
Dass Agenturen sterben, weil sie kein Direct Mail verwenden würden, habe hoffentlich niemand ernsthaft geglaubt. «Ich kann nur empfehlen: Kurz schmunzeln, und dann weiter an der nächsten Kommunikations-Idee arbeiten. Egal ob am Direct Mail oder am krass viralen Banner.»
Entwickelt hat das Direct Mailing die Agentur am Flughafen. «Wenn man an eine Werbeagentur Werbung verschickt, wird man kritisch beäugt», sagt René Eugster, Executive Creative Director der Agentur am Flughafen, auf Anfrage.