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Zu wenig Mut

Edith Hollenstein

Die Post krebst zurück, das ist mehr als schade. Denn Werbung muss auffallen. Und das Direct-Mailing in Form einer Todesanzeige erfüllt dieses Ziel nicht nur, sondern übertrifft es. Das Schreiben, welches die Schweizerische Post in Zusammenarbeit mit der Agentur am Flughafen an 260 Schweizer Kreative verschickt hatte, sorgt für Ärger. Der Text, gelayoutet als klassische Todesanzeige, verkündet das Ableben von «Klassische W. Agentur, 15. April 1855 – 15. November 2016». Von der ersten Litfass-Säule bis zum Tag im Zeitalter der digitalen Revolution: «Mit grossen Schmerzen ist sie kürzlich von uns gegangen, die klassische Werbeagentur», heisst es.

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Natürlich kann man sagen, eine scheinbare Todesanzeige zu verschicken, sei pietätlos. Wie geistreich der Text ist, darüber kann man sich streiten, ist aber letztendlich gar nicht entscheidend. Denn diese Aktion sollte eines erreichen: Dass Werber, die derzeit gerne in Digital- oder Content-Marketing-Massnahmen investieren, auch das klassische Direct Marketing nicht ausser Acht lassen sollen. 

Wenn sich die Post nun vom Ärger der Werber einschüchtern lässt, wirkt das nicht besonders souverän: Man will provozieren und ist selbst überrascht, dass die Provokation funktioniert. Es zeugt nicht von viel Weitsicht, wenn die Marketingabteilung nach kritischen Nachfragen von Journalisten einknickt und die eigens konzipierte Microsite sofort abschaltet.

Die Post hätte durchaus selbstbewusst zur provokativen Aktion stehen können. Denn Entschlossenheit wird sich lohnen. Gerade die anvisierten Werber, darunter auch diejenigen, die beklagen, wie «jenseits» dieses Mailing doch sei, jammern für gewöhnlich. Nämlich darüber, dass ihre Auftraggeber in den letzten Jahren so mutlos geworden sind.  

 

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Kommentare

  • Nadine Kündig, 28.11.2016 10:18 Uhr
    Herzliches Beileid zu dieser Idee. Die Post ist seit Jahren ein Partner fast sämtlicher Werbeagenturen und brüskiert sie aufs Peinlichste. Was war das Ziel dieser Aktion, die mit Steuerfranken bezahlt wird? Die Post will Agenturen dazu bewegen, Direktmarketing-Dienstleistungen bei der Post einzukaufen? Sie wirft den Agenturen vor, nicht verkaufen zu können. Anscheinend hat sie selbst Mühe Ihre Leistungen zu verkaufen. Nur mit Hilfe eines von Hand geschriebenen Trauerkuverts schafft sie es überhaupt, dass ihre Empfänger das Kuvert öffnen. Aufgrund dieses Schreibens, in welchem sich der Absender provokativ, pietätlos und herabwürdigend über eine ganze Branche äussert, hofft sie noch neue Kunden zu gewinnen? Ich habe über 15 Jahre in der Direktmarketingbranche gearbeitet, aber so eine Bieridee habe ich noch niemals für teures Geld ausgedacht, gelayoutet und umgesetzt gesehen. Schade, dass die Post auf makabre Weise auf Ihre Dienstleistungen aufmerksam machen muss. Es gibt ungemein kreative, witzige und kluge Ideen, wie man neue Kunden gewinnen kann. Provokation ja, aber bitte gekonnt und nicht auf diesem Niveau wo wo wo!
  • Balz Rigendinger, 25.11.2016 08:54 Uhr
    Ja, Edith Hollenstein, da haben Sie einen Punkt. Aber ich hätte auch keine Freude, wenn die Schnöselabteilung vom Staatsbetrieb mein Geschäft für tot erklären würde. Für das ich ohne wärmendes Staatsmäntelchen im garstig kalten Wind gerackert habe. Formal mag es eine diskutable Provokotion sein. Inhaltlich kann es als Spucke vom Staat ins Gesicht der Tüchtigen verstanden werden, Runtermachwerbung eben.
  • Agnès Laube, 25.11.2016 08:40 Uhr
    Eine wirklich gute Provokation muss – ähnlich wie eine spitze Karikatur – sehr klug sein. Die Betroffenen fühlen sich ertappt, können aber auch lächeln, weil im Kern etwas getroffen wurde. Direktangriffe (wie in besagtem Mailing), die das vis-à-vis beleidigen bewirken das Gegenteil. Natürlich ist es eine Gratwanderung. Aber Provokation um der Provokation willen ist hohl. Wenn du jemanden schlägst, erhältst Du meistens auch eine Reaktion, die Frage ist, was für eine. Das erinnert an Trump's Methoden.
  • Thomas Meierhans, 24.11.2016 16:58 Uhr
    @ Markus "Jenseits" Ruf: Was ist Ihre Reaktion auf auf diesen Kommentar?
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