03.04.2002

Studie

Lebensmittelindustrie und Handel verstärkt im Kampf um Verbraucher

Läden auf dem Weg vom Verteiler zur Marke.

Die Loyalität des Kunden gegenüber ihren Geschäften zu sichern sehen 85 Prozent der europäischen Lebensmittelhändler als wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre an. Das sagen auch Lebensmittelhersteller, befragt nach den Herausforderungen für den Handel - 86 Prozent stimmen hier zu. Weniger Einigkeit gibt es bei der Frage nach der Top-Herausforderung für die Food-Industrie. Hier sehen die europäischen Hersteller selbst mit 96 Prozent die Entwicklung innovativer Produkte an der Spitze. Der Aspekt Lebensmittelsicherheit kommt bei ihnen mit 68 Prozent erst an dritter Stelle. Ganz anders der Handel - nach den Skandalen um BSE und Maul- und Klauenseuche fordert er von den Herstellern sichere Produkte für den Verbraucher - 91 Prozent sehen die Produktsicherheit als grösste Herausforderung für die Industrie.

Diese Ergebnisse zeigt die Studie "State of the Art in Food: The Changing Face of the Food Industry" von Cap Gemini Ernst & Young, bei der weltweit 65 CEOs und 220 leitende Manager von führenden Markenherstellern und Händlern aus der Lebensmittelbranche befragt wurden. Die Ergebnisse erscheinen jetzt in einem 600 Seiten starken Buch von den Autoren der Management und IT- Beratung Cap Gemini Ernst & Young Jan-Willem Grievink, Lia Josten und Conny Valk. In der Studie wurden unter anderem der Konsumentenmarkt, die Integration der Wertschöpfungskette und Veränderungen im Beschaffungsmarkt untersucht.

Kampf um den Verbraucher

Der Machtkampf in der Lebensmittelindustrie wird zwischen marktbeherrschenden Markenherstellern und den grossen internationalen Einzelhandelsketten stattfinden. Jede Partei wird versuchen, sich den Löwenanteil der Aufmerksamkeit des Verbrauchers zu sichern. Einzelhandelsketten geben ihren Läden ein Markenimage, um ihren Einfluss auf das Konsumentenverhalten auszubauen. Markenhersteller halten dagegen, indem sie nach neuen Vertriebswegen suchen. Automaten, Catering Services und das Web sollen helfen, ihre Waren an die Frau oder den Mann zu bringen. "Die Entwicklung geht ganz klar dahin, dass sich Formate des Handels selbst als Marke etablieren und damit für den Verbraucher zum entscheidenden Auswahlfaktor werden.", erklärt Dr. Harald Münzberg, verantwortlicher Vice President im Bereich Handel und Konsumgüter bei Cap Gemini Ernst & Young in Zentraleuropa. "Um eine wirksame Kundenloyalität aufzubauen und zu erhalten, müssen sich Unternehmen über optimiertes Kundenbeziehungsmanagement und Loyalitätsprogramme ganz klar am Markt differenzieren. Es ist entscheidend, dass sie eine Markenbindung mit den Konsumenten aufbauen und von dieser nicht mehr abweichen."

Globale Marken werden vorherrschen

Die Studie zeigt, dass 20 bis 25 globale Marken in den verschiedenen Kategorien der schnelllebigen Konsumgüter entstehen werden. Diese Marken werden in über 100 Ländern eine vorrangige Position einnehmen und etwa zehn global agierenden Markenherstellern gehören. 250 starke internationale Marken mit einer Präsenz in mehr als fünf Ländern werden erwartet. An die 2500 werden als A-Marken in einem bis zu fünf Ländern vorhanden sein. Diese Marken können entweder internationalen Einzelhandelsketten wie auch lokalen, marktführenden Lebensmittelherstellern gehören. Das globale Wachstum bringt auch Probleme mit sich: "In dem Mass, in dem das Geschäft wächst, wächst auch das Risiko", erläutert Münzberg. "Viele Unternehmen verwässern die Stärke ihrer Marke, indem sie zu viele Produkte einführen. Lokale Marken werden durch multinationale Produkte bedroht. Hier können Unternehmen mit einer klar lokal artikulierten Markenposition gewinnen."

Tatsächlich verbinden viele globale Hersteller von A-Marken ihre globalen Marken mit den "lokalen Juwelen" und präsentieren somit ein gemischtes Markenportfolio, aus dem die Einzelhändler die für ihren Markt geeignetste Lösung auswählen können.

Kosteneinsparung bei Lieferantenkette - noch fehlt die Zusammenarbeit

Der Bericht zeigt, dass in Europa acht Milliarden Euro durch eine bessere Integration der Lieferkette eingespart werden könnten. Durch die fehlende Zusammenarbeit zwischen Einzelhandel und Herstellern fällt es schwer, Kosten in grösserem Umfang einzusparen. In den nächsten Jahren wird die Branche herausgefordert sein, eine immer komplexer werdende Lieferantenkette zu verwalten. Wenn dieses Problem behoben wird, führt dies nicht nur zu bedeutenden finanziellen Vorteilen, sondern auch zu einer verbesserten Produktqualität. Hersteller und Einzelhandel sind sich einig, dass sie einen fundierten Ansatz finden müssen, um die Lieferkette zu optimieren. Hier wurden vier Themen genannt: besseres Kooperieren mit Geschäftspartnern, Standardisieren von Informationen, Optimieren der Sicherheit von Lebensmitteln und Ausrichten auf zentrale Geschäftsprozesse.

Für ein standardisiertes System ist es unablässig, die Informationen durch Integration von Technologien im eigenen Unternehmen und bei externen Partnern zu vereinheitlichen. Ebenso muss in der gesamten Kette mit neuer Technologie die Produktqualität überwacht und die Lebensmittelsicherheit gewährleistet werden. Schliesslich können Einzelhandelsketten eine höhere Effizienz erzielen, indem sie bei Warehousing- und Distributionssystemen mit anderen Einzelhändlern Partnerschaften bilden. Dies wird derzeit nur von sehr wenigen Unternehmen genutzt.

Handel greift in den Produktionsprozess ein

Wenn sich das Kräftegleichgewicht weiterhin zugunsten des Einzelhandels verlagert, wird sich das Einkaufsverhalten vor allem bei Frisch- und Kühlprodukten verändern. Der Einzelhandel wird nicht mehr einzelne Produkte oder Sortimente einkaufen, sondern den Gesamtprozess erwerben und kontrollieren - von den Zutaten bis hin zur Produktion und so sicherstellen, dass das Endprodukt den Bedürfnissen des Kunden entspricht.

Die Einzelhändler, die hier mehr in den Produktionsprozess einsteigen werden, bewerten ihre bevorzugten Lieferanten nach bestimmten Schlüsselkriterien. An erster Stelle stehen Qualität und Sicherheit. Zu den weiteren Faktoren gehören Profitabilität und ein Differenzierungsvorteil für den Einzelhändler, die Fähigkeit, die Loyalität der Kunden positiv zu beeinflussen und die Schaffung eines innovativen Images für den Laden.


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