24.04.2002

Berater

Schlechte Noten aus den eigenen Reihen

Über drei Viertel gegen die Einführung einer Zertifizierungspflicht.

Basierend auf einer vom Fachverlag jobindex media ag in Auftrag gegebenen Untersuchung zum Unternehmensberatungsmarkt in der Schweiz haben die Beratenden ein kritisches Bild von sich selbst gezeichnet. So stimmen beispielsweise nicht einmal die Hälfte der befragten Unternehmensberater der Aussage zu "Nur wer gut ist, kann Berater werden".

In der Schweiz erwirtschaftet die Management-Beratung mit 37 Prozent des Gesamtumsatzes der heimischen Beratungsdienstleister deutlich am meisten. Die personalbezogene Beratung steht mit 22 Prozent an zweiter Stelle, gefolgt von der technikbezogenen Beratung mit 18 Prozent und der Beratung in Recht und Finanzen mit 14 Prozent. Diese Resultate zeigt eine im Herbst 2001 vom Institut für interdisziplinäre Wirtschafts- und Sozialforschung (IWS) durchgeführte Studie.

Überblick im Beratungsmarkt gewinnen

Um einen besseren Überblick im Schweizer Beratungsmarkt, der von einer Vielzahl von Kleinst-Beratungsunternehmen dominiert wird, zu gewinnen, wurden an die 3000 Beratungsunternehmen mit einer Grössenordnung von 1 bis 1300 Mitarbeitenden zu Struktur, Umfang, Ausrichtung und Selbstbild befragt. Rund 500 Beratungshäuser antworteten. Anstoss zur Studie war eine Optimierung des Directories "PSU - Porträts Schweizer Unternehmensberatungen", das die jobindex media ag dieses Jahr zum zweiten Mal herausgibt.

Mehr als die Hälfte der antwortenden Beratungsunternehmen wurden nach 1995 gegründet. Der Gesamtumsatz der schweizerischen Consulting-Unternehmen betrug im Jahr 2000 rund 6.5 Milliarden Schweizer Franken, davon entfallen 2.4. Milliarden auf die Management-Beratung. 1.4 Milliarden wurden mit personalbezogener Beratung erzielt, technikbezogene Unternehmensberatungen erwirtschafteten einen Umsatz von rund 1.2 Milliarden Franken.

In der Regel Gratis-Offerten

Die Bedürfnisse der Kunden sind oft komplex und die Offertstellung für die Consulting-Unternehmen dementsprechend aufwendig. So investieren die Beratungsfirmen durchschnittlich zwei Arbeitstage in die Offertstellung. Vom Erstkontakt bis zur Auftragserteilung vergehen im Mittel drei Monate. Es wäre daher gemäss den Befragten gerechtfertigt, den Offertaufwand in Rechnung zu stellen. Bis dato tun das lediglich knapp 7 Prozent der befragten Unternehmen.

Nur wenige sehen sich als Top-Leute

Trotz dem überdurchschnittlich hohen Ausbildungsniveau - rund 50 Prozent der Beratenden verfügen über einen Universitätsabschluss, ein Drittel ist im Besitz eines Fachhochschul-Abschlusses - haben die Unternehmensberaterinnen und -berater ein durchaus kritisches Bild von ihrer Branche. Weniger als 40 Prozent stufen sich selber als Top-Leute ein. Ebenso schlechte Noten werden der Konkurrenz verteilt: Weniger als die Hälfte der Beratungsunternehmen stimmt der These zu, die Wettbewerbsstärke der Konkurrenten sei gross.

Kein grünes Licht für Zertifizierungspflicht

Trotz des kritischen Selbstbildes lehnen über drei Viertel die Einführung einer Zertifizierungspflicht in ihrer Branche ab. Mit knapp 50 Prozent zeigen Unternehmen mit Fokus auf personalbezogene Beratung dabei den weitaus höchsten Anteil an Zustimmung. Die Gründe für diese negative Einstellung wurden in der Studie allerdings nicht erhoben, was einen weiten Spielraum für verschiedenste Interpretationen offenlässt.

War for Talents

Mehr als die Hälfte der befragten Beraterinnen und Berater glaubt, dass die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen in den kommenden Jahren weiterhin wächst, was zur Folge habe, dass die benötigten Mitarbeitenden nur mit Mühe gefunden werden können. Der kontinuierlich steigende Konkurrenzkampf verlange nach einer konsequenten Werbung um gute Mitarbeitende: Der "War for Talents" - die Besten der Besten für sein Unternehmen zu gewinnen - wird somit in der Beratungsbranche eine der grössten Herausforderungen der Zukunft darstellen.


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